Ich habe das Glück, zwei Vorwörter in diesem Buch zu haben, und ich sollte wohl erklären, wie es dazu kam. Die Informationen in diesem Buch sind das Ergebnis meiner Erfahrungen in zwei scheinbar verschiedenen Fachbereichen. Wenn man etwas studiert, ganz egal, was es auch sei … das Leben, Sport, Kunst …, gibt es immer viele Perspektiven und Stile. Ein Schüler hat eine schwierige Aufgabe. Zum Lernen gehören Offenheit, Skepsis und gesunder Menschenverstand. Der Schlüssel ist die Balance. Wenn Sie sieben der weltbesten Maler anstellen, um an einem Werk zu arbeiten, dann wird es immer wie ein Wandgemälde aussehen, ganz egal, wie gut sie sind. Die Alternative ist, sich voll und ganz auf ein System zu konzentrieren. Das wird hervorragend funktionieren, bis man auf einen Umstand trifft, der von diesem speziellen System nicht berücksichtigt werden kann. Gerade Pferde sind Meister im Aufzeigen der Schwächen in jedem System! Wenn Sie mit Pferden zu tun haben, dann liegt das daran, dass Sie, bewusst oder unbewusst, gefordert werden und lernen wollen.
Das Sprichwort: „Wenn der Schüler bereit ist, wird der Lehrer erscheinen“, hat sich in meinem Leben absolut bewahrheitet. Ich hatte das Glück, von einigen Ausnahmelehrern zu lernen. Mir wurde das Geschenk zuteil, zuerst ein vollständiges, erfolgreiches System zu erlernen, und danach ein weiteres, von dem ersten grundverschiedenes vollständiges, erfolgreiches System. Im Nachhinein gesehen ist es die absolut logische Konsequenz, dass ich dieses Material aufschreibe. Dressur und Natural Horsemanship scheinen vielleicht eine merkwürdige Kombination zu sein, aber es ist das, was ich immer getan habe. Ich wusste es nur nicht.
Als ich sieben Jahre alt war, hatte meine Mutter ein Pferd, und sie ließ mich erst dann mit Sattel reiten, als ich es bereits ohne konnte. Als ich 13 war, besaß ich gemeinsam mit meiner besten Freundin Pferde. Wir ritten vorwärts und rückwärts auf dem Pferd sitzend und mit verbundenen Augen. Unser Lehrer ließ uns das Reiten ohne Zügel üben. Später hatte ich das Glück, Anne Gribbons als Lehrerin zu haben. Anne leistet einen großartigen Beitrag zur Dressurreiterei in den USA. Sie bildet aus, züchtet, importiert, unterrichtet, reitet Turniere und richtet. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wurde sie gerade zur Fünf-Sterne-Richterin berufen. Es gibt keine höhere Ehre für Dressurrichter und niemanden, der sie mehr verdient.
Anne tat etwas ganz Besonderes für mich, was ich erst später als Wunder erkannte. Sie nahm ein Kind, das nichts über Dressur wusste, und ein siebenjähriges Pferd, das keine Dressurausbildung hatte, und brachte uns beide bis zum Grand Prix. Sie lehrte mich zu reiten, auszubilden, Turniere zu reiten, zu unterrichten und zu richten. Während dieser Zeit verfolgte ich, wie sie ein Pferd nach dem anderen von null zur Grand-Prix-Reife brachte. Sie erlaubte mir, ihre Pferde zu reiten und mit ihr im Richterhäuschen zu sitzen. Es war ein unglaubliches Geschenk, erfahren zu haben, wie es ist, wenn man ein System hat und es erfolgreich mit demselben Pferd und demselben Lehrer von Anfang bis Ende durchzieht. Ich durfte in ihrem Stall als Lehrerin bleiben, mit meinen eigenen Pferden und Schülern, noch immer unter ihrer Aufsicht. Ich konnte damals die professionelle Seite der Dressur kennenlernen. Ich brachte meine eigenen Pferde und Schüler von null bis in die oberen Klassen und aufs Turnier. Es war dieses starke Bewusstsein für ein erfolgreiches, funktionierendes System, das es mir erlaubte, ein anderes System mit relativ wenig Verwirrung zu erlernen. Ich konnte das Parelli-System wie eine Klarsichtfolie über das meinige legen und sehen, wo sie einander widersprachen, wo Einigkeit herrschte und wo sie beim jeweils anderen die fehlenden Stücke ergänzten.
Ich weiß nicht, was Anne wirklich dachte, als ich ihr sagte, dass ich einige Zeit bei den Parellis verbringen wolle, aber sie hat mir immer gezeigt, dass sie mir und meinen Entscheidungen vertraut, und hat mich genauso unterstützt, wie gute Eltern das tun, wenn ihnen klar wird, dass sie vertrauen müssen, auch wenn sie nicht verstehen.
