VORWORT
Wandernd aus dem Schoß der See, den Blick sehnsüchtig auf die Sterne geheftet, machen wir Station auf dieser Erde für eine kurze Zeit des Zugehörens. Die Einheit der vier Elemente ist das, was unsere Existenz in dieser Welt ausmacht und erhält.
Diese schöne Veröffentlichung von Johns ersten vier Büchlein über die Elemente – Luft, Feuer, Stein und Wasser – ist ein erneuter Besuch der Felder, in die er zuerst sein Denken säte. Diese Gedanken-Samen keimten in zwei Richtungen zugleich, wie beim Wachstum eines Baumes. Abwärts und tiefer in den Erdursprung hinein, wo die Tiefe und Weite der Wurzeln die Höhe und Ausdehnung der Äste bestimmten. An diesen Ästen sprossen die Früchte ›Anam Cara‹, ›Echo der Seele‹, ›Vom Reichtum des Lebens‹, ›Echoes of Memory‹, ›Connemara Blues‹ und seine abschließende Schöpfung ›Benedictus‹. Es war so, als hätten diese inspirierenden Bücher, von den Elementen geboren, zuletzt mit der Stimme von ›Benedictus‹ ihren ausdrücklichen Segen ausgesprochen.
Während ich hier in Johns Geburtstal sitze und schreibe, blicke ich in die Landschaft mit Augen, die gegen die Vertrautheit ankämpfen. Ich staune über seine verblüffende Fähigkeit, diese Berge auf jeder Wallfahrt in einem immer neuen, frischen Abenteuergeist zu durchstreifen.
Ich meine, dass es eine schöne Herausforderung ist zu versuchen, unser eigenes Leben und das Leben derer, die wir lieben, mit neuen Augen zu betrachten. Als Lohn winkt die Aussicht, uns am Möglichen weit mehr zu begeistern und uns mit dem Wissen, das uns abgestumpft hat, weit weniger zu langweilen.
Von diesem Tal hier steigen die Berge ringsum mit sanfter Neigung auf zum Horizont. Alles Ebene erscheint stets von Ferne umwölkt und flieht immer vor dem Auge. Die Landschaft dieses Tals steigert sich zu einem Ruf um Aufmerksamkeit. Die Berge scheinen uns aufzufordern, sie zu besteigen. Erreichen wir den Horizont, der nach uns rief, legt uns der Berg einen anderen und dann noch einen anderen vor, als lockte er uns von Mal zu Mal höher in seinen Traum hinein. Wie Hans Georg Gadamer in ›Wahrheit und Methode‹ schreibt, ist
der Horizont […] etwas, in das wir hineinwandern und das mit uns mitwandert.
Nur an der Nordwestflanke des Tals stürzt der Horizont abrupt zur Erde, um den Fluss auf seine letzte Wegstrecke zur See zu leiten. Der Fluss schlängelt sich mit sachter Strömung abwärts durch die Landschaft, als brauche er Zeit, um alle Laute und Momente dieses Tals zu ernten. Dann trägt er sie zurück zur Ewigkeit der See. John benutzte dies oft als Metapher für den Fluss des Lebens - so etwa in seinem schönen Gedicht »Fließend«:
So wie ein Fluss fließt, lebte ich
Für mein Leben gern:
Getragen von dem Wunder
Meines eignen Werdens.
Dieses Tal, in dem John geboren wurde und aufwuchs, war die Muschelschale seiner Seele. Er nannte es immer »ein Privattal mit seinem eigenen Privathimmel«.
Wir wurden in eine Bauernfamilie hineingeboren, und wir lernten unsere ersten Lektionen durch das Medium der Natur. Die liebevollen Leiter unserer Vorschulung waren Eltern und ein Onkel, die sich leichtfüßig und mit behaglichem, natürlichem Schritt durch die Landschaft ihres Alltags bewegten. Es war eine schlichte und doch kostbare Kindheit, in deren Verlauf wir nach und nach erwachten, das ideale Nest für Johns erstaunlichen Intellekt. Die Wechselbeziehung zwischen Landmann und den Elementen war ein Gedicht ohne Worte, dessen Echo stets zu ihm zurückkehrte.
Die Luft konnte für den, der zu wittern verstand, die »Brise des Regens« oder den »Wind der Wärme« mit sich tragen.
Der Stein grub die Erinnerung an ihn tief in die Hände, die ihn meißelten.
Das Feuer war das Leben im Herd, um das sich das Wohnen zentrierte.
Das Wasser stellte sich uns in seiner natürlichsten Form von Bächen und Quellen vor.
Als Kinder wurden wir losgeschickt, einen »Eimer Quelle« zu holen, und unaufhörlich gurgelte der Bach und trug seinen Segen weiter, dorthin, wo er benötigt wurde.
Da der kindliche Geist beginnt, für diese Welt zu erwachen, schließt sich hinter ihm die Pforte zum Ewigen, und die Zeit scheint anfangs langsamer und behutsamer aufzutreten. Die Tage unserer Kindheit erschienen lang, hier in diesem Tal. Es gab keine der modernen technologischen Ablenkungen, die uns aus unseren Tagen hätten herausreißen können. Die Abende führten Nachbarn an unseren Herd, wo Gespräche die Luft erfüllten, Geschichten ihre Neuigkeiten erzählten und den Erinnerungen gestatteten zu tanzen.
