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E-Book

Die tgliche Mutprobe

Rückgrat zeigen, Entscheidungen treffen und gemeinsam bestehen

AutorChristian Zipfel
VerlagWiley-VCH
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl228 Seiten
ISBN9783527647361
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR


Nach dem Studium der Betriebswirtschaftslehre und Unternehmensführung war Christian Zipfel zunächst in einer strategischen Unternehmensberatung tätig, bevor er 2001 in die Automobilindustrie als Projektleiter im strategischen Marketing wechselte. 2004-2007 war er verantwortlich für den Vertrieb Deutschland eines Automobilherstellers im Luxussegment. Seit 2008 bekleidet er verschiedene leitende Positionen im Vertrieb/Aftersales eines großen deutschen Automobilherstellers.

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Leseprobe

Vollgas im Nebel
Symptom Nr. 1: Mangelnde Kommunikation


Mein voller Terminkalender ermöglichte es mir, den Montag bis mittags in Meetings zu verbringen, ohne von meiner Sekretärin oder einem Mitarbeiter gesehen zu werden. Doch als ich nach dem Essen ins Büro zurückkehrte, holte mich meine Pflicht ein. Frau Zenkrich warf mir einen vorwurfsvollen Blick zu und fragte mich, ob sie meine Mitarbeiter sofort oder erst in zehn Minuten zusammenrufen solle. Ich hätte bestimmt einiges von der Versammlung am Freitag zu berichten.

Ich bedankte mich gereizt für die großzügige Terminauswahl, ließ mich aber auf die Zehn-Minuten-Alternative ein. Sie hatte völlig recht, es war höchste Zeit.

In den verbleibenden Minuten versuchte ich krampfhaft, ein bisschen Systematik in meine anstehenden Schilderungen zu bringen. Je länger ich darüber nachdachte, wie ich das am Freitag Gehörte zusammenfassen könnte, desto mehr Fragen kamen in mir selbst auf. Man konnte es drehen und wenden, wie man wollte – die Informationsmenge war mickrig und nicht dafür geeignet, Mitarbeiter zu beruhigen oder ihnen sogar Mut zu machen.

Weiter kam ich nicht, da schon die ersten Stimmen im Flur zu hören waren und kurz darauf das gesamte Team zwischen Besprechungszimmer und meinem Büro wild umherschwätzte.

Meine Ansprache verlief chaotisch, und ich verfluchte mich, dass ich mir nicht am Wochenende mehr Gedanken darüber gemacht hatte, was ich wie sagen wollte. Drei oder vier Fragen meiner Mitarbeiter später war die Gänze meiner eigenen Uninformiertheit komplett aufgeflogen, und in den Köpfen meiner Leute nicht mehr angekommen als die Tatsache, dass das Unternehmen tatsächlich in einer Krise steckte und dies mit Sicherheit irgendwelche nicht weiter bekannten Maßnahmen nach sich ziehen würde, die jeden treffen konnten.

»Die Unternehmensleitung wird ab jetzt in kurzen Abständen über den Stand der Dinge informieren und die gesamte Kommunikation an die Mitarbeiter intensivieren.«

Mein Versuch, etwas Hoffnung und Vertrauen entstehen zu lassen, schlug fehl.

»Kommunika-was?«, kommentierte Maise trocken, und erntete beipflichtendes Gelächter.

»Das ist doch ein Fremdwort in diesem Unternehmen«, ergänzte Putzmer, der Querulant in meiner Abteilung, und allgemeines Kopfnicken machte die Runde. Es wurden sogar neue Begriffe erfunden, die allesamt auf die desolate Informationsgestaltung abzielten.

»Kommunika-nix!«

»Nee, Kommu-nicht-ation ...«

»Hey, Putzi, bring doch mal das Megafon von deinem Feuerwehrtrupp mit, vielleicht haben unsere Unternehmenslenker einfach nur zu leise Stimmen!«, schlug Ziegelbart vor.

»Sind doch alle nur feige.« Da war er wieder, der Feigheitsvorwurf. Im Gewühl hatte ich gar nicht ausmachen können, wer ihn geäußert hatte.

»Stimmt! Warum steht nicht mal einer auf und sagt einfach, was Sache ist?« Putzmer war richtig emotional geworden und selbst aufgestanden. Ich fragte mich, ob er als Chef des Unternehmens noch genauso tönen würde.

»Immerhin gibt es jetzt eine konkrete Informationszusage«, bremste ich die sich aufschaukelnden Kritiker, obwohl ich ihnen in Gedanken beipflichten musste. Bisher war die Unternehmenskultur nicht gerade von aktiver und umfangreicher Aufklärung gekennzeichnet.

Ich versprach, mich weiter zu informieren, sowie jede Neuigkeit sofort ans Team weiterzugeben, und verschanzte mich in meinem Büro. Zwar war ich mit meinem Auftritt nicht glücklich, aber immerhin konnte man mir nicht mehr vorwerfen, vor aktiver Informationsweitergabe zurückzuschrecken. Es ärgerte mich, dass ich am Freitagabend gekniffen hatte, und der Hinweis von Frau Zenkrich, dass viele meiner Leute sogar noch bis abends gewartet hatten, ob ich mit Neuigkeiten zurückkäme, tat sein Übriges.

Der Feigheitsvorwurf aus meinem Team erinnerte mich an die Diskussion mit meiner Frau und meinen Plan, bezüglich Mut im Unternehmen genauer hinzuschauen.

Wie hatten eigentlich meine Kollegen dieses Kommunikations-Dilemma gelöst? Waren sie mutig vorangeschritten, oder war ich mit meinem freitäglichen Ausweichmanöver am Ende in bester Gesellschaft?

