Freihandel versus Protektionismus – diese Gegenüberstellung beschäftigt die globale Wirtschaftspolitik seit jeher und bildet die Grundlage eines der meist diskutierten Themen der Handelsgeschichte.
Freihandel gilt dabei als das klassische Leitbild der Außenhandelstheorie, dessen Tradition insbesondere durch die Ökonomen Adam Smith (1723-1790) und David Ricardo (1772-1823) begründet wurde. Ausgangspunkt ihrer außenhandelstheoretischen Überlegungen war die Umsetzung des klassischen Liberalismus, nach dem sich Handel frei von staatlichen Eingriffen vollziehen sollte (vgl. Wagner, 2009, S. 54). Freihandel umfasst daher allen voran die Abwesenheit oder Reduzierung von Handelshemmnissen zwischen Nationen und die damit einhergehende Schaffung eines gemeinsamen Marktes (vgl. Osabuohien, Efobi & Beecroft, 2014, S. 14). Die Abschöpfung vorhandener Wohlfahrtsgewinne sowie die Verbesserung der Faktormobilität sind dabei die angestrebten Ziele der klassischen Freihandelsdoktrin (vgl. Beck & Ohr, 2014, S. 345). Trotz der aufgezeigten Vorteile besteht jedoch immer noch ein starker Kontrast zwischen den in der Theorie vermittelten Erkenntnissen und deren Umsetzung in die Realität. So ist Freihandel in seiner idealtypischen Form in der Praxis kaum anzutreffen, sondern wird durch eine Vielzahl regulierender Außenhandelsmaßnahmen in seiner Wirkung eingeschränkt (vgl. Haas & Neumair, 2006, S. 211).
Dieses handelspolitische Konzept des Protektionismus wendet sich grundsätzlich gegen die prinzipielle Marktoffenheit und befürwortet die Regulierung des internationalen Handels mittels protektionistischer Maßnahmen. Tarifäre Handelshemmnisse wie Zölle oder Exportsubventionen werden dabei direkt auf ein bestimmtes Gut erlassen. Zusätzlich erschweren nichttarifäre Handelshemmnisse wie Einfuhrkontingente, Sicherheitsstandards oder auch Importverbote den Marktzugang ausländischer Waren zu Gunsten der heimischen Industrie (vgl. Sell, 2003, S. 205). Mit der Regulierung von Importen und Marktzugängen soll folglich die Erreichung wohlfahrtsökonomischer Ziele gewährleistet sowie möglichen Marktineffizienzen entgegengewirkt werden (vgl. Osabuohien et al., 2014, S. 13f.).
Seit dem Beginn internationaler Handelsbeziehungen bilden die Theorien des Freihandels sowie Protektionismus die Grundlage wirtschaftspolitischer Debatten und kommen nach Jahrzehnten der Auseinandersetzung immer noch zu keinem Konsens. So zeigt die Geschichte ein Wechselspiel zwischen Freihandel und Protektionismus, das auf unterschiedliche Faktoren zurückzuführen ist. Neben Kriegen, Wirtschafts- und Finanzkrisen, die zu Phasen instabiler Wirtschaftsordnungen beitrugen (vgl. Boltho, 1996, S. 247), ist es heute allen voran die zunehmende Komplexität des Handels, die sich aus dem Fortschreiten der Globalisierung ergibt. Im Laufe der Zeit erwies sich der Handel etwa nicht als rein statisches, sondern dynamisches Phänomen, das fortan durch stetige Veränderungen gekennzeichnet ist. Waren die vorangegangenen Jahrhunderte noch vom Austausch von Gütern geprägt, die in einem einzigen Land gefertigt wurden, zeigt sich im 21. Jahrhundert eine starke Fragmentierung der Produktions- und Beschaffungsprozesse. Die wirtschaftliche Integration im Rahmen globaler Wertschöpfungsnetzwerke nimmt demnach einen immer größeren Stellenwert ein (vgl. Freytag, Draper & Fricke, 2014a, S. 7).
Zum anderen treten neben wirtschaftlichen auch zunehmend soziale und ökologische Aspekte in den Mittelpunkt der Diskussionen, die den Protektionismus vorantreiben und die Freihandelsdebatte zu einer immer komplizierteren und abstrakten Thematik werden lassen (vgl. Beck & Ohr, 2014, S. 344; Went, 2000, S. 655).
Für beide Theorien ergibt sich sowohl ein Für als auch ein Wider. Dennoch ist Freihandel die dominante Strategie im Außenhandel, da dadurch bewiesenermaßen die Wohlfahrt der beteiligten Länder begünstigt wird. Als first-best-Lösung sollte es jedoch nicht angesehen werden, da in kluger und moderater Weise protektionistische Maßnahmen durchaus zum Wohlstand beitragen können: „Economic Science admits that from the effiency point of view there are exceptions to the general rule that free trade is a universal good“ (Moss, 2001, S. 139).
Statt nun beide Ansätze in ihren grundlegenden Idealen zu hinterfragen, sollte es vielmehr das Ziel sein, Freihandel und Protektionismus in Balance zu bringen. Wichtig ist folglich anhand nationaler Aspekte, der globalen wirtschaftlichen Situation sowie vorhandener Theorien und Empirien zu schauen, welche Maßnahmen zu welchen Zeitpunkten angebracht sind (vgl. Osabuohien et al., 2014, S. 14; Went, 2000, S. 669).
