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Eduard F. Pulvermann 1882-1944

Geschichte eines Hamburger Kaufmanns und Reiters

AutorJoachim Winkelmann
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl180 Seiten
ISBN9783741220692
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Eduard F. Pulvermann, 1882 in Hamburg geboren, war ein international tätiger Kaufmann und der Gründer des Deutschen Springderbys. Er wurde ein Opfer des Nationalsozialismus. Sein Leben lässt sich ohne Kenntnis seiner Familiengeschichte und der Zeitenläufe der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ebenso wenig verstehen, wie sein leidvolles Sterben 1944. Die erste Auflage der biographischen Notizen ist vergriffen. Aufgrund von Akten und Dokumenten, die dem Verfasser inzwischen zur Verfügung stehen, können in der zweiten, gründlich überarbeiteten und erweiterten Auflage einige Lebensabschnitte klarer dargestellt werden, insbesondere die Umstände der Verhaftung durch die Gestapo und die Zeiten im Untersuchungsgefängnis und im KZ-Lager.

Dr. Joachim Winkelmann lebt in Hamburg. Seit 2006 erinnert er in Veröffentlichungen und Vorträgen an die Hamburger Kaufleute Eduard F. Pulvermann und Max James Emden und an das Unrecht, das ihnen während der NS-Zeit widerfahren ist.

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Leseprobe

FAMILIENGESCHICHTE


Der Urgroßvater Abraham Pulvermann, Repräsentant der israelitischen Gemeinde zu Ostrowo, 1845

Eduard F. Pulvermann wurde 1882 als Sohn christlicher Eltern in Hamburg geboren und evangelisch-lutherisch erzogen. Die väterlichen jüdischen Großeltern lebten in der preußischen Provinz Posen, die mütterlichen katholischen stammten aus Österreich. Er war Offizier im Ersten Weltkrieg, Verteidiger nationalkonservativer Werte, passionierter Reiter und Pferdezüchter, Gutsherr und Kirchenpatron, Rinder- und Schweinezüchter, Fabrikant, internationaler Kaufmann, liebevoller Familienvater und Opa Pu.

Eduard Pulvermann wurde ein Opfer des Nationalsozialismus. Sein Leben läßt sich ohne Kenntnis seiner Familiengeschichte und der Zeitenläufte der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts ebenso wenig verstehen wie sein leidvolles Sterben 1944.

Der Vater


Das Hamburger Fremdenblatt berichtet am 30. November 1912 über die Trauerfeier für Herrn Albert Pulvermann auf dem Ohlsdorfer Friedhof in Hamburg.

»Herr Hauptpastor Dr. Rode [hielt] eine warmherzige Gedächtnisrede, der er den Text unterlegte: ›Selig sind die Knechte, die der Herr, wenn er kommt, wachend findet‹. Redner führte dabei aus, daß der Name des Entschlafenen genannt und treu befunden sei diesseits und jenseits des Weltmeeres. Unermüdlich und mit großer Pflichttreue habe er in dem erwähnten Berufe des Kaufmanns gewirkt und reiche Erfolge geerntet. Redner wandte sich dann mit Trostworten an die Familie und sprach Gebet und Segen. Mit dem Vortrage des Chorals: ›Ach bleib mit Deiner Gnade‹ schloß die Feier«.

Eduard Pulvermanns Vater wurde am 27. Oktober 1850 als Sohn des jüdischen Kaufmanns und Destillateurs Moritz Pulvermann und seiner Frau Sophie, geb. Jaffe, in Ostrowo geboren. Die Ackerbürgerstadt im südlichen Zipfel der preußischen Provinz Posen ist eine preußische Vorzeigestadt, eine geographische Meile, 7,5 km, westlich von Kalisch im russischen Kongreßpolen. Von den damals 6 000 Einwohnern sind je ein Drittel Deutsche, Polen und Juden. Die Provinz Posen ist Heimat für etwa die Hälfte aller Juden in Preußen. »Zwischen den Bauern und dem Edelmann stehen in Polen die Juden und können füglich der Dritte Stand Polens genannt werden«2. Aufgrund der königlichen »Verordnung wegen des Judenwesens im Großherzogthum Posen«3 erhalten 1834 etwa 5 000 der 80 000 hier lebenden Juden die preußische Staatsbürgerschaft. Zu den Erfordernissen für die Naturalisation zählen u.a. »die Verpflichtung, sich in allen öffentlichen Angelegenheiten der deutschen Sprache zu bedienen, ein ständiger Wohnsitz seit 1815 und ein namhaftes stehendes Gewerbe, um sich und der Familie den hinreichenden Unterhalt zu sichern«4. Zu den »154 jüdischen Hausvätern«, die in Ostrowo naturalisiert werden, gehört auch der Kaufmann Abraham Pulvermann, Eduard Pulvermanns Urgroßvater. Während auch Jahrzehnte später »der größere Teil der Bevölkerung noch immer keine Lust bezeigt, etwas anderes zu sein als polnisch«, sind Kultur und Sprache der wohlhabenden Posener Juden deutsch. Zu den wohlhabenden und gut etablierten Juden zählen die Familien Pulvermann, Jaffe und Landé. In seiner Kulturgeschichte der Posener Juden schreibt Jacob Jacobsen, daß »die Juden Südpreußens wirkliches kaufmännisches und gewerbliches Bürgertum repräsentieren – in den kleinen Ackerstädten sogar mit Ausschließlichkeit. Waren sie doch die Pächter der adligen Brennereien und Brauereien und der Wirtshäuser«5.

