1 Drug, Set und Setting
Es gibt kein Patentrezept, wie man am Wochenende gut draufkommt. Aber soviel ist klar: Wenn jemand sich nicht in guter Verfassung fühlt, helfen auch keine Drogen, da die meisten Drogen, die aus Lust oder zum Spaß eingenommen werden, vor allem die positiven und negativen Stimmungen, die jemand schon vor der Drogeneinnahme in sich hat, verstärken. Die Wirkung, die jemand nach dem Drogenkonsum wahrnimmt, und die Risikofaktoren, die dabei die Wahrscheinlichkeit von störenden Effekten erhöhen könnten, sind bei weitem nicht nur von der Dosierung und der Kombination (Mischung) der konsumierten Substanzen abhängig. Vor allem die individuelle Erwartungshaltung, die körperlichen Verfassung, die seelische Gemütslage und die allgemeine Stimmung sind maßgeblich für die Wahrnehmung der Drogenwirkung von Bedeutung. Auch die persönliche Vorbereitung auf die Drogeneinnahme wie auch die allgemeine Atmosphäre, von der man umgeben ist, sind von ausschlaggebender Bedeutung für den Verlauf der Drogenwirkung.
Die drei Begriffe Drug, Set und Setting zur Beschreibung therapeutischer und ritueller Drogensitzungen wurden in den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts von Timothy Leary, damals Psychologieprofessor an der Harvard University, eingeführt.1 Der Begriff Set bezieht sich auf das, was jemand in die Situation einbringt: Erinnerungen, Lernfähigkeit, Temperament, emotionales, ethisches und rationales Wertesystem und vor allem die Erwartungshaltung an die Drogenerfahrung. Das Setting bezieht sich auf das soziale, räumliche und emotionelle Umfeld, von dem jemand vor, während und nach dem Drogengebrauch umgeben ist. Der wichtigste Aspekt des Settings ist jedoch das Verhalten, das Verständnis und das Einfühlungsvermögen der Person oder der Personen, welche die Drogen zu bestimmten Anlässen für andere mitbringen und anderen überreichen. Informationen zu den allgemeinen Eigenschaften der Drogen (Drug), das heißt die rein substanzbezogenen Informationen, können aus Büchern, Broschüren und diversen Internetpublikationen entnommen werden. Demgegenüber entziehen sich die interagierenden Faktoren der inneren Bereitschaft (Set) und der äußeren Umstände (Setting) einer normierten Betrachtungsweise.
Wer sich genügend Zeit für einzelne Drogenerfahrungen nimmt, sich zudem auch genügend Zeit für die Phase danach gönnt und insbesondere zwischen den einzelnen Drogenerfahrungen genügend Zeit verstreichen lässt, der hat mehr von seinem Drogengenuss!
1.1 Drug – Wirkstoff(e) und Dosierung(en)
Der Begriff Droge wird fälschlicherweise häufig mit dem Begriff Rauschgift gleichgesetzt, obwohl viele bekannte Drogen weder einen Rausch verursachen noch besonders giftig sind. Gemäß dem ursprünglichen Sinn des Wortes ist eine Droge eine als Heilmittel verwendete pflanzliche Substanz.
Eine Substanz ist etwas Stoffliches, woraus etwas besteht. Das heißt, dass man unter Substanz den chemischen Grundbestand versteht, also die naturwissenschaftlich begründete, zweckfreie Aussage über die chemische Zusammensetzung eines Stoffes. Ein Mittel ist etwas, was die Erreichung eines Zieles ermöglicht. Das bedeutet, dass ein Mittel etwas ist, was der Erreichung eines Zweckes dient. Substanz ist die zweckfreie Aussage über etwas (zum Beispiel einen Stoff), ein Mittel ist die soziale oder individuelle Interpretation des Zwecks der Substanz beziehungsweise des Zwecks der Einnahme der Substanz. Schreibt man also einer Substanz einen bestimmten Zweck zu, so wird die Substanz zum Mittel. [Siehe auch Kapitel 4 DrogenGenussKultur]
Ein ähnliches Verhältnis existiert in der Pharmakologie und in der Toxikologie zwischen den Begriffen Stoff und Arzneimittel. Gemäß dem deutschen Arzneimittelgesetz (§ 3 AMG) sind Stoffe: „1. Chemische Elemente und chemische Verbindungen sowie deren natürlich vorkommende Gemische und Lösungen, 2. Pflanzen, Pflanzenteile, Pflanzenbestandteile, Algen, Pilze und Flechten in bearbeitetem und unbearbeitetem Zustand, 3. Tierkörper, auch lebende Tiere, sowie Körperteile, -bestandteile und Stoffwechselprodukte von Mensch und Tier in bearbeitetem und unbearbeitetem Zustand, 4. Mikroorganismen einschließlich Viren sowie deren Bestandteile oder Stoffwechselprodukte.“ 2
Die nächste Kategorie ist sodann der immer noch neutral definierte Begriff des Wirkstoffes, der lediglich bestimmt, dass Stoffe nach der Aufnahme in den Organismus Wirkungen entfalten, wobei die Art der Wirkung und deren Bedeutung für die Gesundheit ohne Belang sind.
