I. Einleitende Erklärungen
1. Globalisierung
Der Begriff „Globalisierung“ ist zu einem geflügelten Wort geworden, das uns überall be-gegnet. Nicht nur in der politischen, auch in der privaten Diskussion ist die Globalisierung ein bedeutendes Thema. Alles ist global: die Kommunikation, die Kultur, die Wirtschaft, die Politik. Der Fokus der heutigen Zeit liegt nicht mehr nur auf dem nationalstaatlichen Politik-geschehen, sondern immer müssen auch die globalen Auswirkungen bedacht werden - seien es Subventionsmaßnahmen auf bestimmte Güter im eigenen Land, der CO2-Ausstoß einer einheimischen Fabrik, Steuerbelastungen für Unternehmen oder Ähnliches. In jedem Fall muss in Betracht gezogen werden, wie sich das Vorgehen auf die Welt auswirkt oder reziprok, welche Möglichkeiten und Spielräume durch die globale Welt überhaupt gegeben sind.
Unter „Globalisierung“ verstehen die meisten globale Wirtschaftsbeziehungen. Für die einen stellt der damit verbundene weltweite, freie Handel die große Chance für die Verbreitung von Wohlstand dar. Für die anderen ist der Begriff gleichbedeutend mit wachsender Ungleichheit und Ungerechtigkeit auf internationaler Ebene. Recht haben im Grunde sowohl die Kritiker, als auch die Befürworter der Globalisierung. Die Frage ist, welche Kriterien man als Maßstab ansetzt. Kann man steigenden Wohlstand für einen großen Teil verantworten, während ein ebenfalls großer Teil der Weltbevölkerung abgehängt und seinem Elend überlassen wird? Ist es gerecht, dass der Wohlstand bei den Reichen oder besser Gestellten schneller wächst als bei den Ärmeren, die Armen die Reichen also niemals einholen können? Oder sollte man aufgrund dieser Entwicklungen nicht besser versuchen andere Wege zu finden, um die Armut zu überwinden und eine Wohlstandssteigerung vor allem dort zu erreichen, wo sie dringend notwendig ist?
Um diese Frage klären und die Auswirkungen auf die Länder Tansania und die Demokra-tische Republik Kongo betrachten zu können, muss einleitend erläutert werden, was man unter dem Terminus „Globalisierung“ versteht, wer sie lenkt und welche Auswirkungen sie hat. Dies soll in den folgenden Kapiteln geschehen.
1.1 Definition Globalisierung
„Global“ bedeutet übersetzt, die ganze Welt umfassend. Der Begriff Globalisierung ist Mitte der 90er Jahre populär geworden und wurde ursprünglich im ökonomischen Bereich für die Vernetzung der Ökonomien und Finanzmärkte - als Folge der Liberalisierung und Deregu-lierung in diesen Bereichen - verwendet.[3] Seit Mitte der 90er wird er aber für jegliche welt-weite Vernetzung - sei es wirtschaftlich, politisch, sozial oder auch kulturell - gebraucht.
Handel, der über nationalstaatliche Grenzen hinausgeht, aber auch andere politische oder soziale Bindungen zwischen Staaten bzw. Menschen verschiedener Nationen sind in der Geschichte nichts Neues (s. Kap. I - 1.3). Was aber ist an der heutigen Welt anders, dass wir nun von Globalisierung sprechen? Der Unterschied liegt vor allem in der Intensität. Heribert Dieter bezeichnet Globalisierung als „die Zunahme von Volumen und Frequenz des Aus-tausches von Menschen, Gütern, Kapital und Ideen über die Grenzen von Nationalstaaten hinweg.“[4] Und auch Mander und Goldsmith meinen die globale Wirtschaft sei weniger der Form als dem Ausmaß nach neu. Damit spielen sie auf die global gültigen Regeln, die durch die Technologie beschleunigte Entwicklung und die Verlagerung der weltpolitischen Macht an.[5]
Der Begriff Globalisierung beschreibt keinen festen Zustand, sondern eine sich stetig verän-dernde Entwicklung: einen Prozess.[6] Müller und Wallacher sprechen von einem „Prozess einer bisher nicht gekannten Verdichtung und Beschleunigung grenzüberschreitender Interak-tionen, die zu einer alltäglich erfahrbaren Wirklichkeit geworden sind.“[7] Hauptbezugspunkt sind demnach nicht mehr die Nationalstaaten, sondern die Welt als Ganzes bzw. Weltre-gionen.[8] Diese Tatsache scheint aber in die Politik der Staaten noch nicht vorgedrungen zu sein. Joseph Stiglitz spricht davon, dass die ökonomische Globalisierung die politische längst abgehängt habe: „Unsere globale Politikgestaltung verläuft chaotisch und unkoordiniert, statt einer globalen Regierungsgewalt verfügen wir über eine stattliche Reihe von Institutionen und Abkommen, die sich mit einer Vielzahl von Fragen befassen, von der globalen Erwärmung bis zum Welthandel und zum Kapitalverkehr.“[9] Das geringe Vertrauen in die bestehenden Institutionen schreibt er dem Demokratiedefizit zu.[10] Klaus Müller macht ebenfalls auf das Legitimationsdefizit der Globalisierung sowie ihrer Akteure aufmerksam.[11] Die Institutionen bzw. Organisationen sind weder demokratisch gewählt, noch repräsentieren sie ihre Mit-gliedsländer gleichermaßen, wie in Kapitel I - 2 gezeigt werden wird.