Abrahams Sohn Moritz, Eduard Pulvermanns Großvater, übt in der Mitte des 19. Jahrhunderts zwei typische Berufe der Juden in der Provinz Posen aus: Er ist Kaufmann und Destillateur. Trotz der Einbürgerung der wohlhabenden Juden und der Erleichterungen durch die allgemeine preußische Gewerbeordnung von 1845 verschlechtert sich die wirtschaftliche Lage der Juden in der Provinz Posen in den folgenden Jahren. Hohe Steuern auf beispielsweise koscheres Fleisch und Sabbatkerzen belasten die jüdische Bevölkerung ebenso wie pogromartige Ausschreitungen nach den Mißernten in den Jahren 1847/48 und der gescheiterten 1848er Revolution. Ungeachtet dessen baut die jüdische Gemeinde nach den Plänen des aus Ostrowo stammenden Moritz Landé6 eine neue Synagoge im byzantinisch-maurischen Stil, die 1860 eingeweiht wird. Für die Einrichtung stiften u.a. die Familien Landé und Pulvermann. Anläßlich der Grundsteinlegung schreibt das Jüdische Volksblatt Nr. 27/1857 »Wir können nicht unterlassen, die Bemerkung zu knüpfen, daß Ostrowo zu den größten und intelligentesten Gemeinden der Provinz gehört, fünf Wohltätigkeitsvereine aufzuweisen hat und in eigenem Gebäude eine vierklassige Elementarschule«. Diese Schule besuchen auch Albert und Martin, Söhne des Destillateurs Moritz Pulvermann.

Synagoge in Ostrowo

Bis 1870 verlassen über 30 000 Juden die Provinz in Richtung Westen. Viele wandern über die Häfen in Hamburg oder Bremen im Zwischendeck nach Übersee aus7. Nach Beendigung seiner Lehrzeit verläßt auch Albert Pulvermann seine Heimat. Es handelt sich wohl um eine gut überlegte Auswanderung im Hinblick auf die wirtschaftliche Zukunft des jungen Mannes. Durch die enorme Produktion von Kartoffelspiritus ist es in Preußen zu einem dramatischen Verfall der Preise gekommen, auch der Preise für den höherwertigen Kornbranntwein8. Die Geschäfte des Vaters werden dadurch in Mitleidenschaft gezogen. Moritz Pulvermann und seine Frau Sophie, geb. Jaffe, sind vor 1880 gestorben.

Albert Pulvermann reist am 7. November 1871 als »Kaufmann aus Ostrowo«9 in der ersten Kajüte des Postdampfschiffs Humboldt der Stettin-Amerikanischen-Dampfschiff-fahrts-Actien-Gesellschaft (Baltischer Lloyd) von Stettin über Kopenhagen nach New York, wo das Schiff am 2. Dezember eintrifft10. Er tritt als »office boy« in die Firma des John Markt ein. Dieser Schritt markiert den Beginn einer drei Generationen währenden Verbindung der Pulvermanns mit dem Handelshaus Markt & Co.

Die Mutter


Am 5. Februar 1860 wird in der Old St. Mary’s Church in Milwaukee die »legitime Tochter des Joannis Markt et Louisa Vintschka«11 auf den Namen Anna Franziska getauft. Patin und Namensgeberin ist Anna Vintschger, wohl eine Schwester der Mutter. Die Eltern, der 1824 in Ried im Innkreis geborene Johann Xaver Markt und sein Frau Louise, die Tochter des Freiherrn Eduard von Vintschger, sind 1857 von Wien nach Milwaukee ausgewandert. Besonders durch deutsche Einwanderer verdoppelt sich die Einwohnerzahl der 1846 gegründeten Stadt im Staat Wisconsin von 1850 bis 1860 auf 45 000. Milwaukee ist katholischer Bischofssitz, hat eine Beethovengesellschaft und Sängerbundfeste. 1857 ist Johann, der sich jetzt John Markt nennt, beim Milwaukee Count District als »book keeper« bei dem Juwelier A. B. van Cott registriert. Der United States Census 1860 führt ihn als »Cigar Dealer«12 mit seiner 25jährigen Ehefrau Louise, dem zweijährigen Edward und der am 15. Januar 1860 geborenen Tochter Anna Franziska unter der Adresse 7 Milwaukee Ward. Nach mündlicher Überlieferung hat John Markt in Milwaukee die Firma Markt & Richards gegründet, deren Existenz nicht schriftlich belegt ist. 1860 zieht Markt mit seiner Familie nach Hoboken, in die 1855 zur Stadt erhobene Siedlung am Westufer des Hudson River, gegenüber von New York. Wie Milwaukee ist Hoboken bis zum Ersten Weltkrieg eine überwiegend deutsche Stadt. Die Piers, an denen die Schiffe des Norddeutschen Lloyd und der Hamburg-Americanischen-Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) anlegen, sind die Eintrittspforte für deutsche Einwanderer.

In Hoboken gründet John Markt die Firma Markt & Co., eine Importfirma für deutsche Haushalts- und Eisenwaren. Sein Partner wird Gustav Vintschger, der jüngere Bruder seiner Frau, der sich auf Empfehlung des Schwagers mit seiner Frau Caroline ebenfalls in Hoboken niederläßt. Gustav hatte seine Ausbildung in der Eisenwarenhandlung Schöller & Co. in Wien erhalten und wollte in die freie Welt hinaus13. Das Importhaus Markt & Co. besitzt Büro- und Lagerräume in Manhattan in der Warren Street Ecke West Street. Im »Hardware Club« in der Warren Street treffen sich die Eisenwarenhändler, um beim Lunch ihre Geschäfte abzuwickeln.

Albert Pulvermann wohnt ebenfalls im südlichen Manhattan, 139 Center Street. Nach kaum drei Jahren erhält er den amerikanischen Bürgerbrief: »Date of Naturalization: June-2-1874«. Als Bürge fungiert der...

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