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Effektive Standortpolitik in den neuen Bundesländern im Rahmen der EU-Strukturförderung

Analyse einer standortpolitischen Neuausrichtung in Sachsen-Anhalt für die Förderperiode 2014 - 2020

AutorPatrick Tammer
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl85 Seiten
ISBN9783656505419
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis24,99 EUR
Bachelorarbeit aus dem Jahr 2013 im Fachbereich BWL - Wirtschaftspolitik, Note: 1,3, Freie Universität Berlin (Otto-Suhr-Institut), Sprache: Deutsch, Abstract: Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Neuausrichtung der Standortpolitik in Sachsen-Anhalt in der 2014 beginnenden neuen Förderperiode der EU-Strukturförderung. Diese Neuausrichtung ist notwendig, da die neue Förderperiode der EU-Strukturförderung die geförderten Regionen mit wesentlichen neuen Rahmenbedingungen konfrontiert. Zum einen müssen die Regionen eine finanzielle Mittelkürzung verkraften, und zum anderem werden die Strukturfonds noch stärker auf die EU2020-Strategie ausgerichtet, was sich in einer strengeren Konditionalität der Mittelvergabe äußern wird. Die Standortpolitik ist eine der Hauptverwendungszwecke der EU-Strukturfördermittel in Sachsen-Anhalt, und ist somit direkt von diesen neuen Rahmenbedingungen betroffen. Aufgrund des restriktiven Charakters dieser Determinanten ist vor allem eine stärkere inhaltliche Priorisierung und somit eine Effektivitätssteigerung notwendig. Die Arbeit beantwortet daher im ersten Teil die Fragestellung, wie eine effektive Standortpolitik in Sachsen-Anhalt trotz der restriktiveren Bedingungen der neuen Förderperiode gestaltet werden kann. Dazu wurden zunächst bisherige theoretische Grundlagen und empirische Ergebnisse umfangreich analysiert. Zur Operationalisierung des Konzepts einer effektiven Standortpolitik wurde ein Indikator entwickelt, der auf wirtschaftlichen und politischen Indikatoren basiert. Zur Messung der Indikatoren werden unter anderen quantitativen Methoden der Datenerhebung in Form einer Unternehmensbefragung genutzt. Mit der Beantwortung dieser Fragestellung geht allerdings zwangsweise eine Anpassung der Standortpolitik einher. Diese Anpassung bzw. stärkere inhaltliche Priorisierung der Standortpolitik in Sachsen-Anhalt führt aufgrund der restriktiveren Rahmenbedingungen unweigerlich zu einem Verteilungskonflikt unter den betroffenen Akteuren. Daher sollen im zweiten Teil dieser Arbeit die verteilungspolitischen Auswirkungen einer standortpolitischen Neuausrichtung in Sachsen-Anhalt analysiert werden. Zu den zentralen Ergebnissen der Arbeit zählt, dass die zukünftige Standortpolitik in Sachsen-Anhalt Standortfaktoren wie Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal, Agglomerationseffekte, Lohnniveau, Universitäts- und Forschungsinfrastruktur sowie Innovationsumfeld und Image des Landes prioritär fördern sollte. Die Förderung von verwaltungsnahen Faktoren, Verfügbarkeit von Gewerbeflächen und neuen Infrastrukturprojekten sollte hingegen gekürzt werden.

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Leseprobe

2. Die EU-Strukturförderung als politischer Rahmen für die standortpolitische Neuausrichtung in Sachsen-Anhalt


 

In diesem Kapitel soll nun die EU-Strukturförderung thematisiert werden, die den politischen Rahmen für die Standortpolitik in Sachsen-Anhalt darstellt. Durch zahlreiche Förderprogramme bezuschusst die EU essentiell Ausgaben des Landes für die Standortattraktivität Sachsen-Anhalts. Somit hat die EU-Strukturförderung wesentlichen Einfluss auf die Standortpolitik des Landes.

 

Die Europäische Union verbindet Länder und Regionen mit unterschiedlichem wirtschaftlichem Entwicklungsstand, häufig gemessen am Bruttoinlandsprodukt oder Pro­Kopf Einkommen. Nach der neoklassischen Wachstumstheorie würde es keiner interventionistischen Maßnahmen bedürfen, um diese ökonomischen Disparitäten zu beseitigen.[13] Der Angleichungsprozess, Konvergenzprozess genannt, würde durch Marktmechanismen realisiert werden. Die Europäische Union scheint von dieser Annahme hingegen nicht überzeugt, sondern betont vielmehr, dass schwächer entwickelte Regionen vom wirtschaftlichen europäischen Integrationsprozess weniger stark profitierten.[14] Illustrativ wird im Delors-Bericht von 1989 formuliert: „Transport costs and economies of scale would tend to favor a shift in economic activity away from less developed regions, especially if they were at periphery of the Community, to the highly developed areas at its center. "[15] Genau an dieser Stelle setzt die EU-Strukturförderung an.

