Ja, ich weiß, woher ich stamme,
Ungesättigt gleich der Flamme
Glühe und verzehr’ ich mich.
Licht wird alles, was ich fasse,
Kohle alles, was ich lasse,
Flamme bin ich sicherlich.
Friedrich Nietzsche
Die senkrechte Themenkette
Das Prinzip allen Anfangs, zu dem der erste Impuls und der erste Schritt in Neuland gehören, verfügt über den dazu notwendigen Mut und Tatendrang. Da es um Durchsetzung in neuen Bereichen geht, gehört nicht nur der Krieger, sondern auch der Pionier zum marsischen Prinzip. Eroberung von neuem Terrain ist das Thema – und damit die Geburt oder der Angriffskrieg, die Einnahme einer fremden Stadt wie auch die stürmische Eroberung eines Partners. Es geht nicht um Durchhalten, sondern eben um Durchsetzung, auch von neuen Ideen. Victor Hugo sagte kurz und treffend: »Nichts ist so mächtig wie eine Idee, deren Zeit gekommen ist.« Der Mut zu handeln und die Tat, auch die spontane, unbedachte Reaktion, gehören zu Mars.
Was auf den ersten Blick, der natürlich ganz dem marsischen Lebensprinzip entspricht, negativ erscheint, wird auf den zweiten klar. Das Prinzip des Anfangs ist geschichtslos und kann auf nichts zurückgreifen. Hier bricht ungeformte Energie spontan hervor und fordert ihr Recht. Schnörkellos bahnt sie sich ihren Weg. Es ist naheliegend, dass jemand, der keine Vergangenheit hat, rücksichtslos tätig wird; auf wen oder was sollte er auch zurückblicken.
Rot wie das lodernde Feuer ist die Farbe des Anfangs. Das rote Eisen ist sein Metall wie auch der Stahl, aus dem die meisten Waffen sind, die die menschliche Kraft verstärken.
Bild 4
Vom Beruf her ist der mit Feuer und Eisen kämpfende Schmied, der seinen Hammer am Amboss schwingt und auf den glühenden Stahl einschlägt, hier zu Hause – wie der germanische Gott Thor mit seinem gewaltigen Hammer im religiösen Sinn. Beide müssen das Eisen schmieden, solange es heiß ist. Zum Marsprinzip gehören auch Krieger und Soldaten, besonders wenn sie brutal aus der Hüfte ballern oder ihr Schwert mit beiden Händen führen. Wer seine Zunge wie eine scharfe Klinge einsetzt oder mit spitzen Bemerkungen rücksichtslos punktet, zum Beispiel als Rechtsanwalt, folgt ebenfalls diesem Lebensprinzip. Weiterhin sind mutige, ja heldenhafte Feuerwehrmänner hier zu nennen, wobei Brandstifter zum selben Prinzip gehören. Außerdem Zahnärzte, die uns mit ihren scharfen, spitzen Werkzeugen auf den Zahn fühlen und am Zahn der Zeit bohren. Journalisten, die – wie die beiden Watergate-Aufklärer – etwas riskieren und für die Wahrheit kämpfen, sind weitere gute Beispiele für marsisches Berufsverhalten, das dynamisch und vorpreschend ist. Die Werbebranche mag vom schnellen und offensiven Mars zwar profitieren, aber letztlich ist sein Prinzip für sie zu ehrlich.