Durften wir lang genug aufbleiben, wurden wir dann Zeugen der Planung des nächsten Tagewerks. Dies geschah auf eine Weise, die zwischen dem vergangenen Tag und dem, der kommen würde, eine Kontinuität herstellte. Im Angesicht des Feuers wurde das Bindeglied geschmiedet und geöffnet, um die Fakten eines erlebten Tages mit den Möglichkeiten der nahenden Morgendämmerung zusammenzuführen. Es war so, als ob das Erleben jeden Tages sich über Nacht planend weiterträumte. Es hatte etwas Unschuldiges und Natürliches an sich.
Einem jungen Verstand erschien Arbeit als der Preis, der gern entrichtet wurde für das Privileg, so eng mit der Erde zusammenzuleben. Arbeit war ein echtes Zwiegespräch mit der Landschaft. Sie war kein Missbrauch, keine Plünderung der Landschaft. Es war unglaublich, in diesem Kontext arbeiten zu lernen. Es hieß nie: »Das muss gemacht werden« – stattdessen hörte man, eine bestimmte Arbeit »wolle« gemacht werden. Natürlich kam es gelegentlich auch vor, dass Arbeit zur Plackerei ausartete, aber man lehrte uns, unseren eigenen Arbeitsrhythmus zu finden. Dies bewahrte uns davor weiterzumachen, wenn die Arbeit abstumpfend monoton zu werden drohte oder wenn der innere Bezug zu ihr verloren ging.
Jeden Frühling wurde der Torf gestochen und getrocknet und nach Haus gebracht, damit das Feuer-Element im Herd den Winter über Nahrung hatte. An unserem ersten Tag im Moor sagte man uns immer wieder, wir sollten es langsam angehen lassen und uns nicht überanstrengen. Der praktische Zweck dieser Empfehlung war zu gewährleisten, dass unsere Energie, Arbeitslust und Entschlossenheit die nächsten zwei, drei Wochen vorhalten würden, anstatt sich gleich am ersten Tag restlos zu erschöpfen. Sie gewährte uns außerdem den Raum und die Zeit, unseren eigenen Rhythmus bei dieser bestimmten Art von Arbeit wieder wachzurufen. John schätzte diese Lektionen. In ›Anam Cara‹ sagt er:
Ich war schon immer dankbar dafür, dass mir beigebracht wurde, wie man arbeitet. Seither ist es mir eine Genugtuung, in der Lage zu sein, eines Tages Arbeit zu verrichten. Ich finde es äußerst frustrierend, wenn ein Tag mir entgleitet und ich am Abend das Gefühl habe, dass viele der Möglichkeiten, die in ihm schlummerten, unverwirklicht geblieben sind.
Landschaft war für John etwas Urlebendiges, und je wilder und ungezähmter sie war, desto mehr erfreute er sich an ihr. Er sagte: »Da der Mensch aus der Landschaft hervorgeht, haben wir ein ständiges Bedürfnis nach der körperlichen, sinnlichen, elementaren Wechselwirkung mit der gegebenen Landschaft.«
Als Menschen versuchen wir fortwährend, die Landschaft zu bändigen, und auch wenn wir darin sind, sind wir ständig unterwegs zu einem Anderswo. Nur die Tiere scheinen in der Landschaft gänzlich zu Hause zu sein. Sie legen eindrucksvoll Zeugnis ab von der Stille und dem Schweigen der Landschaft.
Unsere Welt wird zunehmend geschäftiger und geräuschvoller. Wir vertreiben das Schweigen mit einer Vehemenz aus unserem Leben, die den Verdacht erregt, dass wir uns vor dem fürchten, was es uns über uns selbst verraten könnte. Das Schweigen ist die Stimme des Mysteriums. Das Schweigen ermöglicht es uns, wieder zu träumen.
Der Philosoph Blaise Pascal meinte, das ganze Unglück der Menschen komme aus einer einzigen Ursache: nicht ruhig in einem Zimmer bleiben zu können. Tiere können vollkommen ruhig an einem Platz in der Landschaft bleiben und dabei in das sogenannte »Leere« starren, aber wer weiß schon, was ihnen dabei durch den Kopf geht – oder durch das Gemüt!
Als Menschen haben wir alles Mystische für den Intellekt vereinnahmt und das Vorhandensein einer Seele allem, was nicht Mensch ist, abgesprochen.
In den folgenden Essays gibt John der Landschaft ihre eigene naturgegebene Subjektivität zurück. Sie ist etwas, das in seinem eigentümlichen Sosein respektiert, etwas, das in seinem spezifischen Geist angehört und betrachtet werden soll. Achten wir die Landschaft, kann die Interaktion mit ihr uns heilen. Missbrauchen oder schädigen wir sie, kann sie aber auch ihren Schmerz auf uns zurückwerfen. Auf einer tieferen Ebene kann die Landschaft, sofern wir es vermögen, in das Reich der Vorstellung einzudringen, uns tiefer in das Mysterium des »warum wir hier sind« führen. Das Wissen, das sich in der Vorstellung findet, ist ein durch Erkunden, nicht durch vorgegebene Begriffe oder Ideen gewonnenes Wissen. John beschreibt dies im Abschnitt über das »Wasser«:
Die Vorstellungskraft ist immer zur verborgenen Gestalt der Dinge hingezogen. Durch ihre Geduld beschwört sie die Form zur Erscheinung … Sie zielt darauf ab, diejenigen Formen der Wahrnehmung und Möglichkeit zu entdecken, die wir für unsere Reise benötigen. Auf diese Weise ruft sie die Form unserer Identität hervor, wie sie sich durch die Matrix unserer spezifischen Erfahrung abzeichnet.
John kehrte 1990 aus Deutschland in die Heimat zurück und übernahm eine Pfarrei in seiner Diözese Galway. Vier Jahre lang hatte er sich in die deutsche Philosophie vertieft. Während dieser Zeit war es sein...