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Die St. Bonifatius-Gemeinde in Hamburg-Wilhelmsburg zur Zeit des Pfarrers Krieter. 35 Zeitzeugen berichten

Die Jahre 1934 bis 1963

AutorUlrich Krieter
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl346 Seiten
ISBN9783640484966
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Studienarbeit aus dem Jahr 2009 im Fachbereich Biographien, , Sprache: Deutsch, Abstract: Karl-Andreas Krieter,geboren im Jahre 1890,war 27 jahre lang in der kath. Kirchengemeinde St. Bonifatius in Hbg.-Wilhelmsburg Pfarrer und Dechant. Er galt vielen Menschen seiner Zeit als liebenswerte und bedeutende Persönlichkeit.Neben seiner pastoralen Arbeit war ihm der karitative Einsatz zugunsten der Bevölkerung Wilhelmsburgs besonders wichtig. So wurde er zum Gründer des 'Wilhelmsburger Krankenhaus Groß-Sand',das aus dem Gesundheitswesen Hamburgs heutzutage nicht wegzudenken ist.Sein Lebenswerk wurde durch kirchliche und staatliche Auszeichnungen anerkannt.Der 1. Teil seiner Biografie ist bereits veröffentlicht, der 2. Teil wird in Kürze erscheinen. Die Berichte von 35 Zeitzeugen beleuchten aus den verschiedensten Blickwinkeln das Leben in der Kirchengemeinde St.Bonifatius und die Ortsgeschichte des Stadtteils Wilhelmsburg.Sie sind eine unerlässliche Ergänzung des 2. Teils der Biografie des K.-A. Krieter, sind aber auch gesondert eine lehrreiche und unterhaltsame Lektüre.

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Leseprobe

Adamczyk, Irmtraud, geborene Demus


 

geboren im Dezember 1924

 

wohnhaft zur Zeit des Gespräches in Hamburg-Harburg

 

Gespräch vom 20. 1. 2004

 

A.: = Frau Adamczyk Kt. = Ulrich Krieter

 

Die in Klammern geschriebenen Wörter / Texte ( ... ) sind zum besseren Verständnis des Lesers nachträglich eingefügt. Das Gespräch wurde mittels Diktiergerät aufgezeichnet.

 

Kt.: Am Anfang bin ich immer wenig vornehm. Ich frage nach dem Geburtsjahr.

 

A.: (lacht) Das ist überhaupt kein Problem. Ich bin im Dezember 1924 geboren, in Römerstadt, in der ehemaligen Tschechoslowakei.

 

Kt.: Sind Sie von dort aus nach Wilhelmsburg gekommen?

 

A.: Nein, nein, ich bin erst ... mein Bruder war (während der letzten Kriegsjahre) in der Luftfahrtsforschungsanstalt (in Braunschweig tätig), weil er Ingenieur war, und hat da gearbeitet. Er war von der Luftwaffe wegkommandiert worden, weil er bei irgendeinem Gerät - von einem abgestürzten englischen Flugzeug - eine Verbesserung gemacht hatte. Seine Adresse in Braunschweig war unsere einzige Anschrift in Deutschland. Ich kam im November 1945 dahin. Vorher war ich zusammen mit meiner Freundin unterwegs auf einem Lastwagen, der mit Fahrrädern und Lebensmitteln beladen war.

 

Die Tschechen haben uns alles weggenommen und uns über die Grenze geschafft. Dann habe ich bei Braunschweig meinen Bruder wieder getroffen. Danach habe ich bis 1948 in der Landwirtschaft auf dem Feld arbeiten müssen.

 

1948, im März, kam ich zur Vorstellung nach Hamburg, zum Herrn Dechant (Krieter). Mit meiner Anstellung als Lehrerin hat es geklappt.

 

 

Abb. 4: Das Lehrerkollegium der Katholischen Schule Wilhelmsburg im Jahre 1951 ;

Verabschiedung von Frl. Rahlfs. Vorne rechts: Dechant Krieter

 

Der Dechant hat mit der Schulbehörde verhandelt, und dann bin ich zum 1. April 1948 eingestellt worden. Als ich mich vorgestellt habe, sagte der Dechant: „Und wissen Sie auch, dass das Ideal für eine katholische Lehrerin die Ehelosigkeit ist?“ Ich weiß nicht mehr, was ich darauf geantwortet habe.

