Die grundlegende Problematik der Konzernbesteuerung liegt in der nahezu diametralen Gegenüberstellung zwischen der tatsächlich betriebswirtschaftlichen und der juristischen Struktur des Konzerns. Einerseits besteht eine Einheit andererseits aber lediglich eine lockere Ansammlung von selbstständigen Rechtspersönlichkeiten.[9] Kennzeichnend für die Beziehung zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft ist daher die ökonomische Einheit, die die juristische Selbstständigkeit unberührt lässt.[10]
Vor diesem Hintergrund hat eine große Anzahl von Staaten unterschiedliche Modelle zur Gruppenbesteuerung entwickelt. Diese einzelnen Modelle können aufgrund ihrer charakteristischen Formen verschiedenen Grundtypen der Gruppenbesteuerung zugeordnet werden.
Grundsätzlich kann bei Gruppenbesteuerungssystemen zwischen einer zentralen (Zusammenveranlagung) und einer dezentralen Form (Einzelveranlagung) differenziert werden (vgl. Abb. 1).[11] Allerdings darf nicht unerwähnt bleiben, dass Staaten nicht zwingend über eine besondere Form der Gruppenbesteuerung verfügen müssen.[12]
Abbildung 1
Alle Modelle der Gruppenbesteuerung im Detail darzustellen, ist vorliegend nicht angestrebt. Es sollen nicht die unterschiedlichen Vorrausetzungen zu Mindestbeteiligungsquoten, zu Rechtsformen und Ansässigkeit, sowie zu Mindestbestandzeiträumen und andere Detailregelungen im Vordergrund stehen[13], die auch innerhalb eines Systemtyps in unterschiedlichen Ländern voneinander abweichen können. Vielmehr sollen grundsätzliche Merkmale der verschiedenen Besteuerungsmodelle genannt werden, um in einem zweiten Schritt die (strukturellen) der Gruppenbesteuerungssysteme zu erläutern.
Innerhalb der Modelle, die auf der Zusammenveranlagung basieren kann man zwischen Einheits- und Zurechnungskonzepten unterscheiden.[14]
Im Rahmen der Einheitskonzepte werden Gruppen als wirtschaftliche Einheit besteuert. Dabei ist wiederum zwischen einem uneingeschränkten und eingeschränkten System zu differenzieren. Das uneingeschränkte Konzept, dem die niederländische Gruppenbesteuerung zugerechnet wird[15], baut auf der (steuerrechtlichen) Verschmelzung der Konzerngesellschaft innerhalb des Organkreises auf (vgl. Art. 15 Abs. 1 VPB und „opgegaan-in-gedachte“).[16]
Hingegen wird beim eingeschränkten Einheitskonzept die Gewinnermittlung separat auf der Ebene der Mutter- und der Tochtergesellschaften vollzogen.[17] Daher stellt beim eingeschränkten Einheitskonzept die Konzernobergesellschaft, wie bei dem Zurechnungsmodell, den zentralen Bezugspunkt für die Einkommensermittlung und die steuerliche Veranlagung für die Konzernbesteuerung dar. Nachdem die Einzelergebnisse der Konzernuntergesellschaften seperat ermittelt worden sind, werden sie auf der Ebene der Obergesellschaft durch spezifische Einkommenskorrekturen modifiziert und zusammengefasst (Vollkonsolidierung). Die dadurch bedingte Zwischengewinnrealisierung kann im Anschluss ganz oder teilweise erfolgen. Das „echte“ Einheitskonzept wird im Rahmen der eingeschränkten Ausformung durch die fehlende Kapital- bzw. Schuldenkonsolidierung durchbrochen.[18]
Kennzeichnend für das uneingeschränkte Einheitsprinzip ist hingegen, dass nur eine Konzernsteuerbilanz und eine konzernweite Gewinn- und Verlustrechnung anstelle mehrerer Einzelbilanzen und Gewinn- und Verlustrechnungen für jede Gesellschaft aufgestellt werden (originäre Gesamtergebnisermittlung).[19] Die Besteuerung der Fiskaleinheit erfolgt also genau genommen nicht aufgrund einer „konsolidierten“ Konzernsteuerbilanz mit einem zusammengeführten Konzernergebnis, weil originär nur eine konzernweite Bilanz aufgestellt und ein Konzernergebnis errechnet wird.[20] Die Vollkonsolidierung findet bei der Errichtung der steuerlichen Einheit statt.
