Nachdem im vorherigen Kapitel bereits potentielle digitale Geschäftsmodelle identifiziert wurden, deren Übertragbarkeit auf den Fußball zu überprüfen ist, soll im Folgenden ein realistisches Bild der Ausgangslage des professionellen Fußballs in Deutschland ermittelt werden. Im Kontext der zunehmenden Digitalisierung sollen mithilfe strategischer Analysen Handlungsbedarfe für Vereine im deutschen Lizenzfußball aufgezeigt werden. Diese zukunftsorientierten Analysen umfassen eine Umwelt- sowie Unternehmensanalyse, die neben Chancen und Risiken auch Stärken und Schwächen eines Unternehmens eruieren. Dabei lässt sich die Umwelt eines Unternehmens mittels der globalen Umweltanalyse sowie der Branchen-, Markt- und Kundenanalyse analysieren. Der Lizenzfußball selbst kann in Form der Geschäftsmodell-, Ressourcen sowie Kompetenzanalyse untersucht werden.[56]
Abbildung 8: Strategische Analyse des Lizenzfußballs in Deutschland
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Dillerup & Stoi, 2013, S. 229
In Abbildung 8 werden die für diese Arbeit modifizierten strategischen Analysen nach Dillerup & Stoi veranschaulicht. Dabei finden die Ressourcen- und Kompetenzanalyse keine Berücksichtigung, da im Gegensatz zum vornehmlich unspezifischen Geschäftsmodell keine übergreifenden Aussagen hinsichtlich vorhandener Ressourcen und Kompetenzen in Fußballvereinen getroffen werden können. Die nachfolgenden strategischen Analysen sollen als Grundlage für die Entwicklung von neuen Online-Geschäftsmodelle sowie die Übertragung von bestehenden Geschäftsmodellen auf den Fußball dienen.
Die globale Umweltanalyse umfasst fünf übergeordnete Faktoren, die Umweltveränderungen für ein Unternehmen oder eine Branche analysieren. Nach Dillerup & Stoi sind politisch-rechtliche, ökonomische, ökologische, gesellschaftliche und technologische Faktoren für die Umwelt von Unternehmen und Branchen von Bedeutung.[57] Diese Faktoren werden allgemein durch das Kriterium der nicht Beeinflussbarkeit charakterisiert.[58] Im Folgenden wird der deutsche Lizenzfußball im Hinblick auf technologische Umweltfaktoren untersucht, die für die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit von besonderer Relevanz sind. Daher finden die Umweltfaktoren Politik und Recht, Ökologie, Ökonomie sowie Gesellschaft keine Berücksichtigung. Als Beispiel für die technologische Komponente der globalen Umweltanalyse ist vor allem das Thema Konnektivität anzuführen. Laut dem Zukunftsinstitut werden diesem Trend unter anderem die Bereiche Big Data, Smart Devices, Augmented Reality, Social Networks sowie die steigende Nutzung des mobilen Internets zugeordnet.[59] Die genannten Bereiche beeinflussen bereits heute partiell den professionellen Fußball in Deutschland:
Big Data: Die Sammlung und Auswertung großer Datenmengen hat sich auch im Fußball etabliert. Mithilfe von drei elektronischen Chips an jedem Spieler werden 50.000 Positionsdaten pro Sekunde generiert, die eine Echtzeit-Analyse bei Spielen und Trainingseinheiten ermöglichen.[60] Die gesammelten Daten zu Spielen und Taktiken der gegnerischen Teams lassen sich in einer App abrufen. Demnach generieren zehn Spieler in zehn Minuten mit drei Bällen sieben Millionen Datenpunkte. Diese Analyse-Software wurde bereits von der deutschen Nationalmannschaft während der Fußball-WM 2014 in Brasilien getestet und ist unter dem Projektnamen „SAP Challenger Insights“ bekannt.[61] Nach der Testphase wurde diese App in die gesamtheitliche Lösung „SAP Sports One“ integriert, die bei der Fußball-EM 2016 erneut zum Einsatz kam und um neue Funktionen erweitert wurde. So ermöglicht die Software „Penalty Insights Function“ eine Vorhersage der fünf Spieler, die mit der größten Wahrscheinlichkeit zum Elfmeterschießen antreten und welche Sektion des Tores die Spieler bei der Ausführung des Elfmeters präferieren. Zudem können von den Torhütern und Trainern entsprechende Videoausschnitte angesehen werden.[62]
Smart Devices: Gegenwärtig sind im professionellen Fußball keine Szenarien bekannt, in denen Smart Glasses bzw. Watches zum Einsatz kommen. Demgegenüber nutzt das amerikanische Basketball-Team der Sacramento Kings die Google Glass zur Berichterstattung bei Heimspielen. Dabei werden Spieler, Cheerleader, Maskottchen und Reporter mit der Datenbrille ausgestattet, sodass Fans die jeweiligen Perspektiven der Probanden über den Videowürfel der Arena verfolgen können. Zudem werden die Aufzeichnungen auch Zuschauern außerhalb der Arena in Form von Live-Streams zur Verfügung gestellt.[63]