Diesem Demokratiedefizit steht die Verbreitung demokratischer Werte gegenüber, für die die Globalisierung und vor allem die wachsende Kommunikationswelt verantwortlich sind. Dies lässt sich an der stetig steigenden Zahl demokratischer Regierungssysteme erkennen. Durch die zunehmende Medialisierung der Welt kommt es außerdem zu einer Verbreitung weiterer westlicher Werte, wie z.B. der Menschenrechte.[12]
1.2 Definition ökonomische Globalisierung
Da sich die vorliegende Arbeit vor allem mit der ökonomischen Globalisierung befassen wird, soll diese nun etwas genauer betrachtet werden. Hier meint der Begriff die wirtschaftliche Verflechtung der Welt: „das Zusammenwachsen von Produktmärkten über nationale Grenzen hinweg und damit (...) eine immer stärkere internationale Produktions- und Handelsver-flechtung.“[13] Auch die gängige OECD-Definition von Globalisierung bezieht sich vor allem auf die ökonomischen Zusammenhänge und spricht von einem „Prozess, durch den Märkte und Produktion in verschiedenen Ländern immer mehr voneinander abhängig werden - dank der Dynamik des Handels mit Gütern und Dienstleistungen und durch die Bewegungen von Kapital und Technologie.“[14] Ein Endzustand dieses Prozesses ist nur theoretisch möglich, da niemals alle Märkte dieser Welt in ihn integriert sein können.[15]
Zu den Rahmenbedingungen der Globalisierung gehören nach Engelhard und Hein ein „for-ciert betriebener Abbau von Handelsschranken, die gestiegene Mobilität von Kapital sowie gewaltige technische Fortschritte in den Bereichen Informationstechnik, Kommunikation und Transport.“[16] Durch die Deregulierung und Liberalisierung der Märkte kommt es zu einer Entgrenzung von Angebot und Nachfrage. Dies führt zu einem intensiveren Wettbewerb und zu einem steigenden Welthandelsvolumen. Engelhard und Hein machen aber auch auf die neuen Begrenzungen aufmerksam, wie z.B. nationale Rückbesinnungstendenzen. Die Deregu-lierung der Kapitalmärkte führt außerdem zu einer verstärkten Mobilität des Kapitals, damit haben die Unternehmen die Möglichkeit zu wählen, wo sie ihr investieren, was wiederum einen erhöhten Standortwettbewerb zwischen den einzelnen Staaten zur Folge hat. Auch die neue Informations- und Kommunikationstechnik, die zu einer „billigeren“ Überwindung räumlicher und zeitlicher Grenzen führt, trägt dazu bei und verstärkt den Prozess der Globa-lisierung.[17]
Aram Ziai definiert die ökonomische Globalisierung ebenfalls als Prozess, in dem durch transnationale Unternehmensverflechtungen und Finanztransaktionen die Volkswirtschaften zusammenwachsen.[18] Auch er erläutert, dass der dadurch erhöhte Konkurrenzdruck für Unter-nehmen und Unternehmensstandorte den globalen Wettbewerb verstärkt. Außerdem betont Ziai, dass der Prozess der ökonomischen Globalisierung keine rein ökonomische Naturgewalt sei, sondern „entscheidende politische Voraussetzungen hatte.“[19] Hier verweist er auf die 1944 in Bretton Woods festgelegte Weltwirtschaftsordnung der Nachkriegszeit. Somit ist die Globalisierung eine politisch gewollte Entwicklung.[20]
Auch Müller und Wallacher - die ebenfalls die Hauptursachen der Globalisierung in dem technologischen Fortschritt im Transport- und Kommunikationsbereich und in der Liberali-sierung der Weltwirtschaft sehen - sind der Meinung, dass diese der Beweis dafür sind, dass es sich um eine politisch gewollte Entwicklung handelt: „Insofern muss man unterscheiden zwischen der Globalisierung als einem Prozess wachsender grenzüberschreitender Verflech-tungen, der in gewisser Weise unumkehrbar sein dürfte, und als einem gewollten Programm, das sich sehr wohl politisch gestalten und teils auch verändern lässt.“[21]
George Soros stellt das freie Kapital in den Vordergrund der Globalisierung, das für ihn noch bedeutender ist als der freie Handel mit Waren und Dienstleistungen: „Die Zinssätze, Wechselkurse und Aktienpreise in verschiedenen Ländern hängen aufs Engste miteinander zusammen, und die...