Im Insolvenzverfahren bilden die Gläubiger neben dem Schuldner die Gruppe mit den wohl größten persönlichen Interessen. Meist hängt am Verlauf eines Insolvenzverfahrens, der Entscheidung über Sanierung oder Schließung und schließlich an der Quote zur Befriedigung der Forderungen, das Schicksal mehr als einer Person. Folgeinsolvenzen, nach wie vor meist Folgekonkurse genannt, sind nicht selten, auch wenn keine eindeutigen Statistiken dazu vorliegen.[109]
Insolvenzen wirken sich auf Arbeitsmärkte ganzer Regionen, vom insolventen Unternehmen abhängige Lieferanten und die oft zitierte volkswirtschaftliche Wertvernichtung aus.[110]
Zieht man weiter in Betracht, dass die Hoffnungen des Schuldners auf ein Erreichen einer Quote von 20% oder mehr bei Eröffnung des Verfahrens im Lauf von wenigen Monaten, meist verursacht in den ersten Tagen, im Lauf des Verfahrens auf weniger als 2% sinken kann, ist der Missmut vieler Gläubiger gut nachzuvollziehen.[111] Aus diesem Grund wird die Verantwortlichkeit für das massive Sinken der möglichen Quote oft dem Handeln des Insolvenzverwalters zugeschrieben, da er in diesem Zeitraum die Verantwortung für das betroffene Unternehmen trägt.[112] Teilt man die Meinung des KSV: „Das Gros der Pleiten ist hausgemacht!“,[113] ist es nötig, die vom Gesetz angeordneten Pflichten des Insolvenzverwalters auch praktisch näher zu betrachten.
Ursprünglich war für den Fall eines zahlungsunfähigen Schuldners nur die Liquidierung seines Vermögens vorgesehen.[114] Der Konkurs wurde vom ursprünglichen „Prinzip ‚par condicio creditorium’ - der Generalexekution des gemeinschuldnerischen Vermögens zum Zweck der gleichmäßigen Befriedigung der Gläubiger“ - beherrscht.[115] Aufgrund der Ergänzung dieses Prinzips durch jenes der bestmöglichen Gläubigerbefriedigung ergibt sich ein „untrennbarer Zusammenhang des Insolvenzrechtes mit dem dazugehörigen Wirtschaftssystem.[116]
Da jedoch „Sanierungsbemühungen im Stadium der Insolvenz zumeist vergeblich sind“, wurde mit dem IRÄG 1997[117] das Unternehmensreorganisationsgesetz (URG) geschaffen, um „betriebswirtschaftliche Maßnahmen zur Verbesserung der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage bereits vor einem möglichen Sanierungsbedarf iRd Insolvenz zu erreichen.[118] Allerdings betrachtet die herrschende Meinung das URG als praktisch totes Recht.
Somit stellt sich erneut die Frage, ob ein Verwalten der Insolvenz in Form des Verwaltens und Verwertens des Vermögens gem § 114 IO tatsächlich ausreichend ist und dem Anspruch aller Beteiligten genügt. Das IRÄG 2010 sollte unter anderem den Schuldner zu einer früheren Antragstellung motivieren, um eine Sanierung im Insolvenzverfahren zu fördern.[119] Ein Blick auf die Statistiken des Jahres 2011 zeigt, dass sich die Zahl der eröffneten Sanierungsverfahren im Vergleich zu 2010 beinahe verdoppelt hat.[120]
Bereits Baumgartner wirft die Frage auf, „ob der Masseverwalter nun ein Jurist oder ein Betriebswirt sein soll.“[121] Dies weist auf die Vielschichtigkeit der Tätigkeit hin, wobei die Praxis zeigt, dass fast ausschließlich Rechtsanwälte als Insolvenz- bzw Masseverwalter betraut werden, die „aber aufgrund ihrer erworbenen Berufserfahrung große betriebswirtschaftliche Kenntnisse erlangt haben.“[122]
Im Lauf der Geschichte haben sich Tendenzen gezeigt, dass „die Wirtschaftswissenschaft und die Rechtswissenschaft sich einander entfremden.“ Beide Wissenschaften sind nach Gegenstand und Methode verschieden: Die Rechtswissenschaft interpretiert Normen zur Rechtsanwendung und stützt dies aufgrund der notwendigen Gleichheit dieser Anwendung tendenziell auf den Entwurf eines Systems. Das Ziel der Wirtschaftswissenschaften ist hingegen, den Gesamtprozess im Rahmen des ökonomischen Lebens, als soziale Wirklichkeit erfasst, zu verstehen. Auch wenn dennoch zwischen den beiden Wissenschaften ein enger Zusammenhang besteht, sollen die beiden Bereiche allgemein und hinsichtlich des Insolvenzrechts getrennt betrachtet werden.[123]
Jedoch bestehen ebenso Wechselwirkungen zwischen der Rechtsordnung und dem wirtschaftlichen Geschehen, indem die wirtschaftliche Entwicklung Inhalt und Wirkungsweise von Rechtsformen verändern kann. Weitgehend bedingt die wirtschaftliche Entwicklung die Anforderungen an die Rechtsnormen.[124]