Ich wählte die Telefonnummer von Robert. Es dauerte eine ganze Weile, bis er antwortete. Ich wollte wissen, wie es ihm mit seinem Team seit der Schlagzeile ergangen war.

»Sag mal, hast du deinen Leuten schon von der Info-Veranstaltung erzählt?«

»Nein, was soll ich dazu erzählen? War doch nur Blabla, gemischt mit ungreifbaren Allgemeinplätzen«, entgegnete er hörbar frustriert.

»Aber fragen sie dir denn nicht Löcher in den Bauch, ob die Presse recht hat und was das für jeden Einzelnen bedeutet?«

»Doch, der ein oder andere fragt schon, aber was soll ich denen schon sagen? Ich antworte immer, sie sollen sich damit an den Betriebsrat oder gleich an den Vorstand wenden, da ich ja selbst nichts weiß.«

»Aber meinst du nicht . . .«

»Hör mal, ich muss gleich los, weswegen rufst du eigentlich an?«, unterbrach mich Robert.

»Ach, das hat Zeit, mach du dich mal auf die Socken.« Ich hatte im Moment wenig Lust zuzugeben, dass mich das Thema Mitarbeiterinformation und Mut beschäftigte.

An sich hatte Robert recht. Vielleicht war er sogar besser vorgegangen als ich, denn ich hatte mit meiner Informationsrunde noch mehr Unsicherheit gestiftet und auch noch den Schwarzen Peter an mich genommen, mich um mehr Details zu kümmern. Trotzdem war Roberts Vorgehensweise ziemlich schroff und sicher auch nicht gerade motivationsstiftend, geschweige denn mutig. Aber wie war es denn nun richtig?

Petra konnte ich nicht ans Telefon bekommen, also schrieb ich ihr ein paar Zeilen per E-Mail. Norbert hatte zwar keine Zeit für einen Austausch am Telefon, schlug aber für den nächsten Tag ein gemeinsames Mittagessen vor. Somit blieb mir gar nichts anders übrig, als den Rest des Tages für meine eigentlichen Aufgaben zu nutzen. Ich kämpfte mich durch haufenweise Studien und sonstige Papierstapel und fragte mich am Abend, was ich eigentlich geschafft hatte. Somit war am Ende doch ein Funken Alltag eingekehrt.

Am nächsten Tag saß ich wie verabredet mit Norbert in der Kantine, und wir erfreuten uns an einem spektakulär fettig panierten Schnitzel.

»Wie fandest du die Ansprache vom Begereit?«, eröffnete ich das Thema.

»Na, ich fühle mich verulkt, wenn du es genau wissen willst. Da nimmt dir einer deine Sorge vor einer Zerschlagung, in dem er dir allgemeinere Sorgen verpasst. Klasse.«

»Aber bisher haben sie doch noch gar nichts entschieden, was sollen sie da auch Konkretes verkünden?« Ich war zwar Norberts Meinung, dass die Veranstaltung eine reine Rauchbombe gewesen war, aber die Forderung nach greifbaren Ankündigungen war tatsächlich schwierig zu erfüllen.

»Das ist ja Teil des Problems«, entgegnete Norbert. »Die schwierige Situation ist doch nicht erst gestern entstanden. Da hat einer gepennt, vor rechtzeitigen Entscheidungen gekniffen und so die Krise herbeigewartet. Jetzt ist es plötzlich öffentlich geworden, und nun werden hektisch Bruchstücke kommuniziert – und entschieden ist immer noch nichts.«

»Wie er gesagt hat, da müssen wir im Zweifel alle miteinander ran«, hielt ich etwas zwiegespalten dagegen.

»Und? Was machst du nun genau? Dann lebe das mal! Es ist stockduster, die Nebelmaschine läuft am Anschlag, und du wirst aufgefordert, aufs Gas zu treten. Na, viel Glück!«

»Begereit hat uns immerhin regelmäßige Infos versprochen, dann wird sich der Nebel zumindest schrittweise lichten.«

»Dein Wort in Gottes Ohr, nee, in Begereits Ohr.«

»Wie bist du eigentlich mit deinen Leuten umgegangen?«, stellte ich die mich eigentlich interessierende Frage.

»Das finde ich echt schwierig«, antwortete er mir. »Ich musste mit zwei ganz penetranten Fragern umgehen. Denen habe ich gesagt, ich würde noch Fakten zusammentragen und dann alle umfassend informieren. Aber wenn ich ehrlich bin: Ich habe keine Ahnung, was ich am Ende sagen soll. Wenn ich das so rüberbringe, wie es Begereit gestern getan hat, dann verfallen meine Mädels und Jungs doch in die totale Antriebslosigkeit oder bewerben sich sofort woanders. Ich muss denen doch irgendeine Perspektive bieten und sie auf ein Ziel einschwören.«

Ich schwieg, denn ich stand vor demselben Problem. Norbert hatte es mit seinem Nebelbild gut zusammengefasst: Wie sollte man eine Richtung vorgeben und damit das Team motivieren, wenn man selbst die Hand vor Augen nicht sehen konnte?

Norbert ergänzte noch einen Punkt. »Weißt du, was noch dazukommt? Man wird mir, dir, uns am Ende vorwerfen, wir hätten unseren Management-Job nicht gemacht.«

»Das ist doch Quatsch«, entgegnete ich. »Es ist ja wohl jedem klar, das wir nicht die zentralen Richtungsentscheidungen in diesem Unternehmen...

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