Auf mikroökonomischer Ebene lässt sich als ein robustes Ergebnis der empirischen Forschung ausmachen, dass zu jedem beliebigen Zeitpunkt reiche Menschen glücklicher sind als arme Menschen. Menschen mit höherem Einkommen haben mehr Möglichkeiten, ihre Wünsche und Bedürfnisse zu erfüllen, insbesondere was materielle Güter und Dienstleistungen angeht. Zudem genießen sie einen höheren Status in der Gesellschaft. Hohes Einkommen schafft daher Nutzen und ist mit einer größeren Zufriedenheit assoziiert. Der positive Zusammenhang zwischen Einkommen und Zufriedenheit erweist sich als statistisch signifikant (vgl. Frey/ Stutzer 2002: 409; Blanchflower/ Oswald 2004: 1375).
Easterlin untersuchte erstmals explizit die Auswirkungen des Einkommens auf die Zufriedenheit mit den Daten großangelegter Umfragen. Die von Easterlin untersuchten Befragungen zwischen 1946 und 1966 aus den USA und aus 11 anderen Ländern in Asien, Afrika und Lateinamerika zeigten, dass in allen Ländern die Menschen in der höchsten Einkommensgruppe durchschnittlich glücklicher waren als jene in der niedrigsten Einkommensgruppe (vgl. Easterlin 1974: 99f). Easterlin bestätigte diese Beobachtung später auf Basis des General Social Surveys von 1994: 44 Prozent der Höchstverdiener gaben an, sehr glücklich zu sein, dagegen nur 16 Prozent der Geringverdiener (vgl. Easterlin 2001: 467f). Andere Ökonomen oder Sozialforscher kamen zu ähnlichen Ergebnissen: Argyle entnahm den Daten der Eurobarometer Surveys, dass 86 Prozent der Menschen im oberen Einkommensquartil angaben, glücklich oder sehr glücklich zu sein, dagegen nur 72 Prozent der Menschen im unteren Einkommensquartil. Die Verhältnisse sind deutlich anders als bei Easterlin, dennoch lässt sich die Wirkung des Einkommens auf die Zufriedenheit ablesen (vgl. Argyle 1999: 356). Diener und Oishi untersuchten den Zusammenhang zwischen Einkommen und Glück in 22 Nationen auf Basis der Daten des World Values Surveys von 1990 bis 1991. Über alle Länder hinweg unterschieden sich die höchste und niedrigste Einkommensgruppe in einem Land in ihrer Zufriedenheit durchschnittlich um einen Indexpunkt auf einer Skala von 1 bis 10 (vgl. Diener/ Oishi 2000: 194).
Wie ersichtlich, ist der Einfluss des Einkommens auf die Zufriedenheit zwar signifikant, darf jedoch auch nicht überbewertet werden. Im Vergleich zu der Bedeutung nicht-ökonomischer Faktoren für das Glück wirkt sich das Einkommen relativ gering aus: In Blanchflowers und Oswalds Studie hat das Haushaltseinkommen einen Koeffizienten von 0,014. Im Vergleich hierzu ist der Koeffizient einer Scheidung mit -1,01 wesentlich gewichtiger (vgl. Blanchflower/ Oswald 2004: 1372). Die wichtigsten glücksstiftenden Bereiche sind neben dem materiellen Lebensstandard die Gesundheit, die Beschäftigungssituation, Familie und Freunde und die Freizeit (vgl. Frey/ Frey Marti 2010: 17). Insgesamt erklären demografische und sozioökonomische Faktoren nur 15 bis 25 Prozent der Variation in der Lebenszufriedenheit (vgl. vgl. Ferrer-i-Carbonell/ Frijters 2004: 645; Welsch/ Kühling 2009: 389). Die Gene und persönlichen Charaktereigenschaften korrelieren hingegen zu 80 Prozent mit der Lebenszufriedenheit (vgl. Lykken/ Tellegen 1996: 188).Dies heißt aber nicht, dass das Einkommen keine Rolle für das Glück spielt. Vielmehr lassen sich die Aussagen in der Hinsicht interpretieren, dass der Einfluss des Einkommens von stärkeren Faktoren wie Charaktereigenschaften abgeschwächt wird (vgl. Frey/ Stutzer 2002: 410).
Einkommen ist in der Regel die Grundvoraussetzung dafür, dass ein Mensch seine Grundbedürfnisse nach Trinkwasser, Essen, Unterkunft und Gesundheitsversorgung befriedigen kann. Die Befriedigung der Grundbedürfnisse ist wiederum eine Grundvoraussetzung für das Wohlbefinden. Es stellt sich daher die Frage, ob die positive Beziehung zwischen Einkommen und Glück noch besteht, wenn die Grundbedürfnisse des Menschen befriedigt sind. Dieser Frage nahmen sich Diener, Diener und Diener (1995) an und untersuchten die Einflussfaktoren auf die Lebenszufriedenheit von 55 Nationen. Ein Ergebnis der Studie war, dass das Einkommen signifikant mit der Lebenszufriedenheit korrelierte. Die Autoren kontrollierten in einem Test den Einfluss der Befriedigung Grundbedürfnisse. Die Korrelationskoeffizienten des Einkommens reduzierten sich in der Folge, blieben aber weiterhin signifikant. Dies zeigt, dass der Zusammenhang zwischen Einkommen und Glück weiter fortbesteht – wenn auch leicht abgeschwächt –, wenn für die Befriedigung der Grundbedürfnisse des Menschen gesorgt ist und das Einkommen zusätzlich zur Verfügung steht (vgl. Diener et al. 1995: 858/ 860). Dieses Ergebnis zeigt sich auch in den Beobachtungen, die ausschließlich in Industrieländern gemacht wurden, in denen die Mehrheit der Bevölkerung jenseits eines bloßen Existenzminimums lebt: Blanchflower und Oswald bestätigten, dass bei Menschen in den USA und in Großbritannien das Einkommen einen positiven Effekt auf die Lebenszufriedenheit hat (vgl. Blanchflower/ Oswald 2004: 1371f).