Bereits in den 1970ern war es „Ziel eines wirtschaftlich sinnvollen Insolvenzverfahrens […], notleidend gewordene Unternehmen unter […] betriebswirtschaftlich orientierten Prämissen zu erhalten.“ Damit wurde versucht, den großen Auswirkungen auf die Märkte ganzer Regionen, einschließlich des Arbeitsmarktes, sowie einer damit zusammenhängenden Wertvernichtung entgegenzuwirken. Somit steht das Insolvenzrecht „in untrennbarem Zusammenhang mit dem dazugehörigen Wirtschaftssystem […].“[125]
Die Rechtswissenschaft beschäftigt sich mit der rechtlichen Normierung weitgehend ökonomischer Sachverhalte, wie beispielsweise im Vermögensrecht. Dies setzt einen entsprechenden Informationsstand im wirtschaftlichen Bereich voraus. Man könnte also sagen, dass sich die „Rechtswissenschaft von der Nationalökonomie […] über die Natur der Sache, mit der sie es zu tun hat, aufklären lassen“ muss. Wirtschaftliche Prozesse führen zu rechtlichen Normen, oft mit dem erklärten Bestreben, eine Wirtschaftsordnung durchzusetzen.[126]
„Es gehört gleichsam zu den Aufgaben des wirtschaftenden Menschen, die gegebene Rechtsordnung für seine Ziele zu modifizieren“, und daher hat die Wirtschaftspolitik die „Umgestaltung der Rechtsordnung zugunsten wirtschaftspolitischer Ziele herbeizuführen.“[127] Diesem Vorgehen entspricht das erklärte Ziel des IRÄG 2010, vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise Sanierungen zu erleichtern und die Sanierung im Insolvenzverfahren zu fördern.[128]
Im April 2010 ersuchte der Nationalrat das Bundesministerium für Justiz in einer Entschließung „betreffend Stand und Entwicklungsmöglichkeiten des Systems der Qualitätssicherung bei Masseverwaltern, […] bis September 2011 Stand und Entwicklungsmöglichkeiten des Systems der Qualitätssicherung bei Masseverwaltern unter besonderer Berücksichtigung von Aus- und Fortbildungsprogrammen für Masse- und Sanierungsverwalter, die sowohl praxisbezogene als auch rechts- und wirtschaftswissenschaftlich fundierte Elemente (wie etwa Kooperationen mit Universitäten oder Fachhochschulen) berücksichtigen, zu evaluieren.“[129]
Eine Maßnahme zur Qualitätssicherung bei der Ausübung eines freien Berufs oder einer Dienstleistung lässt sich wohl eher der Wirtschafts- als dem Rechtsbereich zurechnen. Daraus kann ebenso abgeleitet werden, dass ein dringlicher Verbesserungswunsch zum bestehenden System vorlag.
Die meisten Insolvenzverwalter verfügen über eine rechtliche Ausbildung, von den 1331 zuordenbaren Eintragungen weisen etwas weniger als 11% eine akademische Mehrfachausbildung auf. Dem stehen knapp unter 86% mit akademischer Einfachausbildung gegenüber.[130] Theoretisch lässt sich daraus ableiten, dass etwa nur 140 österreichische Insolvenzverwalter in der Liste über eine rechtliche und wirtschaftliche oder nicht-rechtliche akademische Ausbildung verfügen.
In Entsprechung der genannten Entschließung, mit welcher die Insolvenzrechtsreformkommission befasst war, legte die Justizministerin am 4. Mai 2012 einen Bericht zur Qualitätssicherung bei Masseverwaltern vor. Aus diesem geht hervor, dass die auf Insolvenzrecht spezialisierten Richter „die Eignung der Insolvenzverwalter kennen und in der Lage sind, eine geeignete Person für das jeweilige Verfahren auszuwählen“. Der durch dieses Auswahlsystem erzeugte Wettbewerb richte einen hohen Qualitätsmaßstab an die potenziellen Insolvenzverwalter. Allein der Herkunftsberuf der Insolvenzverwalter, nämlich überwiegend Rechtsanwälte, garantiere eine fundierte Ausbildung in rechtlichen und wirtschaftlichen Belangen. Die objektive Qualität der Insolvenzverwalter sei nicht zu beanstanden, jedoch sehr wohl die Transparenz und Vermittlung dieser Qualität nach außen, was ua mit mangelhaften Eintragungen in der Insolvenzverwalterliste erklärt wird. „Im Sinne einer höheren Transparenz sollten aber [...die...] vorgesehenen Angaben als verpflichtet festgelegt werden“, so ein Verbesserungsvorschlag, um dadurch den Druck auf regelmäßige Fortbildung zu erhöhen und interessierten Personen einen „Einblick in die Qualitätsstandards“ zu ermöglichen.[131]
Offen bleibt hingegen die Frage, wie der - juristische ausgebildete - Richter die betriebswirtschaftlichen Kenntnisse des zu bestellenden Insolvenzverwalters beurteilen kann und wodurch der Beruf des...