 

Als ich mich dann später mit meinem Mann (der ebenfalls Lehrer an der Bonifatiusschule war) angefreundet habe, haben wir beiden uns nur abends - in der Dunkelheit - getroffen.

 

Wir sind an der Trasse der Reichsstraße, die damals im Bau war, spazieren gegangen. Der Dechant sollte zunächst nichts von uns erfahren. Aber irgendwie hat der Dechant es dann aber doch erfahren. Er hat dann wohl Rektor Nolte angesprochen: „ Ich glaube, da bahnt sich etwas an.“ Herr Nolte fand das aber wohl ganz gut und hat nichts zu uns gesagt.

 

Unser Kollegium, das war ein ganz altes Kollegium, wie Sie es auf dem Bild ja gesehen haben.

 

 

Abb. 5: Das Lehrerkollegium der Katholischen Schule Wilhelmsburg im Jahre 1958 ; Verabschiedung von Frau Braumann , Frl. Kraushaar  und Herrn Beirowski

 

Es gab mehrere alte Kolleginnen, die nach dem Lehrerinnenideal der alten Zeit wirklich unverheiratet geblieben waren. Und da waren wir drei Jüngeren: Frl. Matzen, die kam aus Heide, Frl. Redepenning und ich. Wir drei mussten dann natürlich irgendwie untergebracht werden. Also da, das muss ich sagen, hat sich der Herr Dechant rührend um uns gekümmert. In der „Alten Schule“, ganz oben, unterm Dach, waren ein großer Raum und zwei Seitenzimmer. Dort wurden Frl. Matzen und ich untergebracht. Und Maria Redepenning hat irgendwo anders in diesem Haus einen Raum gekriegt. Unseren großen Raum konnte man nur schlecht beheizen. Es gab nur einen alten Ofen. Es war kalt, und dann konnten wir ins Pfarrhaus gehen und konnten uns Torf holen. Also da hat der Dechant schon sehr gut für uns gesorgt. Also wirklich, so uneigennützig! Er ist selbst zu uns heraufgestiegen und hat sich angeschaut, ob das alles gut ging.

 

Ich habe dann auch von irgendwoher eine Matratze gekriegt, und der Dechant hat für einen Tisch gesorgt. Den hat er über Herrn Ciuda, der in Wilhelmsburg eine Tischlerei hatte, angeschafft. Also der Dechant hat sich rührend um uns gekümmert! Das muss ich sagen! Und so habe ich ihn eigentlich in Erinnerung, so selbstlos und für sich selbst so bescheiden. Also, das sind meine Eindrücke bis heute. Später hatte ich ja mit ihm nicht mehr viel zu tun, höchstens durch den Religionsunterricht, wenn er in die Schule kam. Das wurde dann aber anders, als die Kapläne kamen und die Kapläne den Unterricht in der Schule übernahmen. Ansonsten war ja immer der Rektor, Herr Nolte, derjenige, der mit Herrn Dechant alles verhandelt hat.

 

 

Abb. 6:  Die „Alte Schule“ auf einem Foto aus dem Jahre 1933

 

Kt.: Noch einmal zu der „Alten Schule“! Ganz unten war in dem Haus nach 1945 das Pfarrbüro.

 

A.: Ja, rechts unten, wenn man hineinkam, rechts!

 

Kt: Da wohnte und arbeitete die Pfarrsekretärin, Frau Spiegel. Zu der haben Sie wenig Kontakt gehabt?

 

A.: Im Gegenteil, viel Kontakt hatten wir! Wir haben damals doch noch unser Gehalt unten bei ihr abgeholt. Und Frau Spiegel! Also, was die immer so vom Herrn Dechant erzählt hat! Also „Herr Dechant, Herr Dechant, Herr Dechant!“, das waren ihre ständigen Worte. Sagen Sie `mal, lebt die Frau Spiegel noch?