Im Folgenden werden daher nun vier grundlegende Ansätze der Außenhandelstheorie betrachtet, die mittels ihrer unterschiedlichen Annahmen versuchen, den Handel in seinen Charakteristiken zu erläutern.
Die Außenhandelstheorie blickt auf eine lange Geschichte an Modellen zurück, die allesamt in ihrer Verschiedenheit versuchen, das Zustandekommen des internationalen Güteraustausches zu beschreiben. Im Zentrum steht dabei die Beantwortung der Fragen, welche realwirtschaftlichen Indikatoren wie über Außenhandelsmuster entscheiden, warum Nationen Handelsbeziehungen eingehen und welchen Nutzen Außenhandel den Beteiligten bringt (vgl. Ströbele & Wacker, 2000, S. 9). Neben Adam Smith, der als eine der Schlüsselfiguren in der Volkswirtschaftstheorie anerkannt ist, finden sich noch viele weitere Ökonomen, die sich dem Freihandelsthema annehmen. Im Folgenden sollen daher einige Modelle aufgezeigt werden, die der Illustration verschiedener Konzeptionen von Außenhandel dienen und zum Verständnis aktueller Freihandelsbemühungen beitragen.
Aus der Kritik am im 18. Jahrhundert vorherrschenden Merkantilismus heraus, verfasste Smith seine Theorie in dem 1776 erschienenen Werk „An Inquiry into the Nature and Causes of the Wealth of Nations“. Diese neue Wirtschafts-philosophie stellte eine regelrechte Innovation dar, die sich den Annahmen des merkantilistischen Wirtschaftsmodells entgegenstellte. Wurde bis dahin der Staat als Hauptakteur der Wirtschaft angesehen, rückte nun zunehmend die Trennung von Markt und Staat in den Vordergrund (vgl. Schirm, 2013, S. 16). Prägend für die Zeit des Merkantilismus war außerdem die Annahme, internationaler Handel sei ein Nullsummenspiel, welchem zufolge Handelsgewinne ausschließlich auf Kosten anderer Länder realisierbar sind (vgl. Rübel, 2008, S. 223; Ströbele & Wacker, 2000, S. 9). Es folgte die Einführung protektionistischer Maßnahmen, um zum einen die eigene Wirtschaft zu schützen und zum anderen den Reichtum des eigenen Landes zu erhöhen (vgl. Schirm, 2013, S. 16; Ströbele & Wacker, 2000, S. 9).
Aufbauend auf diesem Verständnis, entwickelte Smith den Ansatz des absoluten Kostenvorteils, um zu beweisen, dass alle beteiligten Nationen vom gegenseitigen Handel profitieren können. Grundlage dieser Überlegung war dabei die Erkenntnis, dass kein Marktakteur in der Lage sei alle benötigten Güter selbst herzustellen. Austausch und Arbeitsteilung wurden daher zum Treiber der Wirtschaft und ließen einen Markt entstehen, der durch das Angebot der eigenen Güter sowie die Nachfrage nach Gütern, die der Einzelne selbst nicht erzeugen kann, charakterisiert ist. Die Erreichung eines Marktgleichgewichts war nun frei von staatlichen Eingriffen, da sich Angebot und Nachfrage über den Preis regeln ließen. Diese als Invisible Hand bezeichnete Selbstregulierung ermöglicht einen gesamtgesellschaftlichen Wohlstand, indem alle Marktakteure denjenigen Tätigkeiten nachgehen, die sie am besten können (Smith zit. nach Schirm, 2013, S. 16f.).
Dieser Grundgedanke von Arbeitsteilung und Spezialisierung wurde von Smith auf den Außenhandel übertragen. Kann demnach das Ausland Güter zu günstigeren Kosten als das eigene Land herstellen, dann ist es nach Smith (1993) vorteilhafter, diese besagten Güter mit einem Teil der Erzeugnisse zu kaufen, die wiederum das eigene Land günstiger als das Ausland herstellen kann (S. 371f.). Demzufolge entsteht Außenhandel, wenn diese sogenannten absoluten Vorteile je Land für je ein Gut vorhanden sind. Nach Ströbele & Wacker (2000) werden diese Ansichten Smiths verdeutlicht, indem diese auf die Betrachtung eines einzigen Produktionsfaktors, nämlich Arbeit, hinweisen. Folglich spezialisiert sich jedes Land auf die Herstellung desjenigen Gutes, in dessen Produktionsprozess die Arbeitsproduktivität durchgängig höher ist als im Ausland und demzufolge es über einen absoluten Vorteil verfügt. Ein Teil der erzeugten Güter kann dann gegen Ware getauscht werden, bei deren Herstellung das Land einen größeren Faktoreinsatz benötigt als das Ausland und demzufolge einen absoluten Nachteil aufweist (S. 9).
Vom reinen Grundverständnis her wäre es sicherlich möglich, die meisten Produkte im eigenen Land zu erzeugen. Erfolgt der Einsatz der verfügbaren Produktionsfaktoren jedoch für die Herstellung der Güter, die am günstigsten produziert werden können, „so kann ein Land durch Austausch dieser gegen andere Güter seinen Verbrauch an allen Gütern erheblich gegenüber...