1 Aha-Erlebnisse und die unschlagbare Organisation – eine Einführung
Noch ein Managementbuch. Mit Erfolgsgarantie, versteht sich. Selbstverständlich alles neu und disruptiv, bahnbrechend und provokant. Nun mal ehrlich, hat sich jemals wirklich etwas geändert? Wohl kaum, das ist doch ohnehin nur alter Wein in neuen Schläuchen.
Solche Gedanken gehen vielen Menschen durch den Kopf, wenn sie von einem Managementbuch hören, und ich kann sie verstehen. Mir geht es auf jeden Fall so.
Wie wird eine Organisation unschlagbar?
Nun, eines funktioniert garantiert nicht: Das Neue. Unschlagbarkeit ist keine neue Idee, sondern wird angestrebt, seit es Leben gibt. Ein Buch über die unschlagbare Organisation kann also kaum etwas enthalten, das Sie nicht schon instinktiv kennen, nichts, von dem Sie nicht schon gehört haben oder an anderer Stelle hätten lesen können. Es geht in Unternehmen um etwas Bekanntes und Banales, etwas ganz Fundamentales, etwas, das so alt ist wie die Menschheit, nein, noch viel älter, etwas, das schon im Tierreich erfunden wurde, lange bevor die ersten Menschen durch die Wälder streiften, etwas, das wir leider in den letzten Jahrzehnten aus den Augen verloren haben und das wir wiederentdecken sollten, etwas, das so mächtig ist, dass wir es uns schon gar nicht mehr vorstellen können. Die Rede ist von einer Mannschaft.
Mannschaften sind wahrlich keine Entdeckung unserer Zeit. Man denke nur an einen Fischschwarm, der zusammenhält, auch im Angesicht eines Hais, und so den Eindruck eines viel größeren Lebewesens erweckt. Oder eine Herde von Pferden, die ihre Fohlen im Innern der Herde vor Raubtieren beschützen. Oder eine Jagdgemeinschaft von frühen Menschen, die sich bedingungslos aufeinander verlassen konnten, nicht nur, um die Beute zu erlegen, sondern auch, um nicht selbst zur Beute zu werden. Mannschaften wurden nur aus einem einzigen Grund erfunden: Sie sichern das Überleben. Je besser die Mannschaft, umso eher war und ist man erfolgreich. Wer den Weg zu einer unschlagbaren Organisation gehen möchte, kommt an der Mannschaft nicht vorbei. Eine wirklich gute Mannschaft lässt sich durch nichts unterkriegen.
Jetzt erwarten Sie vielleicht, dass ja dann wenigstens der Weg zu einer solchen Mannschaft etwas Revolutionäres oder zumindest Weltbewegendes sein muss. Leider nein, sondern ganz im Gegenteil, denn etwas anderes funktioniert auch nicht: die Menschen zu verändern. Das haben schon viele versucht und sind gescheitert. Um mit Konrad Adenauer zu sprechen: »Nimm die Menschen so wie sie sind, du kriegst keine anderen«. Auch beim Weg zur Unbesiegbarkeit geht es meiner Erfahrung nach um etwas Altbekanntes und Altbewährtes. Etwas, das schon ein Primat hatte, als er zum ersten Mal ein Stöckchen benutzte, um Ameisen aus einem Baumstamm zu puhlen. Etwas, das ein Neandertaler hatte, der in ein Stück Fleisch biss, das nach einem Blitzeinschlag zufällig eine Weile im Feuer gelegen hatte und merkte, dass es ihm gebraten viel besser schmeckte als roh. Die Rede ist von einem Aha-Erlebnis.
Aha-Erlebnisse sind ein Schlüssel zur Veränderung
Erkenntnisse spielen bei der Weiterentwicklung einer Organisation eine unverzichtbare Rolle. Mit ihrer Hilfe hat sich unsere Welt in den letzten Jahrzehnten deutlich gewandelt. Man denke nur an die zahlreichen wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften der unterschiedlichsten Fachgebiete. Nicht Geld verändert die Welt, sondern Erkenntnisse. Und das Schöne daran: Erkenntnisse lassen die Menschen wie sie sind, sie verändern nur den Blickwinkel. Deshalb bin ich davon überzeugt, dass insbesondere eine Art von Erkenntnissen, die Aha-Erlebnisse, prädestiniert dafür sind, die Zusammenarbeit in Unternehmen zu verbessern. So bin ich ein Coach, der sich aus Überzeugung immer wieder auf diese beiden ganz elementaren Dinge besinnt, die Mannschaft und das Aha-Erlebnis, weil beides schon seit Jahrtausenden funktioniert.
Was macht gerade ein Aha-Erlebnis zum Kern organisatorischer Veränderung? Erstens steht es jedem zur Verfügung, dem Mitarbeiter wie dem Vorgesetzten, Frauen wie Männern, Älteren wie Jüngeren, dem Spezialisten wie dem Generalisten, dem Teamplayer wie dem Einzelkämpfer, dem Macho wie dem Softie – also dem gesamten Unternehmen. Zweitens hat es den entscheidenden Vorteil, dass mit der neuen Erkenntnis, wie man beispielsweise besser kommunizieren oder einen Konflikt lösen kann, auch gleich die Motivation mitgeliefert wird, dies zu tun. Ein Aha-Erlebnis ist eine Erkenntnis, die zusätzlich mit einer Portion Motivation daherkommt. Das macht es so kraftvoll. Man kann sagen, ein Aha-Erlebnis ist ein kognitiv-emotionales Großereignis. Drittens eröffnen Aha-Erlebnisse neue Blickwinkel und eine neue Sicht auf die Realität. Es entstehen bisher ungeahnte Chancen. Werden diese wahrgenommen, werden also die konkreten nächsten Schritte daraus abgeleitet, stellt sich unweigerlich eine Veränderung ein.
