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E-Book

Die neue Ordnung des Geldes

Warum wir eine Geldreform brauchen

AutorThomas Mayer
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl256 Seiten
ISBN9783862484034
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Gewinner des getAbstract International Book Award 2015 Seit der Finanzkrise stehen die Banken unter Generalverdacht und nicht wenige ihrer Kunden fühlen sich von Bankern ausgebeutet. Im Sog der öffentlichen Empörung überzieht die Politik das Bankgewerbe mit Strafen und will es bis ins kleinste Detail regulieren. Die Hohepriester der Ökonomie an den Universitäten und den Zentralbanken liefern dazu bereitwillig die Blaupausen. Doch kratzt man an der Oberfläche der Diskussion um die Banken, stellt man fest, dass sogar unter Experten heillose Verwirrung über die einfachsten Begriffe herrscht. Was ist eigentlich Geld und wie entsteht es? Was machen die Banken wirklich? Was ist Zins? Kann es ein stabiles Geldsystem überhaupt geben? Thomas Mayer - einer der renommiertesten deutschen Wirtschaftsexperten - wagt es, sich dem Konsens der Experten entgegenzustellen und die konventionelle Makroökonomik und Finanztheorie herauszufordern. Seine Antwort auf die Frage nach einer besseren Geldordnung ist eine Geldreform, die unsere gegenwärtige Passivgeldordnung durch eine Aktivgeldordnung ersetzt. Mayer ist kein Krisenprophet. Er glaubt, dass unser mangelhaftes Geldsystems in einem evolutionären Prozess verbessert werden kann - wenn Politiker und Entscheidungsträger es nur wollen.

Thomas Mayer ist Senior Fellow am Center for Financial Studies der Goethe Universität Frankfurt und Berater der Deutsche Bank Gruppe. Von 2010 bis 2012 war er Chefvolkswirt der Deutsche Bank Gruppe, zuvor war er für Goldman Sachs und Salomon Brothers in London und Frankfurt tätig. Bevor er in die Privatwirtschaft wechselte, bekleidete er verschiedene Funktionen beim Internationalen Währungsfonds in Washington und beim Institut für Weltwirtschaft in Kiel. Er ist Kolumnist der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung.

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Leseprobe

Kapitel 1: Was ist Geld?

Ob wir es wollen oder nicht: Geld spielt in unser aller Leben eine herausragende Rolle. Haben wir als Kinder die ersten Rechenfertigkeiten erlernt, dann dauert es nicht lange, bis wir diese auf Geld anwenden. Und manch einer verwendet noch seine letzten klaren Gedanken darauf, wer das Geld, das er zu Lebzeiten angesammelt hat, nach seinem Tod bekommen soll. Entsprechend seiner Bedeutung für unser Leben haben sich die meisten Sozialwissenschaften mit Geld befasst.

In den Wirtschaftswissenschaften nimmt die Geldtheorie und -politik einen prominenten Platz ein. Man sollte daher meinen, wir wüssten, was Geld ist. Doch das ist, so unglaublich es klingt, nicht der Fall. Wie wir in diesem Kapitel sehen werden, gibt es zwei sehr unterschiedliche Auffassungen darüber, was Geld eigentlich darstellt. Für die einen ist Geld eine besondere Ware, die durch gesellschaftliche Konvention zu einem Mittel für den Tausch wirtschaftlicher Güter geworden ist. Für die anderen ist Geld nur ein Maß für die Schuld, in der wir Mitmenschen gegenüber stehen, die uns ein wirtschaftliches Gut überlassen haben.

Wie Wirtschaftsbeziehungen organisiert sind

In der Literatur lassen sich zur Natur des Geldes zwei unterschiedliche Auffassungen finden: eine anthropologisch-historische und eine ökonomische. Der bekannteste Vertreter der ökonomischen Auffassung des Geldes ist der schottische Moralphilosoph und Ökonom Adam Smith, der im 18. Jahrhundert das theoretische Gerüst für die heute gültige Lehre von der Ökonomie schuf. Einer seiner Herausforderer aus unserer Gegenwart ist der Anthropologe und Aktivist David Graeber, der heute an der London School of Economics and Political Science lehrt. In dieser ungleichen Auseinandersetzung stehen sich ein Klassiker der Nationalökonomie aus dem 18. Jahrhundert und ein zeitgenössischer Anthropologe, Kritiker unseres Finanzsystems und erklärter Anarchist gegenüber, was sie umso spannender macht. Werfen wir zunächst einen Blick auf die Protagonisten.

