DIE BASIS:
DAS FUNDAMENT FÜR LEISTUNG UND GESUNDHEIT
Ausreichend Nahrung ist essenziell
Wenn man Sport treibt, brauchen die Muskeln Brennstoff, um immer wieder aktiv zu werden, und Baustoffe, damit sie sich von dieser Tätigkeit erholen können. Deshalb ist es für eine optimale Leistung und Regeneration, zur Vorbeugung eines Verlusts von Muskelmasse und -kraft, von Ermüdungserscheinungen, Konzentrationsverlust und Nährstoffmangel sowie für einen ausgeglichenen Hormonhaushalt und ein funktionierendes Immunsystem unerlässlich, ausreichend Nahrung aufzunehmen (1). Ein Radprofi braucht am Tag einer Tour-de-France-Etappe mindestens drei- bis viermal so viel Kalorien wie ein Nichtsportler (2, 3). Natürlich befindet sich ein Radrennfahrer, der mehrere steile Berge bewältigen muss, in einer Extremsituation. Wer nicht so oft und intensiv Sport treibt, braucht nicht so viel mehr Kalorien als ein Nichtsportler. Zu wenig Energie kann aber auch ihm schaden. Zu uns kam mal eine Fußballspielerin, die zu wenig aß. Als Angreiferin musste sie oft schnell sprinten. Da ihr zu wenig Energie zur Verfügung stand, hielt sie das nicht lange durch. Die Folge? Sie verlor ein paarmal den Ball, brauchte Zeit, um sich nach einem Angriff zu erholen, und nach der ersten Spielhälfte nahm ihr Trainer sie vom Platz. Es ist also für jeden Sportler, der regelmäßig und/oder intensiv Sport treibt, wichtig zu wissen, wie viel Energie er benötigt.
DAS RICHTIGE GLEICHGEWICHT
Führt man seinem Körper über die Nahrung genauso viel Energie zu, wie man für seine täglichen Aktivitäten, inklusive Sport, verbraucht, ist man im Energiegleichgewicht. Es ist nicht immer leicht, dieses Gleichgewicht zu finden, erst recht nicht, wenn man Wettkampfsport betreibt. Dabei muss man sich auf so unterschiedliche Situationen wie Wettkampfsaison, Ruhephasen, intensive Trainingsperioden oder Verletzungspausen einstellen. Wie viel Energie der Körper benötigt und wie viel man ihm zuführt, kann unter Umständen beträchtlich voneinander abweichen. Wird mehr Energie zugeführt, als man verbraucht, ist die Energiebilanz positiv; wird weniger Energie zugeführt, ist sie negativ. Ob eine Gewichtszunahme oder -abnahme vorteilhaft ist, hängt vom jeweiligen Ziel ab. Ein Kraftsportler, für den es leistungsförderlich ist, wenn er an (Muskel-)Masse zulegt, will nicht abnehmen. Ein Triathlet dagegen ist wenig daran interessiert, zusätzliche Kilos beim Wettkampf mitschleppen zu müssen. Wer verletzt ist, läuft Gefahr, durch eine positive Energiebilanz zuzunehmen (4, 5). Denn viele Sportler essen während einer Verletzungspause oder in Ruhephasen genauso viel oder aus Langeweile sogar mehr als in trainingsintensiven Zeiten, obwohl ihr Körper jetzt weniger Energie benötigt. Tipps, wie man sein Ernährungsmuster in solchen Phasen am besten anpasst, finden sich auf Seite 162. Ist eine Gewichtsabnahme erwünscht oder ein Sportler verletzt, ist es besonders wichtig, genügend Eiweiße zu sich zu nehmen, damit Muskelmasse und Kraft erhalten bleiben (4). Mehr hierzu auf Seite 162.
FORTGESCHRITTENE
ATP, DIE ULTIMATIVE ENERGIE-QUELLE FÜR DIE ERSTEN SEKUNDEN
Ehe der Körper aus der Nahrung Energie, das heißt Kohlenhydrate, Fette und in begrenztem Maße Eiweiße, bereitstellen kann, muss diese in den Körperzellen erst in das Molekül Adenosintriphosphat (ATP) umgewandelt werden. ATP ist eine superschnelle Brennstoffquelle. Leider steht davon nur ein Minivorrat direkt zur Verfügung, der bereits nach einigen Sekunden maximaler Belastung aufgebraucht ist (6). Deshalb muss der Körper ATP immer wieder neu herstellen. Dafür stehen verschiedene Systeme zur Verfügung, die alle unterschiedliche Eigenschaften haben. Welches System der Körper wählt, hängt von der Belastungsintensität ab. Während eines zweistündigen Dauerlaufs mit geringer Intensität schaltet der Körper vornehmlich das aerobe Energiesystem ein, bei dem Energie unter Sauerstoffverbrauch freigesetzt wird. Wegen der geringen Belastungsintensität muss der Körper das ATP nicht besonders schnell herstellen. Die Mitochondrien, das heißt die kleinen Energiefabriken, die sich in allen Körperzellen befinden, haben so genügend Zeit, mithilfe von Sauerstoff Fette und Kohlenhydrate in ATP umzuwandeln. Denn es dauert eine Weile, bis der eingeatmete Sauerstoff über die Blutbahn an die Muskeln weitergeleitet worden ist und dort dazu benutzt werden kann, Energie freizusetzen. Bei einem 100-m-Sprint verhält es sich ganz anders. Hier ist die Belastungsintensität so hoch, dass der Körper keine Zeit hat, Sauerstoff zur Herstellung von ATP zu verwenden. Zum Glück verfügt der Körper noch über das Kreatinphosphatsystem (ATP-KP-System), das ATP blitzschnell herstellen kann. Dieses anaerobe System, bei dem Energie ohne Sauerstoffverbrauch freigesetzt wird, kann eine explosive Belastung bis zu etwa 10 Sekunden verlängern – genug Zeit, um das Ziel eines 100-m-Sprints zu erreichen. Da hier kein Sauerstoff benötigt wird, kann der Körper das System schnell einschalten. Darüber hinaus gibt es noch das anaerob-laktische System, das die Hauptrolle bei Maximalbelastungen zwischen 10 Sekunden und circa zwei Minuten spielt. Man denke dabei zum Beispiel an ein 1.000-m-Zeitfahren, ein 100-m-Rennen im Schwimmsport oder einen 400-m-Lauf (7). Beim anaeroblaktischen System wandelt der Körper Kohlenhydrate ohne Sauerstoff in ATP um. Das geht zwar schneller als mit Sauerstoff, hat jedoch den Nachteil, dass der Körper Laktat (Milchsäure) bildet. Laktat ist ein Stoffwechselzwischenprodukt, das der Körper mithilfe von Sauerstoff wieder in Kohlenhydrate umwandeln kann.
