Wenn wir uns zum Vorsatz machen, gefährliche Substanzen auf dem Weg zur Arbeit, im direkten Arbeitsbereich und auch nach der Arbeit zu vermeiden, brauchen wir alle Beteiligten, um unsere Vorhaben und die Planung umzusetzen.
Allerdings – und das wissen wir ja aus anderen Bereichen, muss die Initiative oft von der Führungsebene ausgehen. Die erforderliche Akzeptanz für Neuerungen erreicht man bei den Mitarbeitern aber meist nur, wenn man selbst Vorbild ist, Maßnahmen mit fundierten Argumenten begründen kann und Wege findet, auch Betriebsräte, Sicherheitsingenieure oder Fachkräfte für Arbeitssicherheit zu überzeugen.
Eine weitere Variante wäre die Einführung neuer Abläufe im Bereich der Auszubildenden, da sie dort ohne große Schwierigkeiten realisierbar sind und sich auf die Mitarbeiter des ganzen Unternehmens übertragen.
Natürlich kann die Initiative in der Praxis auch von Betriebsräten oder sonstigen Mitarbeitern ausgehen.
Doch auch dann gilt, dass Vorbildfunktion, stichhaltige Argumente und die Akzeptanz aller Verantwortlichen nötig sind, um erfolgreich sein zu können und funktionierende Maßnahmen gegen Substanzmissbrauch einzuführen.
Bevor Sie sich auf dieses Buch einlassen, möchte ich Ihnen deshalb eine Grafik präsentieren, die Sie quasi als Leitbild verstehen können. Sie können daraus komprimiert sehen, welche wesentlichen Kriterien Sie persönlich überdenken sollten, wenn Sie Ihrer Vorbild- oder Führungsposition, in Bezug auf das Buchthema, gerecht werden und den ersten Schritt in Sachen PRÄVENTION machen wollen.
„Kehre jeder vor seiner eigenen Tür“ ist ein Sprichwort, das hier gut passt. Man sollte nämlich nicht für Dinge eintreten, hinter denen man nicht steht oder schlimmer, dadurch auffallen, dass man selbst durch Substanzmissbrauch bei der Belegschaft bekannt ist.
Deshalb empfehle ich, dass sich jeder Leser Gedanken darüber macht, was er selbst tun könnte, um zum sinnvollen bewussten Umgang mit Medikamenten anzuregen.
Gehört er zur Gruppe derjenigen 3 Millionen Arbeitnehmer, die laut DAK Gesundheitsreport 2015, auf leistungssteigernde Medikamente zugriffen, wird es aus meiner Sicht Zeit, sich selbst intensiver mit dieser Tatsache auseinanderzusetzen.
Überlegen Sie nur, wie oft man gedankenlos Medikamente einnimmt oder an andere weitergibt. Das kann die Pille sein, die die Mutter vor den Augen des Kindes einnimmt. Das kann aber auch das Verhaltensmuster sein, einem Kind, das über Kopfschmerzen klagt, sofort Kopfschmerz-Tabletten anzubieten, ohne über die Ursache der Kopfschmerzen nachzudenken und nur das Ziel zu verfolgen, dass das Kind möglichst schnell in die Schule kommt. Das kann aber auch der leistungsorientierte Sport-Übungsleiter sein, der bereits im Jugendalter seiner Schützlinge beginnt, mit bestimmten Mittelchen die Leistungsfähigkeit zu steigern. Oft genug sind es aber auch Eltern, die mit bestimmten Substanzen die Leistungsfähigkeit des Kindes steigern wollen, damit es das erreicht, was sich die Eltern oft für das eigene Leben gewünscht hatten.
Es kann aber auch die Kopfschmerzpille sein, die ständig eingenommen wird, obwohl ausreichender Schlaf, angemessene Erholungsphasen oder mehr körperliche Betätigung das Problem besser und nachhaltiger lösen könnten.
Natürlich sind wir als Arbeitnehmer alle betroffen, wenn wir Erschöpfungserscheinungen oder beginnende Symptome von Krankheiten nicht beachten und sofort versuchen, mit Medikamenten arbeitsfähig zu bleiben.
Hier liegen oftmals die Anfänge für Abhängigkeits- oder Suchtprobleme, die der Kriminologe Schwind sehr gut in einer Grafik über die Ursachen der Entstehung von Sucht und Abhängigkeit (→)dargestellt hat.
Dabei sind Persönlichkeit (Selbstwertgefühl, Beziehungsfähigkeit, Frustrationstoleranz), die Droge (Griffnähe, Wirkung, Verträglichkeit, Dosis) und das Milieu, also die Einflüsse der Gesellschaft,wichtige Gründe für die Entstehung von Abhängigkeiten und Sucht.
Abb. 1: Quelle: Hans-Dieter Schwind, Kriminologie und Kriminalpolitik, 23. Auflage, Kriminalistik Verlag, 2016
Ich denke, dass man sich die Erkenntnisse von Schwind zunutze machen kann, wenn man Probleme mit dem Thema „Medikamente und Drogen im Arbeitsbereich“ angehen oder vermeiden will.
