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DIE STAMMTISCHCREW

Von Athen nach Rhodos. Ein feuchtfröhliches Inselhüpfen unter weißen Segeln in der Ägäis

AutorRainer Geppert
VerlagMorawa Lesezirkel
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl Seiten
ISBN9783990572207
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis3,99 EUR
Sieben Freunde mit verschiedenen Berufen und unterschiedlichen Alters, segeln seit vielen Jahren miteinander. Anfangs noch auf den österreichischen Seen, später dann am Bodensee. Bis einer auf die Idee kommt, doch denn Schritt auf das Meer zu wagen und daraufhin den Segelführerschein für die Küstenschiffahrt in Italien erwirbt. Von da an erreichen die Segelabenteuer eine neue Dimension und alle Sieben warten Jahr zu Jahr sehnsüchtig auf die schönsten 14 Tage auf hoher See.

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Leseprobe

2. Eingewöhnung mit Überraschungen


( AEGINA – HYDRA )

Ein Reiseführer ohne Reisegruppe. Die Hochzeitskutsche. Eine Taverne mit Mengenrabatt. Knoten in Bestzeit. Die Zirkustruppe auf Segeltörn.

Als ich mit vorerst einem trüben Auge durch den Salon blinzelte, war schon das erste Grau des anbrechenden Tages zu sehen. Ich nahm meine Uhr und wollte bevor ich mich zum Aufstehen entschloß, wissen, wie spät es schon sein mochte. Natürlich sah ich wieder einmal ohne Brille auf dem kleinen Display überhaupt nichts. Schiffsnamen kann ich aus größter Entfernung entziffern, aber auf Lesedistanzen brauchte ich schon seit einiger Zeit eine Brille. Da ich meine Lesehilfe jedes Jahr regelmäßig vergesse, ist Navigator Herbert gebeten, stets seine Brille auf dem Kartentisch liegen zu lassen. Natürlich tut er mir diesen Gefallen und das Ding liegt immer da in seinem Etui. Blöd ist nur, wenn er gerade mit einer ohnehin schon einige Tage alten Zeitung, die wir auf irgendeiner Insel in deutscher oder österreichischer Ausgabe ergattert haben, am Klo sitzt und ich dringend etwas in der Seekarte nachsehen muß.

Aber da gab es ja auch noch die ‚Küchenuhr’ im Salon, so nennt Paul das golden glänzende Ding an der Trennwand zu den Vorschiffskojen mit seiner farbigen Einteilung. Mit aller Anstrengung fixierte ich das Chronometer, aber leider befand sich ein Zeiger gerade über einem der roten Felder und ich wußte wieder nicht, wie spät es war. Also kroch ich herunter von der Sitzbank und tappte zum Navigationstisch. Vor Jahren bin ich schon aus den engen, muffigen Doppelkabinen ausgezogen, wo mir mein Schlafnachbar beim Umdrehen in eine andere Schlaflage sein Knie ins Hinterteil rammt oder mich kurz später mit seiner Alkoholfahne direkt anschnarcht.

Oder die Variante mit Paul, der ganze Geschichten im Schlaf erzählen kann und dazu zwischendurch auch noch herzhaft und lauthals lacht. Bei einem Törn, auf einer etwas kleineren Yacht, war ich einmal in der Bugkabine mit ihm eingeteilt. Damals hat er seine säulenartigen Beine im Schlaf regelmäßig über die meinen geworfen, bis ich ihm die Ankerkette aus dem Behälter unter dem Bug über seine Füße wickeln konnte und er damit ruhig gestellt war. Außerdem bin ich ein gefürchteter Frühaufsteher und nicht eben leise beim Verlassen der Bettstatt.

Kurz vor dem Navigationstisch gab plötzlich wieder ein Bodenbrett etwas nach und als ich unwillkürlich erschrocken den Fuß zurückzog, klappte die gegenüberliegenden Seite des Brettes sogleich wieder hinunter, natürlich mit einem scharfen, hellen Knall, als hätte man die großen Schneidbretter der Küchenausstattung heftig zusammengeschlagen.

Augenblicklich verstummten in allen Kabinen die eben noch so deutlichen hörbaren Schnarchgeräusche. Eine der Kabinentüren ging auf und das verrunzelte Gesicht von Gerd schaute um die Ecke. Ein Auge hatte er aufbringen können, um den Übeltäter, also mich, zu erkennen.

„Mein Gott!! Mußt du gleich zu Törnbeginn mitten in der Nacht so einen Krawall machen!?!“

„Entschuldigung, aber jetzt kenne ich diese Falle. Wird mir sicher nicht wieder passieren!“

Wozu sollte ich ihn auch darauf aufmerksam machen, dass soeben in der Ferne ein Hahn krähte und daher von ‚mitten der Nacht’ keine Rede mehr sein konnte. Gerd hätte höchstens behauptet, dass ich auch diesen Hahn mit meinem Lärm aufgeweckt hätte.

Endlich saß ich auf dem Platz des Navigators. Brille war keine zu sehen und als ich die Tischplatte hochklappte, um im Fach darunter zu suchen, sauste ein gläserner Aschenbecher die plötzlich entstandene Schräge hinunter, bis zu den Angeln. Na, das war erst ein Geräusch!!

Jetzt war auch Konrad munter und dumpf hörte ich ihn murmeln.

„Was ist denn los?“

Gerds Antwort war laut und deutlich gehalten und wohl mehr an mich gerichtet.

„Der Rainer leidet schon wieder an seniler Bettflucht und führt sich auf wie ein Elefant im Porzellanladen!“

Da mußte sogar ich ihm als Betroffener in meinem Innersten Recht geben. Heute heißt es aufpassen, dachte ich bei mir! Das ist offensichtlich nicht mein Tag!