Unter dem Marsprinzip ist ein Mensch enorm begeisterungsfähig und kann andere mitreißen. Die Gefahr besteht aber darin, die an- und aufgerissenen Ideen (und Partner) nicht durchhalten und umsetzen zu können, weil das Strohfeuer nur kurz währt. Was die Anbahnung von Beziehungen angeht, finden sich deshalb rasche, direkte, dadurch nicht selten sehr offensive und freche Vorgehensweisen und Anmachen nach dem Motto: »Darf ich bitten, oder wollen Sie vorher tanzen?« Da Durchhalten nicht typisch für dieses Prinzip ist, hat Treue wenig Chancen. Wir sehen hier eher ein stürmisches und mutiges Vorpreschen, und das Verlieben geschieht rasch und oft. Die Neigung zu amourösen Strohfeuern macht es nicht leicht, dauerhafte Beziehungen zu führen. Allerdings ist Mars zupackend und weiß, was er will – auch in sexueller Hinsicht. Das Erobern zählt zu seinen Stärken, doch oft ohne zu wissen, was mit der Beute anzufangen ist. Vorspiel ist nicht seine Sache; ein »Hoppla, ich war schon da« entspricht eher marsischen Bedürfnissen. Streit könnte als Vorspielvariante dienen, immerhin ist in der Mythologie die Göttin des Streites, Eris, die Schwester von Mars.
Bild 5
Die passende marsische Kleidung sind Jeans, und zwar die echten mit Nieten, sowie abgewetzte lederne Cowboyklamotten wie Breeches und die einschlägigen Cowboystiefel.
Das Motto könnte lauten: »Wo ein Wille ist, da ist auch ein Weg!« oder »Frisch gewagt, ist halb gewonnen« oder »Veni, vidi, vici« (»Ich kam, sah und siegte«). Speziell Chirurgen würden mit einem »Machen wir mal auf, dann sehen wir schon« ganz im Sinne von Mars zur Tat schreiten.
Typische Adjektive sind akut, scharf, spitz, stürmisch, heiß, unüberlegt und gefährlich.
Von der Form oder Signatur betrachtet gehören alle archaischen Waffen zu Mars. Natürlich kann ein Speer auch zur Verteidigung gebraucht werden, aber Eindringen und Durchbohren bleibt in jedem Fall sein Thema. Ein Messer kann Brot und Kehlen durchschneiden und tut es immer auf marsische Art. Dem Skalpell des Chirurgen unterwirft man sich freiwillig, und es sollte unbedingt extrem scharf und spitz sein, weil es sonst mehr verletzt und schädigt. Sinnlos also, marsische Eigenschaften wie spitz oder scharf negativ zu sehen. Allein schon an der Tatsache, dass wir den Frühling als marsisch aggressive Zeit charakterisieren, wird deutlich, dass es hier nicht um Wertungen geht.
Frühling, die für Mars typische Zeit am Anfang des Jahres, ist weder gut noch schlecht, sondern notwendig, und die meisten lieben ihn. Die Milliarden von Keimlingen, die sich wie Speerspitzen im Frühling nach oben bohren und Mutter Erde – natürlich rücksichtslos – verletzen, sind wie alle Frühlingsboten dem Aggressionsprinzip zuzuordnen. Schneeglöckchen, die sich durch die Schneedecke schmelzen, oder Frühlingsstürme, die dem Winter das Rückgrat brechen, sind erste marsische Boten des jahreszeitlichen Neuaufbruchs. Ähnlich wie die ihnen urprinzipiell verwandten Knospen, die im Frühling ebenso rücksichtslos ihre Hüllen sprengen und zerreißen, sind die keimenden Pflanzen genauso spitz wie Pfeil- und Messerspitzen.
Bild 6
In der Woche gehört der Dienstag – italienisch martedì, französisch mardi (Marstag) – zu diesem Prinzip des Neuanfangs. Gegen den Dienstag, nach dem germanischen Kriegsgott benannt, haben wir nichts, den Frühling lieben die meisten sogar. In diesem Fall mögen wir es, wenn die Bäume ausschlagen, der Salat sogar schießt, die Säfte steigen und neues Leben sich mit aggressiver marsischer Kraft Bahn bricht.
Unter dem Marsprinzip ist das Denken scharfsinnig und zielorientiert und damit archetypisch männlich und direkt. Es kann begeisternd, bahnbrechend und mitreißend sein, aber auch konkurrenzorientiert, einseitig, eigensinnig und abstoßend parteiisch.
Das Fühlen gehört nicht zu den Stärken von Mars, sondern eher das fulminante Erleben und Äußern von...