Augmented Reality: Augmented Reality bezeichnet die Erweiterung der menschlichen Wahrnehmung um mehrwertige Informationen, die durch das Einblenden von virtuellen Objekten in das reelle Kamerabild erzielt werden. Bereits 2010 kündigte der Chef des japanischen Bewerbungskomitees für die Fußball-WM 2022 an, sämtliche Spiele als 360-Grad-Videos ausstrahlen zu lassen. Über YouTube können diese Videos via Live-Streaming übertragen werden, die dem Zuschauer das Gefühl vermitteln, das Spiel live im Stadion zu verfolgen.[64] Während sich derzeitige der weltweite Absatz von Augmented-Reality-Hardware auf 0,4 Millionen Stück belaufen soll, werden für das Jahr 2020 bereits rund 46 Millionen Stück prognostiziert.[65] Gemäß der Deutschen Bank Research wird sich der Weltmarkt für Augmented Reality bis zum Jahr 2020 von 500 Millionen Euro im Jahr 2015 auf 7,5 Milliarden Euro vervielfachen.[66]
Social Networks: Viele Fußballclubs im Lizenzfußball interagieren heute via Social Networks mit ihren Fans und verwenden Social-Media-Kanäle für den digitalen Markenaufbau. Inzwischen kommunizieren die Vereine über diverse Social Networks, obgleich beispielsweise der FC Schalke 04 bis zum Jahr 2012 über keine eigene Facebook-Seite verfügte.[67] Die aktive Nutzung der relevantesten sozialen Netzwerke durch ausgewählte Profivereine wird in der nachfolgenden Marktanalyse betrachtet.
Mobile First: Die gestiegene mobile Nutzung des Internets stellt eine weitere Entwicklung im E-Business dar, die auch für die Fußballbranche von großer Bedeutung ist. Laut einer Prognose des Marktforschungsinstitutes eMarketer werden in Deutschland im Jahr 2016 rund 48 Millionen Personen das Internet mit einem mobilen Device nutzen.[68] Infolgedessen digitalisieren immer mehr Fußballvereine ihre Arenen und rüsten diese mit der notwendigen Infrastruktur aus, um die Voraussetzung für eine schnelle Internetverbindung zu schaffen. Seit dem 18. April 2015 steht den Fans von Borussia Dortmund bei Heimspielen das kostenlose BVB-WLAN zur Verfügung, das rund 46.000 Menschen den zeitgleichen Abruf von Daten im Internet sowie über die BVB-App ermöglicht.[69]
Die Marktanalyse befasst sich als weiterer Bestandteil der Umweltanalyse mit der Frage, wie attraktiv und dynamisch ein Markt ist. Dabei besteht ein Markt aus Nachfragern, Anbietern sowie Austauschbeziehungen zwischen diesen Parteien.[70] Im Rahmen dieser Arbeit wird der Lizenzfußball in Deutschland als relevanter Markt betrachtet:[71]
Nachfrager: Kunden bzw. Fans fragen Leistungen auf dem Markt nach, um ihren Bedürfnissen nachzukommen. Dabei charakterisieren Anzahl, Beschaffungsvolumen, Verhalten und Preissensibilität die Marktstruktur. Ferner werden sowohl die Wünsche der Zuschauer im Stadion als auch vornehmlich der gesamten Fußballfans untersucht. So kamen in der Saison 2014/15 ca. 18 Millionen Zuschauer in die Stadien der Proficlubs.[72] Des Weiteren interessierten sich bundesweit im Jahr 2015 rund 24 Millionen Menschen im besonderen Maße für die Sportart Fußball.[73]
Anbieter: Unternehmen bzw. Fußballvereine, die Fans Leistungen zum Kauf anbieten, sind als Anbieter zu bezeichnen. Die Vereine stehen auf dem Markt im Wettbewerb zueinander und konkurrieren mit ihrem Kernprodukt, dem Fußballspiel, um die Sympathie der Fans. Insgesamt bilden 36 Profivereine die Gesamtheit der Anbieter im deutschen Lizenzfußball. Dabei werden die 18 Clubs der 1. Bundesliga von weiteren 18 Vereinen der 2. Bundesliga komplettiert.[74] Ungeachtet einer ungleichmäßigen Verteilung der Einnahmen aus der gemeinschaftlichen nationalen TV-Vermarktung zwischen 1. und 2. Bundesliga beinhaltet die Marktanalyse beide Ligen, um den deutschen Lizenzfußball ganzheitlich zu analysieren. Die aktuellen Verträge mit den TV- und Radiosendern veranschlagen für Vereine der 1. Bundesliga 80 Prozent und für Vereine der 2. Bundesliga 20 Prozent der Erlöse.[75]
Austauschbeziehung: Durch die Bedürfnisse der Fans bedingt, kommt es zum Leistungsaustausch zwischen den Proficlubs und weiteren...