Wird Herrschaft erlangt und ein Herrschender hat die Befugnis Macht auszuüben, kann dies entweder auf legalem oder aber auf illegalem Wege zustande kommen. Diese Vermutung könnte auf den ersten Blick Bestand haben – jedoch muss in modernen Gesellschaften ein weiterer Faktor Berücksichtigung finden: Der Faktor „Legitimität“. Nur wenn dieser Faktor in positiver Weise erfüllt wird, kann davon ausgegangen werden, dass die entstandene legale und nun legitime Herrschaft von stabiler Natur sein wird. „Die Stabilität der Demokratie hängt (…) davon ab, dass der Bürger die Demokratie sowie seine eigene Rolle darin versteht.“[59]. Somit wird ausdrücklich die Erfassung und Einsicht bezüglich des gegebenen Sachverhalts impliziert, denn nur legitime und legale Herrschaft wird die Einsicht der Beherrschten generieren können. Vor dem Hintergrund des gewählten Themas der Hausarbeit ist diese Erkenntnis unerlässlich. Namentlich wird Bezug genommen auf die Staatsform der Demokratie. So selbstverständlich man diesen Begriff lesen beziehungsweise überlesen mag – die Frage, was darunter genau zu verstehen ist, gestaltet sich als nicht zu unterschätzende Hürde, die genommen werden muss, um eventuelle Probleme, die in diesem Zusammenhang anfallen können, effektiv und nachhaltig lösen zu können. Dieser Thematik widmete sich etwa in der Mitte des vergangenen Jahrhunderts Joseph Alois Schumpeter. Er nahm in seinem Werk „Kapitalismus, Sozialismus und Demokratie“[60] kritisch Stellung bezüglich vorgefundener und exemplarisch vorgestellter Organisationsformen. Demokratie muss auch nach Schumpeter fortbestehen. „Schumpeter hat die Schwächen normativer Demokratiekonzepte schonungslos aufgedeckt und er hat versucht, die Demokratie von überzogenen normativen Ansprüchen zu befreien, um wenigstens Teile der Demokratie zu retten.“[61]. Allerdings verdeutlicht er nicht nur seinen Eindruck von bisher bestehenden demokratischen Ordnungen, sondern gibt selbst konkrete Vorschläge, wie die seiner Meinung nach bestehenden Defekte nivelliert werden können. Hierauf wird detailliert in einem späteren Kapitel eingegangen. Für das Problemverständnis ist der aus Schumpeters Lösungsvorschlägen resultierende Begriff des „Schumpeterianischen Dilemmas“ von höchster Wichtigkeit. Im Kern wird hierdurch folgendes beschrieben: Schumpeter hat in seinem bereits genannten Werk Probleme bestehender demokratischer Ordnungen herausgefiltert. Er selbst hat Vorschläge gemacht, wie diese Defekte zu beheben sind. Das konkrete Dilemma besteht darin, dass diese Defekte nicht behebbar sind. Die Prämissen, die eingehalten werden müssen, generieren einen Effekt, der nicht zu beheben ist. So suggeriert bereits der Begriff „Dilemma“[62], dass auf der einen Seite Optionen zur Verfügung stehen, diese Optionen auf der anderen Seite allerdings nicht zu eindeutig positiven Ergebnissen führen werden. Im konkreten Fall wäre die erste Option beispielsweise die vorgeschlagene Lösung von Schumpeter, die – wie an späterer Stelle noch gezeigt wird – ein nicht befriedigendes Resultat generiert. Eine zweite mögliche Option wäre beispielsweise eine Modellierung der gegebenen, beziehungsweise angenommenen, Prämissen, was zur Folge hätte, dass es sich womöglich nicht mehr um ein demokratisches System handeln würde.
Wird von genannten Angaben ausgegangen, ist es unbestreitbar korrekt, von einem Dilemma zu sprechen. Der Titel dieser Hausarbeit lautet im Gegensatz dazu folgendermaßen: „Das Schumpeterianische Problem“. Die Abstufung vom Dilemma zum Problem wurde meinerseits mit voller Absicht vorgenommen. Die zuvor erwähnten Annahmen sind nach wie vor korrekt. Allerdings werde ich im Laufe dieser Hausarbeit den Gedankengang Schumpeters fortsetzen und so zu einem Ergebnis kommen, das positive Effekte generiert. Das „Schumpeterianische Dilemma“ stellt sich vor diesem Hintergrund als Problem[63] dar, welches durch die geeigneten Maßnahmen gelöst werden wird, beziehungsweise kann.
