Warum noch ein Börsenbuch schreiben? Es gibt doch schon so viele!
Mir ist keines bekannt, das sich mit den speziellen Fragen und der besonderen Situation eines Privatanlegers auseinandersetzt und von einem Privatanleger geschrieben ist. Einsteigerbücher für Börsenneulinge und Ähnliches will ich Ihnen gar nicht zumuten. Als Privatanleger sind Sie für manche eine willkommene Beute, weil man Ihnen nicht allzu viel Fachwissen zutraut. Ähnlich wie sich Menschen in einer gotischen Kathedrale klein und unbedeutend vorkommen, wird der Privatanleger mit einem Anlageuniversum konfrontiert, auf dass er sich in die Hände von Experten flüchte. Was aber, wenn sich herausstellt, dass auch die Experten den Stein der Weisen oder die Quelle des Reichtums bislang nicht gefunden haben?
Auch Experten haben die Immobilien-, Finanz- und Wirtschaftskrise nicht deutlich genug kommen sehen – abgesehen von den Dauerpessimisten, die so oft recht haben wie eine stehen gebliebene Uhr, die auch zweimal am Tag die richtige Zeit anzeigt.
Es sollte einmal klargestellt und deutlich gemacht werden, dass »der Privatanleger« am besten selbst seine Interessen vertritt – wobei er allerdings gut beraten ist, wenn er einige Grundkenntnisse und Überlegungen verinnerlicht hat.
Der Terminkalender von jungen Leuten ist regelmäßig noch dichter gefüllt als der von älteren Menschen. Dem Älteren wird zugebilligt, dass er sich Zeit zum Nachdenken nehmen darf. Als junger Mann oder junge Frau im Beruf muss eine Aufbauphase bewältigt werden, daneben ist die Familie wichtig. Viele Dinge müssen gleichzeitig erledigt werden. Trotzdem oder gerade deswegen ist das auch die wichtigste Zeit für den Vermögensaufbau. Es wäre katastrophal, wenn Sie sich die Effekte von Zins und Zinseszins nicht zunutze machen würden. Fehler sind im Anlagebereich nicht zu vermeiden. Aber gerade für Junganleger gilt in besonderem Maße, dass die Zeit viele Fehler heilt.
Im Laufe Ihres Lebens werden Sie vielen Beratern und selbst ernannten Experten begegnen, die Sie alle reich machen wollen. Wären sie selbst erfolgreich, müssten sie möglicherweise ihre Dienste nicht so lautstark anbieten. Unter diesen Fachleuten mag es welche geben, die auf ihrem Gebiet kompetent sind, aber eben ganz vorwiegend auf ihrem Gebiet. Und Ihre Situation ist wahrscheinlich eine ganz andere. Sie benötigen eine auf Sie zugeschnittene Lösung. Ich würde gern zu Ihrer Kompetenz beitragen, damit Sie Ihre Anlageentscheidungen höchstpersönlich treffen können.
Warum nehme ich mir überhaupt die Freiheit heraus, ein Buch zum Thema Geldanlage zuschreiben? Tatsächlich gibt es im Anlageuniversum Experten, die diesen Sektor wesentlich besser verstehen: Ein Experte ist ein Mensch, der von sehr wenig sehr viel weiß. Ihr Problem ist allerdings gegenteiliger Natur: Unter einer Unzahl von Angeboten müssen Sie bestimmte auswählen, und wenn Fragen übrig bleiben, dann sollten Sie dem besten Experten die richtigen Fragen stellen können. Sie sollten sich fachkundig beraten lassen, aber Sie müssen das Thema vorgeben und Sie allein treffen die letzten Entscheidungen!
Die Legitimation der meisten, die etwas zum Thema Geldanlage schreiben, besteht darin, dass sie eine berufliche Affinität mitbringen. Die Situation eines privaten Anlegers ist eine andere. Mir ist wenig bekannt, was aus der Perspektive des privaten Anlegers geschrieben ist, vieles ist dagegen für ihn geschrieben. Über diese spezielle Sichtweise des Privatanlegers und wie Sie hier sehr erfolgreich agieren können, darüber will ich als Privatanleger etwas (wenig genug) schreiben.
Ich möchte Sie auf den nachfolgenden Seiten davon überzeugen, dass Sie mit erstaunlich wenig Aufwand sehr viel erreichen können. Wollen Sie aber deutlich mehr, müssen Sie für mehr Rendite deutlich mehr Engagement und Arbeit einbringen.
Wenn Sie sich mehr als 40 Jahre mit der Börse beschäftigen, wissen Sie immer noch nicht, wo Sie morgen steht. Aber Sie wissen, wie sich einige typische Fehler vermeiden lassen. Von mir selbst muss ich sagen, dass ich in jungen Jahren nur wenige Fehler ausgelassen habe. Das Alter mag Nachteile mit sich bringen, aber das Talent des klugen Investierens wird mit den Jahren und zunehmendem Alter besser. Es gibt die sprichwörtlichen »alten Füchse«, denen man nicht mehr allzu viel vormachen kann – denken wir nur an Investorenlegenden wie Warren Buffett, Charles Munger, George Soros, John Templeton, Peter Lynch, Ken Fisher und vor allem an André Kostolany, der es geschafft hat, Börsenmaterie spannend und vergnüglich aufzubereiten.