 

Die allgemeine Strukturpolitik ist ein Teilbereich der Wirtschaftspolitik. Aufgabe der Europäischen Strukturförderung ist es, wirtschaftlich schwächeren Regionen dabei zu helfen, Standortnachteile abzubauen und Anschluss an die allgemeine Wirtschaftsentwicklung zu halten. Ihr übergeordnetes Ziel ist es dem Prinzip des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt und der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu dienen, wie im Vertrag von Lissabon Artikel 2 festgehalten.[16]

 

Die Rechtsgrundlagen der europäischen Strukturpolitik beruhen auf den Artikeln 158 bis 162 des EG-Vertrages, den Verordnungen des Rates über die Europäischen Strukturfonds und den Kohäsionsfonds sowie auf den von der Europäischen Kommission zur Umsetzung der Strukturfondsförderung erlassenen Verordnungen und Leitlinien.[17] Darin werden die konkreten Ziele der europäischen Strukturpolitik benannt:

 

Das erste Ziel ist "Konvergenz" und richtet sich konkret an die Entwicklung beziehungsweise den Aufholprozess von Regionen mit wirtschaftlichem Entwicklungsrückstand. So werden Regionen, die den Durchschnitt des Bruttoinlandsprodukts der EU zu einem gewissen Maße unterschreiten, finanziell unterstützt. Das zweite Ziel, "Regionale Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung", betrifft Regionen, die nicht im "Konvergenz"-Ziel förderfähig sind. Ihnen soll mit dieser Förderung ermöglicht werden, wirtschaftlichen und sozialen Umbrüchen zu begegnen, aber auch Auswirkungen der Globalisierung und den Übergang zu einer wissensbasierten Gesellschaft zu meistern. Das dritte Ziel der Strukturpolitik ist die "Europäische territoriale Zusammenarbeit" (ETZ), die die grenzüberschreitende Zusammenarbeit der Regionen Europas fördert[18].

 

Das Mittelvolumen der EU-Strukturförderung beläuft sich auf etwa ein Drittel der Haushaltsmittel der Europäischen Union. Die genaue Verwendung der Fördermittel wird durch so genannte Operationelle Programme geplant, die von den Regionen entworfen werden. In Deutschland erfolgt dies auf Bundesländerebene.

 

2.1. Theoretische Grundlagen der EU-Strukturförderung


 

Die Grundlage der Europäischen Strukturförderung bildet wie oben bereits grob angesprochen, das Vorhandensein von Disparitäten in der Europäischen Union. Die genaue theoretische Legitimation stammt dabei aus der Wachstumspoltheorie, einer regionalpolitischen Konzeption, die argumentiert, dass diese Disparitäten durch einen wirtschaftlichen Integrationsprozess nicht abgebaut, sondern verstärkt werden.[19]

 

Konkret postuliert die Wachstumspoltheorie, die 1955 von Francois Perroux entwickelt wurde[20] , dass auf integrierten und liberalisierten Märkten sich bestehende Agglomerationen weiter ausbreiten, weil die Zentren gegenüber der Peripherie dynamische Industriebetriebe, bessere Infrastrukturen, technologische Einrichtungen und höheres Know-how besitzen. Rückständige wirtschaftliche Regionen würden daher von der Integration geschädigt, während hoch entwickelte Regionen davon profitierten. Daraus leitet die Europäische Kommission die Notwendigkeit von Ressourcentransfers ab.[21]

 

Die Handlungslogik, wie dieser Ressourcentransfer realisiert werden soll, folgt dabei einem weiteren regionalpolitischen Konzept, dem Potenzialfaktoransatz. Dieser postuliert eine Ausstattung jeder Region mit verschiedenen regionalen Ressourcen, die mobilisiert werden müssen, um Wachstum zu generieren. Diese regionale Ressourcenausstattung wird als endogenes Entwicklungspotential bezeichnet. Die Faktoren, die dieses Entwicklungspotential bestimmen bzw. mit denen dieses Entwicklungspotential aktiviert werden kann, werden Potenzialfaktoren genannt, ihre Eingrenzung ist jedoch vage. Krätschmar führt derer drei auf. Zum einen interne Komponenten, die sich im Wesentlichen auf die topographische Lage beziehen. Zum zweiten Strukturkomponenten, die hauptsächlich mit beeinflussbaren Standortfaktoren assoziiert werden. Und zum dritten externe Komponenten, die sich eher auf die gesellschaftliche, politische und demographische Entwicklung beziehen.[22]