Das Zurechnungskonzept[21] baut gedanklich auf einer steuerrechtlichen Ergebnisabführung auf der einen Seite, und auf einem steuerlichen Verlustausgleich auf der anderen Seite auf (fiscal unity, Organschaft). Die Errechnung der Ergebnisse der Konzerngesellschaften erfolgt in einem zweistufigen Verfahren. Das bedeutet, dass die Resultate der einzelnen Konzerngesellschaft in einer ersten Einkommensermittlungsstufe separat ermittelt werden (Trennungsprinzip)[22], um dann im Zuge einer zweiten Stufe bei der Obergesellschaft zusammengefasst zu werden.[23] Auch für die Errichtung der deutschen Organschaft ist die Möglichkeit der Verlustverrechnung im Konzern ein Hauptmotiv.[24] Verluste (oder Gewinne) der Tochtergesellschaft können im Rahmen einer deutschen Organschaft so behandelt werden, als ob diese bei der Muttergesellschaft entstanden sind und gegebenenfalls mit dortigen Gewinnen (oder Verluste) verrechnet werden (§ 14 I KStG).[25]
Schließlich gibt es den Ansatz der so genannten Einzelbilanzkonzepte. Innerhalb dieser Systeme werden die Unternehmen der Gruppe einzeln besteuert (Einzelveranlagung). Daher findet keine systematische Zurechnung der Einzelergebnisse von Untergesellschaften auf die Obergesellschaft statt.
Ein Modell, welches zu den Einzelveranlagungsmodellen zu zählen ist, ist das Group Relief Modell[26]. Die Konzernverbundenheit (tax group) wird innerhalb dieses Systems auf der Ebene der Einzelveranlagungen berücksichtigt.[27] Daher sind Sonderregelungen, insbesondere zum Verlustausgleich und zur Verlustübertragung eingefügt, die die Leistungsfähigkeit der Gruppe Rechnung tragen sollen (group relief). Die defizitäre Gesellschaft (surrendering company) tritt ihren Verlustverrechnungsanspruch dabei an die gewinnträchtige Gesellschaft (claimant company) innerhalb derselben Unternehmensgruppe ab (vgl. Sec. 402 (1) und (2) ICTA).[28]
Dieses Institut ermöglicht innerhalb einer qualifizierten Unternehmensgruppe eine freie Übertragbarkeit von Verlusten oder Verlustanteilen von einer auf die andere Konzerngesellschaft.[29] Dabei genießen die Unternehmen in Großbritannien ein Wahlrecht, ob und welche Verluste von Konzerngesellschaften mit Gewinnen verrechnet werden können.[30] Ein Pendant zu der in Deutschland abgeschafften Mehrmüttergesellschaft bilden die Vorschriften zum consortium relief.
Ein systemverwandtes Konzept wird auch von den skandinavischen Staaten Schweden, Norwegen und Finnland angewendet. Auch in diesen Staaten wird die Konzernbesteuerung nicht auf der Grundlage einer konsolidierten Steuerbilanz vorgenommen.[31] Profitable Unternehmen in der Gruppe können Verluste anderer Gesellschaften durch Zahlungen ausgleichen (Wahlrecht). Diese werden auf der Seite des Empfängers als steuerbare Betriebseinnahme und auf der Seite Absenders als abzugsfähige Betriebsausgabe behandelt (group contribution).[32]
An eine moderne Gruppenbesteuerung werden hohe Anforderungen gestellt. So soll die Besteuerung einen in Einzelgesellschaften gegliederten Konzern steuerlich nicht schlechter stellen als andere nicht aufgegliederte Unternehmen (steuerliche Wettbewerbsneutralität).[33] Die Konzernbesteuerung sollte ferner ihrerseits auf die betriebswirtschaftliche und rechtliche Organisation des Konzerns idealerweise keinen Einfluss haben.[34]
Schließlich treten im Rahmen einer Gruppenbesteuerung typische Probleme auf. Eine der wichtigsten Ausgestaltungsfragen ist die steuerwirksame Zusammenfassung der Ergebnisse der Konzergesellschaften im Konsolidierungskreis.[35] Unterstellt man eine fakultative Gruppenbesteuerung ist diese Aufgabe deshalb besonders bedeutsam, weil gerade der interpersonelle Verlustausgleich einen Hauptanreiz für die Unternehmen darstellt, sich einer Gruppenbesteuerung zu unterwerfen.[36]
Dabei stellt sich auch die Frage, ob eine grenzüberschreitende Verlustverrechnung im Ansässigkeitsstaat der Muttergesellschaft zugelassen wird. Neben dem allgemeinen Steuerwettbewerb der Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft brachte vor allem der Fall Marks & Spencer Bewegung in dieser Sache.
Des Weiteren müssen Lösungen gefunden werden, wie Verluste...