Die Brillen hatte ich aber schlußendlich doch gefunden. Die Uhr zeigte fünf. Zwar war noch fast eine Stunde Zeit bis zum ersten Wetterbericht, aber ich fühlte mich durch die vorangegangene Lärmorgie putzmunter. Besonders eilig hatten wir es heute nicht, denn die Strecke bis nach HYDRA konnte man auch am Nachmittag leicht schaffen. Da ginge sich sicher noch eine Besichtigung am Vormittag aus, dachte ich mir, wohl wissend, dass bei derlei Aktionen die Interessen der Crew ziemlich stark auseinander klafften. Herbert, unser Kulturminimalist blieb meistens am Schiff, damit irgendwer da ist, wenn etwas passiert – so sagt er zumindest. Museen, Ausgrabungen, gar Kirchen sind im völlig egal.

Im Hafen regte sich schön langsam etwas Leben. Kleine Fischerboote fuhren mit ihren klopfenden Einzylinderdieseln durch das Hafenbecken an uns vorbei, Richtung Hafenausfahrt. Eine Autofähre machte sich zum Auslaufen bereit und nahm noch alle wartenden Lastwagen und PKW an Bord. Am Sonntag nutzten sicher viele Insulaner die Freizeit, um Freunde und Verwandte am nahen Festland zu besuchen.

Auch auf der Segelyacht, an der wir gestern Abend unsere Steuerbord - Achterleinen befestigt hatten, krabbelte ein verschlafener Bewohner nach dem anderen aus dem Niedergang. Das Schiff führte eine italienische Nationale, wie man jetzt bei Tag sehen konnte und auch die Besatzung bestand, laut und deutlich vernehmbar aus Italienern. Sie schienen an diesem Tag noch viel vorzuhaben, denn sie machten sich bereits fertig zum Auslaufen.

Ich gab ihnen ein Zeichen, dass ich kapiert hätte und stieg hinunter um Herbert zu wecken. Er war in solchen Fällen, vor allem zu dieser frühen Stunde, der Brauchbarste von allen, denn er hat die seltene Eigenschaft, übergangslos vom Schlafzustand in die Wachphase wechseln zu können. Andererseits fiel es ihm leicht, blitzartig wieder einzuschlafen und das zu jeder Tageszeit.

Wie erwartet kam er auch diesmal sofort auf die Beine und fragte, bevor er noch beide Augen offen hatte: „Was gibt’s?“

„Die hinter uns wollen weg. Hilf mir bitte bei den Leinen.“

An Deck klopfte ich noch zweimal kurz auf den Aufbau des griechischen Seglers neben uns und auch da erschienen sofort drei Leute und begannen die Leinen zu lösen.

Die Griechen und wir verholten uns an den Bugkörben der Yachten hinter uns zur Seite, damit eine Gasse für den Italiener frei wurde und der zog sich mit der Ankerkette weg von der Mole.

Nachdem wir mit den griechischen Nachbarn geklärt hatten, dass sie auf alle Fälle vor uns auslaufen würden, schoben wir die STELLA auf den frei gewordenen Platz und die griechische Yacht hängte sich an unseren Bug. Jetzt konnten wir nach dem Frühstück prima aussteigen und ruhig das Schiff verlassen, da wir niemanden mehr blockierten.

Das ganze Manöver war natürlich nicht lautlos von statten gegangen. Alleine die einlaufende Ankerkette des Italieners hatte in der noch relativen Morgenstille wie ein Maschinengewehr aus dem Ersten Weltkrieg geknattert. Und wenn sich Herbert an Deck bewegt, glaubt man ohnehin darunter, dass ein Teil des Riggs mit Getöse auf das Schiff gepoltert sein muß. Rupert hat diesen völligen Mangel an Elastizität der Schritte unseres Kameraden schon vor längerer Zeit sehr treffend charakterisiert – ‚Du watschelst an Deck umher, wie ein Königspinguin mit 200 kg!’

Trotz allem regte sich bei uns unter Deck noch immer nichts. Es war bereits sechs Uhr vorbei und damit auch der Wetterbericht, den ich anhören wollte.

„Was ist, machen wir Frühstück?“ startete ich einen Versuch doch Leben in das Schiff zu bringen. Aber Herbert war schon wieder in seiner Koje verschwunden.

Auch recht, konnte ich halt den Inselführer weiter durchblättern und meinen Besichtigungsvorschlag für den Vormittag vorbereiten. Obwohl AEGINA nur etwa achtzig Quadratkilometer groß ist, dürfte der Anbau und Export von Pistazien ein wesentlicher wirtschaftlicher Faktor sein. Keramik findet man auch viel hier, aber die gibt es in Griechenland auch an zahlreichen anderen Orten. Schwammfischerei soll es auch geben, was ich aber sehr bezweifle, denn so sauber, wie es Schwämme nun einmal haben wollen, ist das Wasser im Saronischen Golf schon lange nicht mehr. Wahrscheinlich handelt es sich, so wie in RHODOS, auch hier nur mehr um Schwammverkauf. Dort habe ich mich einmal mit einem Händler unterhalten, der mir bestätigte, dass die Dinger meistens von ganz woanders herkamen.

Wozu man das Zeug überhaupt braucht, ist mir ohnehin ein Rätsel. Ich habe zwei Stück davon als Staubfänger im Badezimmer liegen, bin aber noch nie in die Wanne gestiegen, um mich mit einem kostbaren Schwamm einzuseifen, wie ein Filmstar aus den dreißiger Jahren. Und meine Frau benutzt sie auch nicht!

Die Stadtkirche am Hafen,...

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