1. ÖKONOMIE DER KRÄFTE
So wie wir heute leben, verschwenden wir unsere Kräfte an tausend Dinge, ohne uns dessen bewusst zu werden.
Es gibt aber eine höhere Ökonomie oder Sparsamkeit, als die mit dem Geld und wir müssen uns diese höhere Ökonomie zu eigen machen, denn sie wird uns lehren, dem Verlust unserer Kräfte zu steuern. Wissen wir aber, wie wir unsere Kräfte bewahren können, so mehren wir unser mentales und körperliches Vermögen unaufhörlich und schaffen uns so einen Wert, der Geldeswert bei weitem übersteigt. Wir werden unser Leben so sehr verlängern, wie wir es heute kaum zu erhoffen wagen.
In dieser göttlichen Ökonomie unserer Kräfte, die noch kein Mensch je meisterte, wird jeder Akt unseres Geistes oder Körpers der Ursprung einer Neuschöpfung und Kraftvermehrung sein. Das Gehen, körperliche Arbeit im Hause oder auf dem Feld, unser wissenschaftliches oder künstlerisches Werk werden uns Freude schenken und dauernder Kraftgewinn sein. Diese Ökonomie wird unsere geistige und körperliche Ausdauer verlängern, denn wir werden mehr Kraft empfangen als verbrauchen.
Eine der großen Ursachen unserer gegenwärtigen Kraftverschwendung ist die Stimmung von Ungeduld oder geistiger Unmäßigkeit. Jede Bewegung auch des schwächsten Muskels verbraucht Kraft und Geist. Wir biegen den Finger ein, bewegen die Wimpern, regen leise eines unserer Glieder: und alles das ist so gut Kraft Gottes wie es die unsrige ist. Denn wir sind Teile des Unendlichen. Und es ist Sein Gesetz, dass diese Kraft dazu gebraucht werde, uns der höchsten Freude zuzuführen.
Schmerz und Unrast entstehen, wenn wir die göttliche Kraft nicht nach dem Plan und Willen des Unendlichen gebrauchen.
Schmerz jeder Art ist eine Botschaft des Unendlichen, die besagt, dass wir unsere Kräfte irrig verbraucht haben.
Nimm an, du hättest für beträchtliches Geld einen Automaten gekauft oder machen lassen. Dieser Automat wird durch eine bestimmte Kraft in Gang erhalten. Er ist sehr gelehrig und kann Schubladen öffnen und schließen, das Blatt Papier fortnehmen, das du eben beschrieben hast, deine Feder ins Tintenfass tauchen, Kleider und Handschuhe zu-und aufknöpfen, kurz, alle die Handgriffe tun, die jeder Mensch für sich tun muss, und wenn er eine Armee von Dienern hätte.
Wenn nun die besondere Kohle oder was sonst zum Erzeugen der treibenden Kraft des Automaten in Betracht käme, die Bagatelle von hundert Dollar pro Kilogramm kostete – würdest du diesen Automaten bei jeder geringsten Gelegenheit bemühen? Würdest du dich seiner nicht sehr achtsam und bedachtsam bedienen? Würdest du nicht, ehe du ihn funktionieren ließest, einen Augenblick nachdenken, ob denn die Leistung dieses kostspieligen Dieners im Verhältnis zur verbrauchten Kraft steht? Und würdest du ihn diese Leistung mit dem Aufgebot der höchsten Energien stoß-und ruckweise vollbringen lassen, so dass die Maschinerie ächzte und knarrte und bald in die Reparatur müsste, wenn sie nicht gar schon ganz kaputt gegangen wäre?
Nun, wir verwenden beim Gebrauch unseres Körpers – wenn wir etwa, wütend, ein Blatt Papier zerreißen oder ein Fenster öffnen oder ein Kleidungsstück vom Haken nehmen oder wegen irgendeiner Kleinigkeit wie verrückt durchs Zimmer schießen – eine weit größere Kraft als nötig ist. Und wenn wir in solcher Verfassung alle die hundert Nichtigkeiten tun, die wir täglich tun müssen: dann ist dies eine stete Kraftausgabe, der keine Krafteinnahme gegenübersteht. Diese stete Kraftausgabe erzeugt Erschöpfung, Krankheit und Tod des Körpers.
Zähle, wenn du kannst, die vielerlei Bewegungen des Körpers, der Glieder und Muskeln, die du in der ersten Stunde nach dem Erheben machst. Denke an die vielerlei Muskelbewegungen, die allein das Anlegen der Kleider erfordert, dein Herumgehen im Zimmer. Vergegenwärtige dir, dass jede dieser Bewegungen Kraft verbraucht, so gut wie der Gedanke, den du denkst, Kraft verbraucht.
Der Automat, von dem ich sprach, ist unser Körper.
Die Kraft oder den Geist, den wir aufwenden, wenn wir eine Flaumfeder oder ein Neunzigpfundgewicht heben, strömen uns vom Unendlichen zu, der alle Kraft und aller Geist ist.
Für Geld kannst du diese Kraft nicht kaufen. Sie übersteigt jedes Maß kaufmännischer Werte. Ihre Heiligkeit und Würde wird durch nichts, was wir tun, vermindert. Sie ist durch die Nadel, die wir durchs Kleid führen, das wir ausbessern, oder durch die Feder, mit der wir etwas notieren, ebenso geheiligt wie durch irgendetwas anderes.
Ökonomie unserer Kräfte bedeutet ewiges Leben für den Körper. Nicht für diesen Körper, sondern für den physischen Körper, der sich im Rhythmus der ewig erneuten Kraft, die der Geist aus der unerschöpflichen Quelle aller Kraft aufnimmt, ewig wechselnd erneut und verfeinert.