Mit dem Zusatz Arznei werden Stoffe zu Arzneistoffen, die dann „zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind.“ Arzneistoffe werden zu Arzneimitteln dadurch, dass sie „dazu bestimmt sind, Krankheiten bei Mensch und Tier zu heilen, zu lindern, zu erkennen oder zu verhindern.“ 3 Der Stoff wird durch seine konkrete Zweckbestimmung zum Mittel.
Nach diesen Definitionen sind Drogen in jedem Fall Stoffe und zugleich auch Wirkstoffe. Zudem sind viele Drogen Arzneistoffe, viele davon auch Arzneimittel (Medikamente). Zahlreiche Drogen werden auch als Genussmittel und/oder Rauschmittel genutzt. Gemäß Betäubungsmittelgesetz sind alle illegalen Drogen Betäubungsmittel. Der Fachbegriff für Betäubungsmittel, Anästhetikum, ist als Negation zum Begriff Ästhetik gebildet worden. Der Begriff Ästhetik kommt von griechisch aisthéstai „fühlen, empfinden und wahrnehmen“, respektive von aisthétikós „zum Wahrnehmen fähig“. Der Begriff Anästhetikum von griechisch anaisthétikós bedeutet nicht fühlbar, nicht empfindbar und nicht wahrnehmbar. LSD verstärkt beispielsweise die Empfindungsfähigkeit für das sinnlich wahrnehmbar Schöne (Ästhetische) und hat eine starke Wesensverwandtschaft mit der Eigenschaft zu erhöhter Feinfühligkeit und Empfindsamkeit, also etwas, das ein sensibles und gut funktionierendes Nervensystem voraussetzt. LSD bewirkt somit haargenau das Gegenteil von dem, was man von einem Betäubungsmittel (Anästhetikum) erwartet: Minderung oder Ausschaltung der sensorischen Feinfühligkeit. Es ist wahrlich absurd, eine Substanz wie LSD als Betäubungsmittel zu klassifizieren.4
Bemerkenswert erscheint hier die Tatsache, dass einzig und allein die amtliche Zuordnung von LSD zu den Betäubungsmitteln als absurd bewertet werden kann, da alle anderen Zuordnungsmöglichkeiten Sinn machen: LSD ist eine Substanz gemäß Definition im Duden5, LSD ist ein Mittel gemäß Definition im Duden6, LSD ist ein Stoff gemäß § 3 AMG7, LSD ist ein Wirkstoff gemäß Definition im Medizinischen Wörterbuch Pschyrembel8, LSD ist ein Arzneistoff, da LSD lange Zeit als Arzneimittel zugelassen war und auch heute noch in speziellen Programmen wie beispielsweise in der psycholytischen Therapie eingesetzt wird.9
Die als Drogen bezeichneten Wirkstoffe verändern in sehr unterschiedlicher Art und Weise unsere Wahrnehmung, unsere Empfindung, unser Lustgefühl, unseren Wachheitsgrad, unsere Impulsivität, unser Konzentrationsvermögen und vieles andere mehr. Erwähnenswert zum näheren Verständnis sind die
Antidepressiva: | Stimmungsaufheller |
Aphrodisiaka: | Mittel zur Steigerung der Liebeslust, sexuell anregend |
Empathogene: | Mittel zur Verstärkung der Empfindsamkeit, Kommunikationsmittel |
Entaktogene: | Mittel zur Verstärkung der inneren Gefühle, emotional anregend |
Entheogene: | Mittel, die das Göttliche in einem erwecken |
Euphorika: | Stimmungsaufheller, Glücksdrogen |
Halluzinogene: | Mittel zur Erzeugung von Erscheinungen |
Psychedelika: | Mittel zur Erhellung der Seele |
Psychostimulanzien: | Anregungsmittel, Aufputschmittel |
Sedativa: | Entspannungsmittel |
Dass die Wirkung einer Substanz von ihrer Dosierung abhängt, ist eine ebenso simple...