Adam Smith wurde 1723 in Kircaldy getauft und studierte schon ab seinem vierzehnten Lebensjahr bis 1740 an der Universität Glasgow. Danach ging er ans Balliol College der Universität Oxford, wo er bis 1746 Philosophie studierte. 1748/49 hielt er öffentliche Vorlesungen in Edinburgh. Im Jahr 1751 wurde er Professor für Logik und kurze Zeit später, im Jahr 1752, Professor für Moralphilosophie an der Universität Glasgow. Smith war mit dem Philosophen David Hume befreundet und lernte Voltaire sowie die französischen Physiokraten Jacques Turgot und François Quesnais kennen. Im Jahr 1776 erschien sein bedeutendstes Werk, Der Wohlstand der Nationen. Eine Untersuchung seiner Natur und seiner Ursachen.

Für Smith bestimmt Arbeit den Wert von Gütern und nicht natürliche Ressourcen wie bei den Physiokraten. Seine Lehre vom Arbeitswert der Güter floss sowohl in die ökonomische Theorie von Karl Marx als auch in die klassische und neoklassische ökonomische Theorie ein, wurde aber von den späteren Ökonomen der Österreichischen Schule, wie Carl Menger, Ludwig von Mises und Friedrich von Hayek, vehement abgelehnt.

Produktion kann nach Smith durch Arbeitsteilung gesteigert werden. Daraus folgt die Notwendigkeit zum Tausch: »Wie das Verhandeln, Tauschen und Kaufen das Mittel ist, uns gegenseitig mit fast allen nützlichen Diensten, die wir brauchen, zu versorgen, so gibt die Neigung zum Tausch letztlich auch den Anstoß zur Arbeitsteilung.«3 Indem jedes Individuum unter Einsatz seiner speziellen Fähigkeiten und innerhalb der gesellschaftlichen Grenzen danach strebt, sein persönliches Glück zu steigern, wird über die »unsichtbare Hand« des Tauschs im Markt die gesamtgesellschaftliche Wohlfahrt erhöht. Der Einzelne »wird ... von einer unsichtbaren Hand geleitet, um einen Zweck zu fördern, den zu erfüllen er in keiner Weise beabsichtigt hat«.4

Der Herausforderer Smiths, David Graeber, wurde 1961 in New York geboren und ist nach eigenen Aussagen seit seinem sechzehnten Lebensjahr Anarchist. Er studierte an der State University of New York und der Universität von Chicago, wo er 1996 promovierte. Zwei Jahre später wechselte er an die Yale University, wo er als Assistant und Associate Professor tätig war. Im Jahr 2005 entschied der Fachbereich Anthropologie dieser Universität, Graebers Lehrauftrag nicht zu verlängern, sodass er keine ordentliche Professur erhalten konnte. Dies führte zu erheblichen Protesten von Studenten, Aktivisten und Fachkollegen, die jedoch keinen Erfolg hatten. Nach mehreren ehrenvollen Vorträgen erhielt Graeber 2007 einen Lehrauftrag am Goldsmith College der Universität von London, bevor er 2013 zum Professor an der London School of Economics ernannt wurde.

Graeber spielte eine herausragende Rolle in der Occupy-Wall-Street-Bewegung, die im Sog der Finanzkrise im September 2011 in New York City begann. Graebers bisher wichtigstes Werk ist Schulden: Die ersten 5000 Jahre, das im Jahr 2011 erschien und in dem er Adam Smiths These vom Tausch als Grundlage wirtschaftlicher Beziehungen infrage stellt.5

Graeber und andere Vertreter der anthropologisch-historischen Sicht betonen, dass in Urgesellschaften und in der Antike wirtschaftliche Beziehungen in Form von Kredit im Vordergrund standen. Tausch spielte vornehmlich dann eine Rolle, wenn nicht die Mitglieder einer Gesellschaft untereinander, sondern Mitglieder verschiedener Gesellschaften wirtschaftliche Beziehungen eingingen. Geld entstand daher nach Graeber nicht als Tauschmittel, wie von den klassischen Ökonomen behauptet, sondern als Maßeinheit für Kredit, oder auch Schuld, insbesondere gegenüber der Obrigkeit.