Des weiteren erscheint es meinerseits angebracht, den gewählten Aufbau zu begründen. Im allgemeinen wird mit einem kurzen Abriss der Biographie der zentralen Persönlichkeit (in dieser Arbeit: Schumpeter) begonnen. In der vorliegenden Arbeit gehe ich bewusst nicht nach diesem Schema vor. Zunächst werde ich mit einer Erörterung des Begriffes „Demokratie“ beginnen, erst dann folgt der explizite Einstieg in die Thematik Schumpeters mit Verweisen auf dessen biographischen Hintergrund. Ich habe mich zu dieser Vorgehensweise entschlossen, da ich Schumpeter in einer diskursiven Tradition sehe, in der es darum geht, den Begriff „Demokratie“ und die konkrete Ausgestaltung vor einem normativen Erwartungshorizont in der Praxis zu verbessern. Von daher möchte ich Schumpeter dem Thema Demokratie subsumieren, nicht aber umgekehrt. Um dies deutlich zu machen, habe ich mich für die genannte Reihenfolge entschieden.
In diesem Kapitel will ich den Begriff „Demokratie“, der für das weitere Verständnis dieser Arbeit unabdingbar ist, näher erläutern. Die angegebene Kapitelüberschrift entstammt nicht meinem Gedankengut, sie wird vielmehr dem ehemaligen britischen Premierminister Winston Churchill zugeschrieben. Mit dieser Wahl will ich ein Problem verdeutlichen, dass auch bei Schumpeter auftaucht: Durchaus positiv intendierte Prozesse können vor einem bestimmten normativen Hintergrund betrachtet, als negativ wahrgenommen werden. Die Prämisse, dass es einer Demokratie bedarf, muss allerdings davon unberührt bleiben, da (laut oben genanntem Zitat) die Demokratie nur die schlechteste Staatsform ist, wenn sie nicht in Konkurrenz zu anderen steht. Tritt letzteres doch ein, so wäre Demokratie im Umkehrschluss nicht die schlechteste Staatsform. Dieses – zugegeben – durchaus polemische Beispiel soll verdeutlichen, wie sehr Anspruch und Wirklichkeit auseinanderklaffen können. Was beschreibt der Begriff „Demokratie“? Im zuvor bereits zwei mal verwendeten Duden findet man folgendes: „Demokratie [„Volksherrschaft“] die; (…) Regierungssystem, in dem der Wille des Volkes ausschlaggebend ist (…)“[65]. Diese Definition kann an dieser Stelle nicht ausreichen. Vielmehr muss konstatiert werden, dass eine intersubjektive Definition von Demokratie unmöglich ist: Zu mannigfaltig sind die Interpretationsmöglichkeiten der einzelnen Parameter. Demokratie kann nur anhand von Merkmalen oder Kategorien beschrieben werden[66]. Von Beyme nennt konkret „Gleichheit“ und „Volkssouveränität“ als unverrückbaren Kern von Demokratie[67]. Dass auch diese Merkmale einer Präzisierung bedürfen liegt auf der Hand. Wolfgang Merkel nennt Kriterien, die einer „embedded democracy“ zu Grunde liegen. „Das Konzept der ‚eingebetteten Demokratie’ folgt der Idee, dass staatliche Demokratien doppelt eingebettet sind: intern – indem die einzelnen Teilregime der Demokratie (…) den normativen und funktionalen Bestand sichern. Extern – indem die Teilregime der Demokratie (…) gegen äußere wie innere Schocks und Destabilisierungstendenzen geschützt werden.“[68]. Ich möchte an dieser Stelle nur exemplarisch einige von Merkel genannte Kriterien wiedergeben: Aktives und passives Wahlrecht, freie und faire Wahlen, Meinungs-, Presse und Informationsfreiheit, freier und gleicher Zugang zu Gerichten sowie Gewaltenkontrolle[69]. Heidrun Abromeit stellt fest: „’Demokratie als Eigenschaft’ charakterisiert (…) kollektive Entscheidungssysteme, die eine Verlängerung der individuellen Selbstbestimmung in den betreffenden Entscheidungsbereich hinein erlauben: die also sicherstellen, dass die Individuen an den (kollektiven) Entscheidungen, denen Sie unterworfen werden sollen, beteiligt sind.“[70]. Das Fundament einer jeden Demokratie bildet hiernach das Volk als Souverän.
Eine genauere Betrachtung des Demokratiebegriffs wäre durchaus in meinem Interesse – allerdings würde dies den vorgegebenen Rahmen dieser Arbeit vollends sprengen, weshalb ich zum Thema Demokratie folgende zusammenfassende Bemerkungen hinzufügen möchte: Demokratie ist ein Konstrukt verschiedener Kriterien. Je nachdem wie diese Kriterien im Einzelfall definiert werden, kann ein breiter oder enger Demokratiebegriff gebildet werden. Eine intersubjektiv gültige Definition von Demokratie ist nicht vorhanden.
Joseph Alois Schumpeter wurde 1883 in Triesch, auf dem damaligen Gebiet der Österreich-Ungarischen Provinz Mähren, geboren[71]. Heute heißt die Stadt „Třešť“ und liegt auf dem Gebiet der Tschechei. 1909 begann er an der Universität Wien Veranstaltungen über ökonomische Theorie zu halten. Es folgte ein Lehrstuhl für Wirtschaftswissenschaften in Czernowitz, 1911 eine Professur an der Universität Graz. Als Austauschprofessor arbeitete er 1913-1914 an der Columbia University. In den...