 

Kt: Das ist unwahrscheinlich. Ich weiß gar nicht, wo sie geblieben ist. Ich weiß nur, dass Frau Spiegel 1961 in den Ruhestand gegangen ist, im selben Jahr wie Dechant Krieter.

 

A.: Später war es so, dass wir unser Gehalt überwiesen bekamen, auf unser Postscheckkonto. Aber davor haben alle Lehrkräfte ihr Gehalt bei Frau Spiegel abgeholt. Das hat gut geklappt.

 

Über dem Pfarrbüro wohnte in der „Alten Schule“ die Familie Nolte, gegenüber Dr. Heimann vom Krankenhaus „Groß-Sand“. Über Noltes haben zuerst zwei Nonnen gewohnt und, als die weg waren, wohnten da Frau Kraushaar und ihre Schwester. 1952 haben wir (Herr Johannes Adamczyk und Frau Adamczyk) geheiratet. Da haben wir die Wohnung über der Wohnung des Dr. Heimann bekommen. Dass der Hans und ich diese Wohnung gekriegt haben, dazu muss ich sagen, das haben wir auch dem Herrn Dechant und Herrn Nolte zu verdanken. Der Dr. Heimann hätte es nämlich gern gesehen, wenn die Wohnung an einen Arzt des Krankenhauses vergeben worden wäre.

 

Kt: War Herr Nolte eigentlich schon Rektor, als Sie an der Bonifatiusschule mit ihrer Tätigkeit als Lehrerin begonnen haben?

 

 

Abb. 7 : Rektor Wilhelm Rohde

 

A.: Nein, da war noch Herr Rohde als Rektor da - ein Jahr lang oder etwas länger. Ganz genau weiß ich nicht, wann Herr Nolte gekommen ist.

 

Kt: Herr Nolte wurde von Dechant Krieter aus Hamburg geholt ...

 

A.: Ja, als Herr Nolte da war, hat der Dechant sich selbst nicht mehr so viel um die Schule kümmern müssen. Er hat immer mit Herrn Nolte verhandelt. Und ich glaube, Herr Nolte hat alles im Sinne vom Herrn Dechant gemacht. Damit war Herr Dechant sicher zufrieden, denn Herr Nolte hat ja sehr viel erreicht. Da ging es doch damals um die Lehrergehälter, um die 80 oder 90 Prozent (die von der Schulbehörde Hamburgs bezahlt werden sollten). Herr Nolte war damals der Vorsitzende des (katholischen) Lehrer-verbandes und hat sehr viel verhandelt. Ich glaube, da war der Dechant dem Herrn Nolte dankbar, dass der ihm das alles abgenommen hat. Aber die Wiedereröffnung der Katholischen Schule (nach der national-sozialistischen Zeit), das war ein Verdienst vom Herrn Dechant!

 

Dass die Katholische Schule vor dem Krieg schon bestanden hatte, das habe ich von meiner Kollegin, Frau Kraushaar, erfahren, (die schon vor dem Krieg Lehrerin an der Bonifatiusschule gewesen war).

 

Kt.: Kam der Dechant zum Religionsunterricht in die Schule?

 

A.: Am Anfang ja, später haben die Kapläne den Religionsunterricht gegeben.

 

Kt.: Ich habe im Jahre 1952 selbst die Bonifatiusschule besucht. Was mich damals sehr gestört hat, war, dass die Schüler gemeinschaftlich zum Beichten in die Kirche geführt wurden, während der Schulzeit! Das fand ich schrecklich!

 

A.: Ja, aber wissen Sie, da war Herr Dechant noch von der ganz alten Schule! Und auch die Lehrer noch! Da standen ja Frau Kraushaar und die anderen älteren Kolleginnen und Kollegen hundertprozentig dahinter! Aber das glaube ich, dass Sie das gestört hat.

 

Kt: War die Schulmesse eigentlich eine „Zwangsschulmesse“?

 

A.: Na, „Zwangsschulmesse“ würde ich das nicht nennen! Wir haben zweimal pro Woche eine Schulmesse...

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