Wenn es in einem Unternehmen knirscht, liegt das – konsequent zu Ende gedacht – immer an zu wenigen Aha-Erlebnissen. Die Zusammenarbeit in einem Unternehmen funktioniert erst dann richtig gut, wenn die Beteiligten immer wieder zielgerichtete Aha-Erlebnisse erfahren und diese in konkrete Chancen umsetzen. Nur durch frische neue Erkenntnisse, die sich zu einem größeren Ganzen zusammenfügen und die sogleich stets aufs Neue in nächste Schritte umgesetzt werden, kommen alle ihren Gemeinschaftszielen näher. Ohne ein gemeinsames Ziel verpuffen die Aha-Erlebnisse. Nichts, wirklich nichts bringt die Menschen und ihre Organisationen so sehr voran, wie zielgerichtete Aha-Erlebnisse und nichts steuert so elegant zwischen einem Death March und einer Wohlfühloase (davon gleich mehr). Das erfordert womöglich ein wenig Nachdenken, spart aber die Mühen mit Zins und Zinseszins ein, in dem Maße nämlich, in dem das Unternehmen schneller und kreativer wird und immer weniger Aufwand für die Überwindung von Konflikten und anderen Energiefressern aufwenden muss.
Zielgerichtete Aha-Erlebnisse, die in konkrete Chancen münden, bilden den Kern der Veränderung, die in diesem Buch beschrieben wird und den wir anwenden, um aus einer Organisation eine unschlagbare Mannschaft zu machen. Dieser Mechanismus steht jedem Menschen, jedem Team und jeder Organisation jederzeit an jedem Ort dieses Planeten zur Verfügung. Alles andere ist unnötig, sozusagen Luxus, der uns nur von dem ablenkt, was wirklich zählt.
Was macht die Unschlagbarkeit eines Unternehmens aus?
Wenn man von Unschlagbarkeit spricht, heißt das nicht, dass man immer der billigste Anbieter ist, jeden Kundenauftrag erhält, jedes Mal die Konkurrenz hinter sich lässt oder mit neuen Produkten immer als erster am Markt ist. Ein altes Sprichwort sagt: Jeder findet seinen Meister. Das gilt auch für unschlagbare Organisationen.
Unschlagbarkeit bedeutet, dass eine Organisation mit der langfristig schnellsten Geschwindigkeit unterwegs ist. Andere können hin und wieder schneller, besser oder erfolgreicher sein, aber die unschlagbare Organisation ist eine Mannschaft, die sich nicht unterkriegen lässt und schnellstmöglich reagiert. Die unschlagbare Organisation benutzt Aha-Erlebnisse, um notwendige interne Veränderungen umzusetzen, weil sie weiß, dass dies die eleganteste Möglichkeit ist. Sie hat insbesondere drei zentrale unternehmerische Aufgaben, den Vertrieb, die Innovation und den Aufkauf anderer Unternehmen als Mannschaftsleistung implementiert.
Unschlagbarkeit bedeutet auch nicht, dass man fortan ohne externe Unterstützung auskommt, sondern dass man alle drei Beratungsformen, Coaching, Training und Consulting, bedarfsgerecht einsetzt. Eine unschlagbare Organisation ist nicht vor Enttäuschung gefeit. Sie erbringt nicht immer alle Resultate, die sie angestrebt hat, aber sie weiß, wie man Resultate erzeugt und an welchen Stellschrauben sie drehen muss, um Veränderungen herbeizuführen.
Viele Unternehmen geraten in Schwierigkeiten. Wenn ich sehe, wie die Menschen in ihren Teams und die Teams untereinander zusammenarbeiten oder eben nicht, wie Konflikte, Missverständnisse, die Zurückhaltung von Informationen und vieles mehr an den Nerven zerren und Energie kosten, bin ich immer wieder motiviert, daran etwas zu ändern. Denn diese Situation führt nicht nur zu mangelnder Freude an der Arbeit und persönlichem Leid, sondern kostet die Unternehmen enorm viel Geld. Die durch ein gemeinsames Wirken erzielbaren Synergieeffekte bleiben größtenteils ungenutzt. Zunehmend ist sogar von destruktiven Strukturen und Dysfunktionalitäten die Rede. Werden diese Krisen nicht bearbeitet, sind ein Death March oder eine Wohlfühloase die Folge. Bei ersterem versucht die Organisation auf Biegen und Brechen, oft auf Kosten der Gesundheit der Mitarbeiter, ihre Ziele zu erreichen. Bei letzterem wiegt sich eine Organisation in Sicherheit und beruhigt sich selbst, ohne auf die drohenden Unwetter am Horizont zu reagieren.
Die meisten Unternehmen sind noch keine Mannschaft und agieren in Extremen. Sie legen zwar richtigerweise sowohl Wert auf das WAS (Leistungen, Erträge etc.) als auch auf das WIE (Teamspirit, Mitarbeiterzufriedenheit etc.), selten aber ausreichend ausbalanciert, wie es eine gute Mannschaft erfordert. Viele Unternehmen übertreiben das WAS und befinden sich...