Gerade auf die Nichtigkeiten, auf die Vergeudung unserer Kräfte im Kleinen sollten wir besonders achten! Wir müssen immer die Meister des Augenblickes sein!
Verwende keine kostbare, unwiederbringliche Stunde auf das mühsame Suchen der verlorenen Stecknadel!
Verschwendung von Kraft beim Gebrauch unseres Körpers zieht unfehlbar seinen inneren Mechanismus aufs verderblichste in Mitleidenschaft. Lunge, Herz, Blutkreislauf und alle anderen Funktionen unserer Organe werden von unserer vorherrschenden Gemüts-oder Geistesverfassung beeinflusst.
Wenn wir's sehr eilig haben, werden diese Funktionen sehr eilig und damit sehr unvollkommen geschehen. Wenn wir uns nicht die Zeit nehmen wollen, die Dinge ordentlich zu tun, wird auch unser Magen sein Werk nicht ordentlich vollbringen. Und unsere anderen Organe werden sich ihm anschließen.
Es kann kein einziger Teil der Maschine aus der Ordnung geraten, ohne dass er alle anderen in Mitleidenschaft zöge.
Verschwendung von Kraft erzeugt Unruhe, Ungeduld, Hast. Der Atem unruhvoller, gehetzter Menschen ist kurz, keuchend, überstürzt. Menschen, denen Hast und Ungeduld zur Gewohnheit wurden, können nicht gesund atmen.
Es gibt ein Atmen des Geistes und ein Atmen des Körpers. Wenn unser Geist der höheren Ökonomie bewusst wird, führt er dem Körper ein bestimmtes Leben zu. Dieses Leben nehmen wir mit jedem Atemzuge auf und es erzeugt von selbst die tiefe, ruhevolle Atmung. Solches Leben kommt nicht von der Erde, sondern aus dem Reich des Geistes. Und wir empfangen von diesem Leben je nach unserem Trachten nach ihm. Dieses Trachten ist ein Verlangen an den Höchsten, uns zu höheren Formen des Seins und über alle Schmerzen und Gebrechen der Sterblichkeit emporzuheben.
Hass ist die wildeste Ausschweifung im Gebrauch unserer Kraft. Hass jeder Art schädigt den Körper ernstlich.
Aber ist es denn nicht nur recht und billig, Übel, Unterdrückung und Ungerechtigkeit zu hassen?
Das ist keine Frage von Recht und Unrecht. Denn, was recht und unrecht ist, darüber entscheidet die Allgemeinheit. Aber es ist die Frage einer geistigen Verfassung, eines Zustandes, in dem wir sind, und ob der uns Gutes oder Schlechtes bringt.
Wer in allem und jedem Unvollkommenheit sieht und stetig im Gegensatz zu Sitte und Brauch, Gesetz und Volk steht, injiziert sich ein zerstörendes Geisteselement, er füllt den Körper damit. Es gibt Leute, die sich um irgendetwas, das ihnen als „gute Sache“ erscheint, in Krankheit und Tod hinein hassen. Der wortreiche Sprecher, verletzender Schmähung und sarkastischen Spottes gegen den Bedrücker voll, muss manchmal vorzeitig ins Grab. Er ist in einen Strom von Kampfwut gegen einen gewissen Feind hineingeraten. Und aus solch einem Strom wieder heraus zugelangen, ist nicht leicht. Er ist wie ein Schwert, das auch den tötet, der es gebraucht. Wer von solchen Schwertern lebt, geht durch sie zugrunde.
Wenn wir einst nach höheren Gesetzen leben werden, in der göttlichen Ökonomie und im neuen Geist, den uns die Allmacht geben wird — werden wir diese Kraft sparen, denn wir werden nichts Hassenswertes sehen können. Wir werden im Menschen und in der Natur nur das Gute sehen.
Wer nur Gutes sieht, strömt eine große Geisteskraft aus, die noch mehr Gutes heranzieht. Der Höchste wird uns, je nach unserem Verlangen, zeigen, um wie viel mehr Gutes in allen Dingen ist als wir vermuten. Wir werden wahrhaftig erstaunt sein, wie viel Schönheit, Harmonie und Ordnung es in diesem Weltall gibt.
Herkömmliches Wissen und Gesetz der Menschen sagen uns, das Unrecht müsse bekämpft werden. Aber wer den Kampf in die Welt hineindenkt, wird Kampf aus ihr empfangen. Viele unter uns, zu Parteien zusammengeschlossen, sind immer auf einem Kreuzzug gegen andere Parteien, Klasse kämpft gegen Klasse, Rasse gegen Rasse, Nation gegen Nation. Verleumdung und Verdammung donnern von Kanzel und Tribüne herunter. Überall werden bittere Gefühle erzeugt, in sich und anderen. An Gesetzen gegen das Übel fehlt es uns nicht, aber wir können es nicht ausrotten.
Zeitalter hindurch sind wir diesen Weg gegangen. Mit Erfolg? Hat uns bei all dem immer der große Weltgeist beraten, der einzig weiß, was gut und böse ist? Oder haben wir Menschen in unserem Hochmut uns nicht angemaßt, selber alles besser zu wissen und die Zügel der Regierung in die eigene Hand nehmen zu können?
Der Mensch vergeudet seine Kraft zwiefach. Vergeudung der Kraft im Physischen bedeutet Vergeudung der Kraft im Geistigen. Die Erschöpfung ist abermals zwiefach. Wer verärgert zu Bett geht, wird, wenn er am Morgen erwacht, mit dem gleichen zerstörenden Element beladen sein. Ein Geist...