Die Steigung der Einkommens-Glücks-Kurve ist in Entwicklungs- und Transitionsländern größer als in Industrieländern, was bedeutet, dass Einkommensänderungen sich in Entwicklungsländern stärker aufs Glück auswirken als in Industrieländern (vgl. Clark et al. 2008: 97). Ferrer-i-Carbonell bestätigte diese Beobachtung in einem kleineren Untersuchungsrahmen: Er untersuchte die Zufriedenheitslevel und Einkommen von Westdeutschen und Ostdeutschen mit den Daten des Soziökonomischen Panels von 1992 bis 1997. Sowohl bei West- wie auch bei Ostdeutschen war der Einkommenskoeffizient positiv und signifikant, was eine weitere Evidenz dafür ist, dass sich ein hohes Einkommen positiv auf die Zufriedenheit auswirkt. Erwartungsgemäß lag der Koeffizient bei Ostdeutschen, die ein niedrigeres Durchschnittseinkommen hatten, signifikant höher. Diese Erkenntnis untermauert die oben gemachte Feststellung, dass das absolute Einkommen für ärmere Menschen von höherer Bedeutung für das Wohlbefinden ist als für reichere Menschen (vgl. Ferrer-i-Carbonell 2005: 1008). Dies beschreibt ein weiteres Charakteristikum der Einkommens-Glücks-Beziehung: Die Beziehung zwischen Einkommen und Zufriedenheit ist nicht linear, vielmehr weist das absolute Einkommen einen abnehmenden Grenznutzen auf. Bei Personen mit hohem Einkommen führt dieselbe proportionale Einkommenszunahme zu einem geringeren Zuwachs an Zufriedenheit als bei Personen mit niedrigem Einkommen (vgl. Argyle 1999: 356;Frey/ Frey Marti 2010: 49f). Auswertungen der Daten des World Values Survey aus drei Erhebungszyklen zeigten, dass ein Wachstum des Familieneinkommens vom vierten ins fünfte Dezil das Wohlbefinden um 0,1 Indexpunkte steigert, während eine Einkommenszunahme vom neunten ins zehnte Dezil das Glück nur um 0,01 Indexpunkte erhöht (vgl. Helliwell 2003: 344).
Bei Ländervergleichen kann man ebenfalls eine konkave Beziehung zwischen dem Glück und dem Bruttoinlandsprodukt ausmachen: Das Glück einer Bevölkerung steigt mit dem Pro-Kopf-Einkommen bis zu einer Grenze von circa 10.000 US-Dollar (in Kaufkraftparitäten von 1995) pro Jahr an. Ab dieser Schwelle hat ein weiteres Wachstum des Bruttoinlandsproduktes nur noch einen geringen Effekt auf das Glück (vgl. Frey/ Stutzer 2002: 416). An dieser Stelle ist einzuschränken, dass höhere Zufriedenheitslevel in reichen Ländern statt durch das Einkommen ebenso durch andere Faktoren entstanden sein können. Länder mit hohem Pro-Kopf-Einkommen haben in der Regel stabilere Demokratien. Diener et al. erklären sich die durchschnittlich höheren Zufriedenheitslevel von Menschen in Industrieländern mit dem höheren Pro-Kopf-Einkommen sowie der besseren Gewährleistung von Individualismus, Gleichheit und Menschenrechten im Vergleich zu Entwicklungsländern (vgl. Diener et al. 1995: 862). Dem Pro-Kopf-Einkommen ist also mindestens ein indirekter Einfluss auf die Zufriedenheit zuzuschreiben, da das verfügbare Geld eines Landes dazu verhilft, eine effektive Gesundheitsversorgung und den Schutz der Menschenrechte zu gewährleisten; Bereiche, die mit der Zufriedenheit assoziiert sind (vgl. Frey/ Stutzer 2002: 417).
Abbildung 1: Zusammenhang zwischen Glück und Einkommen in den USA
(Glücksskala von 1 = “not very happy“ bis 4 = “very happy“)
Für Umweltbewertungen nach dem Lebenszufriedenheitsansatz interessiert in erster Linie der Zusammenhang zwischen Glück und Einkommen auf der individuellen Ebene. Wie oben beschrieben und in Abbildung 1 zu sehen, zeigt sich hier deutlich eine konkave Beziehung. Im Lebenszufriedenheitsansatz wird daher das Einkommen oft in logarithmierter Form in die Glücksfunktion aufgenommen, um dem abnehmenden Grenznutzen des Einkommens Rechnung zu tragen (vgl. Fujiwara/ Campbell 2011: 29).
Eine weitere Frage, die bezüglich der Einkommens-Glücks-Beziehung geklärt werden muss, ist die Richtung der Kausalität. In der bisherigen Argumentation wurde angenommen, dass ein hohes Einkommen eine erhöhte Zufriedenheit bei einem Individuum verursacht. Die umgekehrte Wirkungsrichtung ist aber ebenso vorstellbar: Ein zufriedener Mensch könnte besonders leistungswillig, kreativ und belastbar sein,...