ABB. 2: DIE DREI ENERGIESYSTEME UND IHRE AUFGABEN
Je mehr Laktat vorhanden ist, desto mühsamer arbeitet die Muskulatur. Die hohe Belastungsintensität und die Laktatbildung sorgen dafür, dass eine Aktivität nur wenige Minuten durchgehalten werden kann. Danach schreit die Muskulatur nach Sauerstoff, damit sie das Laktat wieder in Kohlenhydrate umwandeln kann. Wer einmal sechs Treppen hintereinander hochgelaufen ist, kennt in etwa das Gefühl, das viele Sportler Übersäuerung nennen.
Jedes der drei Energiesysteme besitzt also unterschiedliche Fähigkeiten und Aufgaben. Während das aerobe System ein geringes Leistungsvermögen hat, aber lange arbeiten kann, ist es bei den anaeroben Systemen umgekehrt. Bei fast allen Belastungen arbeiten die drei Energiesysteme in unterschiedlichen Prozentsätzen zusammen. Der Körper schaltet also nicht zuerst die Systeme mit einem begrenzten Leistungsvermögen ein, ehe er auf das nächste System umschaltet. Die Art der Belastung, ihre Dauer und der damit verbundene Energiebedarf bestimmen das dominante Energiesystem. Mit der Ernährung lässt sich das nicht oder kaum beeinflussen. Für eine optimale Sporternährung sollte man jedoch wissen, welches Energiesystem bei einer bestimmten Belastung vornehmlich benutzt wird. So braucht man bei einem 100-m-Sprint beispielsweise weniger Energie – und demzufolge weniger Kohlenhydrate und Fette – als bei einer sechsstündigen Ausfahrt mit dem Rad.
AUF WELCHE ENERGIESYSTEME GREIFT XAVI WÄHREND EINES WETTKAMPFS ZURÜCK?
Xavi ist Mitglied in einem Leichtathletikverein. Dort trainiert er dreimal wöchentlich für die Mittelstrecken. Am liebsten läuft er die 1.500 m. Seine persönliche Bestzeit auf dieser Distanz beträgt 4:02 min, das entspricht mehr als 22 km/h. Damit gehört Xavi zwar nicht zur Weltspitze, aber auf nationalem Niveau kann er prima mithalten. Während eines 1.500-m-Laufs schaltet sein Körper alle Energiesysteme ein. Um sich aus dem Gedränge herauszuhalten, zieht Xavi beim Start kurz an. Hierbei ist das ATP-KP-System nützlich. Anschließend läuft er eine Weile in demselben Tempo. Dabei greift sein Körper auf das aerobe und das anaerob-laktische System zurück, da die Belastungsintensität viel zu hoch ist, um nur mit Sauerstoff Energie zu produzieren. Das würde ja auch Zeit kosten, und Xavi will so schnell wie möglich das Ziel erreichen. Die letzten 200 m setzt Xavi zum Endspurt an, bei dem hauptsächlich das anaerob-laktische System arbeitet. Da Xavis Körper während des Rennens hauptsächlich auf das anaerobe System zurückgreift, sind Kohlenhydrate für ihn eine wichtige Brennstoffquelle. Drei große Nudelportionen wären allerdings übertrieben, denn ein 1.500-m-Lauf ist keine langzeitige, intensive Belastung. Eine kohlenhydratreiche Mahlzeit (z. B. das Thai-Curry mit Huhn auf Seite 121) 2-3 Stunden vor dem Rennen spendet mehr als genug Energie für den gesamten Lauf einschließlich Warm-up.
AUF WELCHE ENERGIESYSTEME GREIFT KAI WÄHREND EINES TRAININGS ZURÜCK?
Kai will endlich wieder fit werden. Deshalb hat er gerade mit dem Lauftraining angefangen. Zwei- bis dreimal pro Woche...