Inhaltsangabe:Einleitung: Neben der Beschäftigung mit Aktenarchiven besteht ein wichtiger Teil der Aufarbeitung von DDR-Geschichte in der Auseinandersetzung mit dem Kino der DEFA. Die Hauptfrage lautet hier: Wie repräsentiert sich die ostdeutsche Lebenswelt im DEFA-Film? Für eine soziologische Auseinandersetzung mit ostdeutscher Realität liegt es nahe, Filme zu wählen, die sich einer ideologischen Indoktrination durch die Staatsmacht, die im Film ein Propaganda- und Erziehungsinstrument sah, weitestgehend entziehen. Des Weiteren bieten dokumentarische Filme einen breiten Forschungsgegenstand und können direkter auf Realität verweisen als fiktionale Filme. Nimmt man diese beiden Ansprüche zusammen, so stößt man unweigerlich auf den Dokumentarfilmer Jürgen Böttcher, der mit neuen Akzenten ab den 1960er Jahren die ostdeutsche Dokumentarfilmschule entscheidend mitprägte. Böttcher setzte sich über die in den 50er Jahren gängige propagandistische Darstellung von Arbeit als ein dem Menschen Übergeordnetes hinweg und rückte Personen in den Mittelpunkt. Gleich sein erster Kinofilm „Drei von Vielen“ (1961) vermittelte Einblicke in die Privatsphären von drei Freunden aus dem Künstlermilieu und wurde verboten. Obwohl sein Werk sehr vielseitig ist und sogar einen Spielfilm („Jahrgang 45“, 1966) enthält, der ebenfalls der Zensur zum Opfer fiel, blieb das Thema „Mensch und Arbeit“ in den 30 Arbeitsjahren bei der DEFA ein Kernproblem seiner Filme. Die folgende Arbeit soll politische Ursachen und Gründe für die Verbote offen legen. Wo wurde also kreative Entfaltung behindert und wo wurde sie gefördert? Inwieweit musste sich ein Filmemacher den Bedingungen anpassen. Aber auch: Welche Rolle spielen persönliche Konflikte und Intentionen, die nicht gesellschaftstheoretisch verallgemeinerbar sind? Wie war es Böttcher nach den Verboten überhaupt noch möglich, weiter in der DEFA zu arbeiten? Damit bekommt die Arbeit auch eine mikrosoziologische Qualität. An Filmbeispielen soll das Spezifische in Böttchers Ästhetik näher gebracht werden, die wiederum bestimmte Produktionsbedingungen voraussetzte. Diese waren relativ frei von ökonomischen Zwängen. Im Gegensatz zu ihren westdeutschen Kollegen stießen die ostdeutschen Filmemacher vielmehr an ideologische Grenzen als an zeitliche und materielle. In einem Leitfadeninterview mit dem Regisseur wurden biographische Situationen erfragt, die einen entscheidenden Einfluss auf sein filmisches Schaffen hatten. Gleichzeitig werden [...]
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