In seinem Buch zitiert Graeber als Kronzeugin für diese Auffassung seine Anthropologenkollegin Caroline Humphrey: »Nie wurde eine einfache und reine Tauschwirtschaft je beschrieben, und noch viel weniger die Entstehung von Geld daraus. Alle verfügbaren anthropologischen Studien widerlegen die Idee der reinen Tauschwirtschaft.«6 Graeber verweist auf zahlreiche Studien primitiver Gesellschaften, in denen wirtschaftlicher Austausch in Form von »Geben und Nehmen«, oder eben Kredit und Schuld, und nicht als Tauschgeschäft beschrieben wird. Tausch kommt nur in dem besonderen Fall ins Spiel, wenn die beteiligten Parteien kein Vertrauen zueinander haben, also wenn zum Beispiel der Austausch zwischen Angehörigen unterschiedlicher Stämme und nicht zwischen denen des gleichen Stamms stattfindet. »Dies bedeutet natürlich nicht, dass Tauschhandel nicht existiert oder dass er nie von der Art von Leuten praktiziert wurde, die Smith ›Wilde‹ nannte. Es bedeutet nur, dass er beinahe nie von Angehörigen der Dorfgemeinschaft verwendet wird. Normalerweise findet er zwischen Fremden, um nicht zu sagen Feinden statt.«7

Graeber führt aus, dass »Geben und Nehmen« auch die dominante Form des Austauschs in den vorchristlichen Gesellschaften Mesopotamiens und Babyloniens war. »Geld« in unserem heutigen Sinne als universelles Maß und Tauschmittel gab es nicht. Wie Felix Martin in seiner »unautorisierten Biografie des Geldes« erklärt, wurden Transaktionen in Mesopotamien lediglich gebucht und verrechnet.8

Berühmt für ein auf Kredit basierendes Geldsystem wurde die Pazifikinsel Yap, nachdem der amerikanische Abenteurer William Henry Furness seine dort gemachten Beobachtungen 1910 in einem Buch beschrieb.9 Die Leute von Yap, fand Furness heraus, bezahlten mit Steinmünzen, die so groß wie Mühlsteine waren. Diese Münzen konnten unmöglich physisch bei jeder Transaktion den Besitzer wechseln, weil sie einfach viel zu groß und schwer waren. Tatsächlich lagerten sie einfach in der Landschaft. Ja, einer dieser großen Mühlsteine war bei einem seltenen Transport übers Meer mitsamt dem Schiff vor der Küste von Yap gesunken. Obwohl der Stein auf dem Meeresgrund lag, tat dies der Zahlungsfähigkeit seines Besitzers keinen Abbruch, denn für die Leute von Yap waren die Steine keine Tauschmittel, die von Hand zu Hand wanderten, sondern Zeichen für die Kreditwürdigkeit des Besitzers. Transaktionen wurden getätigt, indem Kredite, die man sich einräumte, gegeneinander verrechnet wurden. Wenn sich die Transaktionen nicht ausglichen, jemand also netto Kreditgeber oder Schuldner war, so wechselte ein Teil des Steins virtuell den Besitzer, ohne dass er seine physische Lage verändert hätte.

Als Verrechnungseinheit kann Geld viele Formen annehmen, zum Beispiel Nutzvieh, Getreide, Nägel oder eben auch Edelmetalle. Im mittelalterlichen England vom 12. bis zum späten 18. Jahrhundert dienten spezielle Weidenstöcke, die an der Themse wuchsen, der Staatskasse zur Verrechnung von Einnahmen und Ausgaben. Die Transaktionen wurden auf die Weidenstöcke geschrieben und der Stock dann der Länge nach entzweigeschnitten, sodass beide Seiten, Gläubiger und Schuldner, einen Nachweis für die Transaktion hatten. Trotz des Gebrauchs dieser Stöcke über 600 Jahre sind heute leider nur noch wenige erhalten. Im Jahr 1782 schaffte das britische Parlament das System der »Kerbhölzer« ab.10 Doch die Stöcke wurden noch viele Jahre benutzt und erst 1834 vollständig durch Papiernoten ersetzt. Im Gefühl, dass nun eine neue Zeit angebrochen war, entschloss man sich, die rückständigen Kerbhölzer in einem Ofen des Oberhauses zu verbrennen. Dabei ging man wohl ziemlich fahrlässig vor, denn die Täfelung des Sitzungssaals fing Feuer. Bald stand das ganze Oberhaus in Flammen, die dann auf das Unterhaus übergriffen. Beide Häuser des Parlaments brannten vollständig...

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