 

Konkrete Hinweise, dass dieser Ansatz der Strukturförderung der Europäischen Union zu Grunde liegt, liefern vor allem die Verordnungen EWG Nr. 1787/84 von 1984 und EWG Nr. 2083/93 von 1993.

 

2.2. Instrumente der Strukturförderung


 

Die wesentlichen Instrumente der EU-Strukturförderung sind die Strukturfonds, über die die Europäische Union bestimmten Regionen Finanzmittel zur Verfügung stellt. Dabei gilt das Additionalitätsprinzip, das besagt, dass die Förderung der EU nur zusätzlich zur Unterstützung der Mitgliedsstaaten erfolgt, und diese nicht komplett ersetzten darf. Es gibt im Wesentlichen drei Strukturfonds, die für die Strukturförderung in Deutschland relevant sind:

 

(1) Der Fond für regionale Entwicklung (EFRE) fördert Regionen mit Entwicklungsrückstand und Strukturproblemen. Seine Grundlage ist Artikel 160 des EG- Vertrags.[23] (2) Der Europäische Sozialfond (ESF) ist das wichtigste beschäftigungspolitische Instrument der EU. Seine Ausrichtung wird in Artikel 146 EG-Vertrag festgelegt.[24] (3) Der Europäische Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) soll die Entwicklung der Landwirtschaft, der Forstwirtschaft und allgemein des ländlichen

 

Raumes unterstützen. Dazu gehört unter anderen die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und der Lebensqualität sowie der Umwelt- und Tierschutz.

 

2.3. Determinanten der neuen Förderperiode


 

In der künftigen Förderperiode, die 2014 beginnt, unterliegt die EU-Strukturförderung und damit die Strukturfonds neuen Determinanten. Diese bestimmen direkt den Verwendungsspielraum der Regionen, so auch Sachsen-Anhalts, bezüglich der Fördermittel. In der neuen Förderperiode ergeben sich im Wesentlichen zwei neue Determinanten, zum einen eine finanzielle Mittelkürzung und zum anderen eine stärkere Ausrichtung auf die Wachstumsstrategie der Europäischen Union, die EU2020-Strategie.

 

Die finanzielle Mittelkürzung hat zwei Ursachen. Erster Grund ist der gekürzte Haushalt der EU ab 2014. Nach der Einigung der Regierungschefs im Februar 2013 bleiben die Agrar- und Strukturförderung zwar die größten Posten auf der Ausgabenseite, müssen allerdings mit weniger Mitteln auskommen.[25] Voraussichtlich wird die Rubrik 1b „Kohäsion für Wachstum und Beschäftigung", aus der die EU-Strukturförderung bedient wird, eine Kürzung von 8,4% (29,7 Milliarden Euro) zu verkraften haben.[26] Der zweite Grund für die finanzielle Mittelkürzung bezieht sich speziell auf die neuen Bundesländer. Durch die positive wirtschaftliche Entwicklung hat auch Sachsen-Anhalt einen Stand erreicht, der eine Förderung unter dem Ziel „Konvergenz" nicht mehr notwendig macht und es damit nicht mehr zu den rückständigsten Regionen innerhalb der Europäischen Union zählen wird[27]. Durch den Aufstieg in den Kreis der Übergangsregionen werden sie somit geringere Zuwendungen erhalten.

 

Die zweite wesentliche neue Determinante der kommenden Förderperiode ist die verstärkte Ausrichtung auf die Ziele der EU2020-Strategie.[28] Die Oberziele der EU2020-Strategie sind intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum. Aufbauend auf diesen Oberzielen wurden fünf Kernziele aus den Bereichen Beschäftigung, Forschung und Innovation Klimaschutz und Energie, Bildung und Armutsbekämpfung definiert, die für die EU und ihre Mitgliedsstaaten verbindlich sind.[29]

 

Tabelle 1: EU-Kernziele für das Jahr 2020

 

 

Quelle: Anforderungen und Handlungsoptionen für den Einsatz der europäischen...

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