An meinem ersten Parelli-Lehrgang (mit Fünf-Sterne-Parelli-Premier-Instruktor David Lichman) nahm ich nicht aus den üblichen Gründen teil. Ich hatte weder ein Problempferd noch ein Verladeproblem. Ich war auch nicht unzufrieden mit meinem Training. Ich dachte wirklich nicht, dass ich irgendetwas anders machen müsste. Ich wollte einfach einige neue, nette Tricks für ein Grand-Prix-Pferd lernen, das in Rente gehen sollte. Aber das war der Grund, warum ich am ersten Tag eines Parelli-Level-1-Lehrgangs ganz erschüttert war, als ich feststellte, dass ich Dinge über Pferde lernte, die ich als Berufsreiterin im Elitesport Dressur noch nicht wusste. Ich fühlte mich wie ein Fisch, der sehr gut schwimmen kann, aber jetzt erst bemerkt, dass Wasser existiert. Jetzt musste ich so viel wie möglich über das Wasser lernen. Auf ihre Einladung hin verbrachte ich ein Jahr mit Pat und Linda Parelli, den Leuten, die den Begriff „Natural Horsemanship“ geprägt haben und die mehr als jeder andere auf der Welt dazu beigetragen haben, diesen ins Bewusstsein der allgemeinen Reitergemeinschaft zu rücken.
Es gab während dieses Jahres viele Dinge, die merkwürdig und „falsch“ erschienen. Ich hörte meine Dressurreiterkollegen sagen, dass ich „nicht mehr wirklich Dressur reiten würde“. Die Parelli-Mannschaft war gewarnt worden, dass ich eine Dressurreiterin sei und ihre Vorgehensweise vielleicht nicht „verkraften“ könnte. Ich wusste nicht, ob ich mich wie der klügste Mensch der Welt fühlen sollte oder wie der größte Dummkopf. Mein Herz sagte mir, ich solle weitermachen, und so blieb ich dabei. Es war eine Zeit, in der ich mich in Offenheit und Skepsis üben konnte, da viel von dem, was wir machten, aus meiner Sicht nicht viel Sinn ergab. Ich wusste aber auch, dass ich es nie verstehen würde, wenn ich mit der Einstellung hineinginge, dass es falsch ist. Ich tat also so, als ob es richtig sei, und meistens war es das auch. Ich war immer wieder erstaunt.
Je mehr ich lernte, mit meinen Pferden frei zu spielen, desto mehr fragte ich mich: „Wenn mein Pferd dies mit so guter Bewegungsmechanik anbieten kann, ohne dass ich es überhaupt berühre, warum sollte ich dann beim Reiten jemals eine starke Hilfe anwenden müssen?“
Der Aufenthalt bei den Parellis ließ mich auch über die Zeit nachdenken, die ich mit meinen ersten Pferden verbracht hatte. Das erste Pferd, mit dem ich Dressur ritt (Brave Tom), hatte einen sehr starken Charakter und weigerte sich einfach, jeden Tag Dressurarbeit zu machen. Wenn ich übte, dann übte ich immer mit großer Aufmerksamkeit, aber ich verbrachte auch viel Zeit mit ihm, ohne etwas von ihm zu verlangen. Ich ging viel ins Gelände, und eine meiner Lieblingsbeschäftigungen war es, ihn einfach dahin wandern zu lassen, wo er hingehen wollte. Damals dachte ich, dass es wahrscheinlich „falsch“ ist, aber ich war ein Kind und es machte Spaß. Ich tat es, wenn niemand zusah, und es war ein Geheimnis zwischen meinem Pferd und mir.
Sicherlich hatte ich ausgezeichneten Unterricht, aber nachdem ich so viele Leute und Pferde mit so viel Mühe ausgebildet hatte, fragte ich mich immer wieder: „Wie konnte es sein, dass Tom mir so viel anbot?“ Dieses Pferd war bei der Ankaufsuntersuchung durchgefallen, aber er schaffte Jahr für Jahr das Unmögliche und rettete mich auf dem Turnier, als ich wirklich nicht wusste, was ich tat. Ich lernte erst später, das richtig zu würdigen. Meine Dressurreiterei verbesserte sich im Lauf der Jahre, aber ich wunderte mich, warum ich nie wieder ein Pferd traf, das so großzügig war wie Tom.
Je mehr ich über das Parelli-System lernte, desto „großzügiger“ schienen alle Pferde zu werden. Vielleicht ist das der Grund, warum ich mich so leicht auf das Natural Horsemanship einlassen konnte. Es war weniger ein Lernen als ein Erinnern, ein Wiederzusammenfügen von etwas, das schon ein Teil von mir war, da viele Übungen mich daran erinnerten, was ich mit Brave Tom als Kind getan hatte.
Sie werden vielleicht denken, dass ich verwirrt war, nachdem ich zwei ganz verschiedene Systeme gelernt hatte (und ja, es gab so einen Moment), aber was Sie verstehen müssen, ist, dass die beiden Systeme nicht in zwei diametral entgegengesetzte Richtungen weisen. Sie kommen von entgegengesetzten Standpunkten und weisen auf dasselbe – das Pferd. Sie haben mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede. Ich konzentriere mich auf die gemeinsamen Aspekte, da die Wahrheit immer in der Mitte liegt. Dem Pferd ist es egal, wie wir uns nennen – Natural Horsemen, Dressurreiter, Profis oder Amateure – und es ist ihm auch egal, wie wir das nennen, was wir tun – Dressur oder Natural Horsemanship – es will nur, dass wir es mental, emotional und physisch verstehen. Ich habe ein besseres Verständnis von klassischer Dressur, seitdem ich mich wieder mehr der Natürlichkeit zugewendet habe, und aufgrund meines tieferen Verständnisses seiner Bewegungsmechanik und meines Einflusses auf seine Fähigkeit, mich auf gesunde Weise zu tragen, kann ich meinem Pferd mehr Natürlichkeit erlauben.
Zumindest in ihrer Grundform brauchen Dressur und Natural...