Fehler sind nicht schlimm, wir können von ihnen erheblich profitieren, wenn wir bereit sind, aus ihnen zu lernen. Eine meiner wichtigsten Erkenntnisse der vergangenen Jahrzehnte besteht darin, dass sich der Privatanleger im Vergleich zu »Professionellen« keineswegs im Nachteil befindet. Ganz im Gegenteil vertrete ich leidenschaftlich die Ansicht, dass der Privatanleger immer dann sehr gut fährt, wenn er sich innerhalb seiner Grenzen bewegt. Bei entsprechender Strategie kann er die Profis sogar schlagen! So besteht ein gewaltiger Vorteil für den Privatanleger darin, dass er viel unabhängiger entscheiden kann, dass er Durststrecken aussitzen darf und im Gegensatz zu den Profis viel langfristiger denken darf.
Diese Grenzen auszuloten verstehe ich als Aufgabe für dieses kleine Buch. Es hat seinen Sinn schon dann erfüllt, wenn nur einige Fehler vermieden werden können. Fehler kommen unweigerlich vor. Ärgerlich und unnötig ist es aber, wenn die gleichen Fehler immer wieder begangen werden, anstatt aus ihnen zu lernen.
Ich bedanke mich bei meinen Söhnen C. und T. Durch die jahrelangen Diskussionen mit ihnen und aus ihren kritischen Fragen habe ich möglicherweise mehr gelernt, als ich ihnen geben konnte, ebenso bei meiner Frau, die mir den zeitlichen Aufwand für dieses kleine Buch nachgesehen hat.
Bei Markus, einem Freund meiner Söhne, bedanke ich mich für ein kleines Vermögen: Bei einem Winterspaziergang vor einiger Zeit sprachen wir ausführlich über Öltitel. Als seinerzeit der Ölpreis tief und sämtliche Lager voll waren und die Welt in Öl ertrank, gewannen wir die Auffassung, dass all diese Gesichtspunkte »eingepreist« waren, und tätigten ein Engagement in der sicheren Überzeugung, dass auch dieses Szenario sich ändern wurde, was auch ein Jahr später der Fall war.
Zum heutigen Zeitpunkt, also Ende 2010, haben wir nach einem Ölpreisboom, bei dem der Preis für ein Barrel über 150 Dollar anstieg, aufgrund der Wirtschaftskrise erneut einen günstigen Ölpreis. Bei anziehender Konjunktur wird sich dies ändern. Ken Fisher, einer der weltgrößten Vermögensverwalter, sprach sinngemäß davon, dass wir für einen hohen Ölpreis beten sollten, weil das Ausdruck einer gesunden und rund laufenden Wirtschaft sei. Dagegen kann bei tiefen Preisen eine antizyklische Investition überlegt werden. Die Angst vor hohen Ölpreisen ist unbegründet, weil bei hohen Preisen Ersatztechnologien geschaffen werden, die sich günstig auf die Wirtschaft auswirken könnten. Das Mantra »Hoher Ölpreis knebelt die Wirtschaft« ist in dieser Form nicht zutreffend.
Eine taoistische Weisheit (Bai Juyi, 772–846) möchte ich den nachfolgenden Ausführungen voranstellen:
»›Die da reden, wissen von nichts.
Die da wissen, bewahren das Schweigen.‹
Es heißt, dass diesen Ausspruch
Lao Tze einst getan.
Sollen wir glauben, dass Lao Tze
selber ein Wissender war,
wie kommt es dann, dass er ein Werk
von fünftausend Worten verfasste?«
Dieses Zitat fällt mir spontan ein, wenn ich einen Berg an Börsenliteratur sichte und immer wieder betrübt feststellen muss, dass erstaunlich wenig Regeln »zum Anfassen« und zur unmittelbaren Umsetzung erkennbar sind. Entsprechend dieser Weisheit werde ich alles daransetzen, mich auf »Wesentliches« zu beschränken, viel Theorie anderen überlassen und für das »Hier und Jetzt« Überlegungen anstellen, die sich bei Bedarf unmittelbar umsetzen lassen. Da Sie nicht daran vorbeikommen, viele Überlegungen konkret umzusetzen, werde ich möglichst viele Beispiele aus der Praxis anführen. Immer dann, wenn meine Söhne »Handlungsbedarf und Anlagebedarf« anmeldeten, konnte ich nicht mit »verschwurbelten« Theorien antworten, sondern musste konkrete Hinweise und Empfehlungen aussprechen. Diese Empfehlungen kamen dann immer wieder auf den Prüfstand!
Tatsächlich enthalten viele dicke Bücher reichlich Informationsmüll und viele Nebensächlichkeiten. Anstatt ein dickes Buch zu lesen, ist es wesentlich klüger, Wissen bei Bedarf abzurufen und über manche Dinge etwas mehr nachzudenken. Wir haben zurzeit das Problem, dass sich eine Datenflut über uns ergießt – im Gegensatz zu früheren Zeiten stehen wir heute der Notwendigkeit einer kritischen Selektion gegenüber.
Meine Aufgabe sehe ich darin, den Privatanleger mit begrenzten zeitlichen Möglichkeiten und ohne spezielle berufliche Vorbildung in die Lage zu versetzen, eine gute Performance zu erbringen, wobei seriöse Berater nicht diskreditiert werden sollen. Es ist aber immer abzuklären, welche Interessenlage diese vertreten.
Als Privatanleger sind wir eine überschaubare und homogene Gruppe, ich erlaube mir daher eine persönliche Anrede – auch deswegen, weil wir uns alle in einer sehr vergleichbaren Situation befinden. Es gibt erstaunlich wenig Mitmenschen, mit denen wir vertrauensvoll über eine solide, anständige Geldanlage reden können, wenn sich diese Situation stellt. Bei vielen Mitmenschen wollen wir keinen Neid erzeugen. Bankberater dagegen sind – sehr freundlich...