Um in diesem Zusammenhang auch die immer möglichen straf- und zivilrechtlichen Aspekte zu überdenken, die bei missbräuchlicher Nutzung bestimmter Substanzen über den Nutzern und deren Verantwortlichen schweben können, sollten Sie anhand der Grafik überprüfen, ob Sie Ihre Führungs- oder Vorbildrolle bereits befriedigend ausgefüllt haben oder Sie nachbessern sollten.
Hinweis:
Führungskräfte haben eine Vorbildfunktion und die Fürsorgepflicht gegenüber den Mitarbeitern und dem Betrieb. Deshalb sind Präventionsmaßnahmen zu organisieren, um Substanzmissbrauch zu vermeiden. Werden Substanzen missbraucht oder therapeutisch eingesetzt, die die Arbeitssicherheit beeinträchtigen können, ist zu handeln. Um selbst ein Zeichen zu setzen, beachten Sie folgende Punkte:
Sensibilisieren Sie sich selbst für das Thema Medikamente und Drogen im Arbeitsbereich | | Sensibilisieren Sie auch Ihre Mitarbeiter für das Thema |
Lehnen Sie Substanzmissbrauch konsequent ab. Regeln Sie therapeutisch notwendige Einnahme von Arzneien | | Zeigen Sie bei Missbrauchsverdacht Konsequenz, aber mit dem Schwerpunkt „Hilfeleistung“ |
Überdenken Sie besondere Gefährdungsbereiche und Privilegien in Bezug auf Substanzmissbrauch | | Bauen Sie das Thema Substanzmissbrauch in interdisziplinäre Fortbildungen ein |
Haben Sie all die Punkte selbstkritisch durchdacht, kann es losgehen. Folgen Sie mir auf die Reise durch das Labyrinth der verschiedensten Aspekte von Drogenmissbrauch, Medikamentengebrauch und -missbrauch, die im Arbeitsleben wichtig werden können!
Lassen Sie mich damit beginnen, Ihnen die wichtigsten illegalen Drogen und Medikamente vorzustellen, die aus meiner Erfahrung heraus im Arbeitsbereich vorhanden und beachtenswert sind.
Zusätzlich stelle ich Ihnen die Gruppe der sogenannten LEGAL HIGHS (→) vor, deren rechtlicher Status bis zum Jahreswechsel 2016/2017 sehr problematisch war, obwohl die Stoffe sehr gefährlich sind und sogar immer wieder zu Todesfällen führten. Dabei waren sie bis zur Einführung des Neuen-psychoaktive-Stoffe-Gesetzes (= NpSG – Gesetzestext siehe Anhang S. 292) teilweise frei zu kaufen. Erst als eindeutig nachgewiesen war, dass Stoffe in den berauschenden Kräutermischungen und Badesalzen enthalten waren, die dem Betäubungsmittelgesetz unterstellt sind, gab es Handlungsansätze für Polizei und Staatsanwaltschaft.
Sie können nichts mit dem Begriff LEGAL HIGHS anfangen? Nun, ein Grund mehr, sich einzulesen und das nötige Grundwissen zu erlangen. Denn LEGAL HIGHS in Form von SPICE (→), Badesalzen und anderen Gegenständen des täglichen Bedarfs sind nicht nur im Arbeitsbereich, sondern auch an den Schulen und Universitäten anzutreffen. Es kann deshalb nicht schaden, etwas über diese Stoffe zu erfahren.
Um gleich einen Irrtum auszuräumen. Auch der Besitz von geringen Mengen illegaler Drogen, die dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) unterstellt sind, stellt schon ein Vergehen dar, das verfolgt werden muss (Drogenanhaftungen an einer Haschischpfeife). Die Annahme, dass es gesetzlich festgelegte Höchstmengen für Drogen gibt, die für den Eigenverbrauch bestimmt sind und deren Besitz dadurch straffrei wäre, ist falsch und gefährlich. Wird ein Verstoß nach dem BtMG angezeigt, sind die Strafverfolgungsbehörden außerdem verpflichtet, andere Behörden, wie die Fahrerlaubnisbehörden (§ 2 StVG) oder die Gesundheitsämter, von den Verfehlungen zu informieren, was dann zu Überprüfungen der Fahrtauglichkeit oder gar zum Entzug einer erteilten Fahrerlaubnis führen kann. Die Weitergabe der Anzeige wegen Verstoßes gegen das BtMG an die zuständige Staatsanwaltschaft hat in jedem Fall zu erfolgen.
Die unterschiedliche Praxis der Strafverfolgungsbehörden der einzelnen Bundesländer, kleinere Drogenverstöße zu ahnden oder das Ermittlungsverfahren einzustellen, hat nichts mit der grundsätzlichen Strafbarkeit nach dem BtMG und den Folgen, wie Mitteilungen an die Fahrerlaubnisbehörden, zu tun.
So ist es in Niedersachsen gängige Praxis, keine...