LOSLASSEN, UM ZU WACHSEN
Leben ist Wachstum. Es geschieht von allein. Auch das Wachstum eines Tomatenstrauches kann ich nicht dadurch fördern, dass ich ihn jeden Tag kräftig nach oben ziehe. Aber bestimmte Bedingungen erleichtern Wachstum; für die Tomate sind das Sonne, Wasser und fruchtbarer Boden. Das gilt auch für uns Menschen: Wachstum geschieht von allein, aber es kann behindert und blockiert oder durch gute Bedingungen gefördert werden. Inneres Wachstum ist das Anliegen dieses Buches.
Das Buch handelt von dem Ballast, den jeder mit sich herumträgt, von innerem Druck und innerer Hetze, von Gelassenheit und innerer Freiheit, von Langeweile und Kreativität – und vor allem handelt es von einem authentischen Leben und von dem, was dafür nötig ist oder einem dazu verhelfen kann.
Das Buch handelt zugleich von der Liebe. Es handelt von der Liebe, die nichts will und nichts braucht und die oft die bedingungslose Liebe genannt wird. Es handelt vor allem von der Liebe zu dir selbst. Diese Liebe zu dir selbst darf wachsen, von allen Gefühlen ist sie die größte Kraft – und sie ist viel mehr als ein Gefühl. Wenn die Liebe zu dir wächst, wird alles andere leichter, ja manchmal erst möglich. Sie führt zu einem freien Leben, sodass du im Einklang mit dir selbst und mit den anderen sein kannst. Die Liebe zu dir selbst ist der Weg zum Glücklichwerden.
Ich schreibe über den Unterschied von einem »Loslassen«, das einfach vergessen will, dabei aber alles nur ins Unbewusste, in den Untergrund verdrängt, und einem wahren Loslassen, das zur Freiheit führt. Das wahre Loslassen macht leichter und freier und gleichzeitig erfüllter.
Dabei stehen das Fühlen und der Umgang mit dem Fühlen im Mittelpunkt. Wer seinen Gefühlen mehr Raum gibt – der Freude und dem Schmerz, der Lust und der Angst, der Wut und der Heiterkeit und vielen mehr –, gewinnt einen großen Teil seiner inneren Ressourcen zurück, die bisher brachlagen. Sogar noch mehr: Wenn Gefühle nicht wahrgenommen, gefühlt und gelöst werden, verliert man einen großen Teil seiner Lebendigkeit und seines Potenzials. Das Fühlen macht einen Großteil des Reichtums dieses Lebens aus. Das Leben wird dadurch nicht nur lebendiger, sondern das Fühlen öffnet auch das Tor zur Freiheit.
Jahrzehntelang habe ich Menschen auf ihrem Weg der Veränderung begleitet und dabei erforscht, wie menschliches Wachstum geschieht. Die »7 Schritte des Loslassens« sind das Ergebnis. All diesen Menschen danke ich, denn sie haben an der Entstehung dieses Buches mitgewirkt. Es gibt in der ganzen Welt zahlreiche Wege zu Veränderung und Wachstum, und ich hatte das Glück, sehr viele dieser Wege zu erlernen. Ich habe entdeckt, dass alle Wege etwas Gutes haben, und habe mich gefragt, was das Gemeinsame dieser Wege ist. Was ist das Wesentliche, das dem Einzelnen wirklich weiterhilft, sich zu verstehen und zu wachsen? Als Antwort sind diese »7 Schritte des Loslassens« entstanden. Viele kennen sie als die »7 Schritte zum Aufwachen«; mit dem jetzt vorliegenden Buch sind diese sieben Schritte viel konkreter geworden und mit zahlreichen, bisher unveröffentlichten und neuen Übungen versehen, sodass sie noch wirkungsvoller dabei helfen, das menschliche und persönliche Potenzial zu entfalten.
Die wirkungsvollen Wege der Psychologie und Psychotherapie, Verhalten zu verstehen und zu verändern, helfen nicht nur, psychische Probleme zu lösen, sondern sie sind für jeden wertvoll und nützlich, um innerlich zu wachsen und die Persönlichkeit zu entwickeln. Dieser Gedanke wurde erstmals in den 1940er-Jahren von der Psychoanalytikerin Karen Horney geäußert und dann von vielen aufgegriffen. Er hat nicht an Aktualität verloren und kann daher auch heutzutage als Motto für dieses Buch gelten.
Ein Übungs- und Erfahrungsweg
Es ist ein praktisches Buch, mit dem man arbeiten kann, ein Kurs mit vielen Übungen, die sich gut allein zu Hause, im Park oder im Kaffeehaus machen lassen. Manchmal ist es noch besser, sie mit einem guten Freund oder einer guten Freundin durchzuführen. Natürlich kann man dies über längere Zeit in Form einer regelmäßigen Partnerarbeit machen. In vielen Städten gibt es bereits Bewusstheitsgruppen, in denen sich Menschen treffen, um sich gegenseitig bei diesen Übungen zu unterstützen (siehe hier).
Man kann mit dem Buch unterschiedlich umgehen. Vielleicht möchte man es erst einmal als Ganzes lesen, ohne schon eine Übung zu machen, und es auf sich wirken lassen und sehen, was das Buch mit einem macht. Vielleicht hat man danach Lust, die eine oder andere Übung auszuprobieren und vielleicht dann auch mehrere. Man kann sich die Übungen auch gleich parallel zum Lesen Schritt für Schritt erarbeiten und ein Tagebuch dazu anlegen. Man kann die Übungen der Reihe nach durchgehen oder sich die herausgreifen, die einen besonders ansprechen.
In vielen Städten in Deutschland, Österreich, der Schweiz und auf Mallorca gibt es Bewusstheitsgruppen, die von kompetenten, bei mir ausgebildeten Trainern geleitet werden. Dort kann man Unterstützung beim Üben bekommen oder über ein bestimmtes Thema oder Problem, das auftaucht, sprechen und damit arbeiten. Hinweise gibt es am Ende des Buches.
Es gibt vier verschiedene Übungsarten
SCHRIFTLICHE ÜBUNG
Wenn dieses Symbol auftaucht, handelt es sich um eine Übung, bei der man sich mit einem »Arbeitsbuch« und einem Stift an einen ruhigen Ort zurückzieht; das kann zu Hause sein, draußen auf der Parkbank (verbunden mit einem Spaziergang) oder in einem Kaffeehaus, in dem man sich wohlfühlt. Bei der Übung geht es dann oft darum, über eine bestimmte Frage nachzudenken oder zu »meditieren» und die jeweiligen Einfälle, Entdeckungen und Gefühle aufzuschreiben. Manchmal ist es eine sehr offene, manchmal eine strukturiertere Frage.
Die Übungen dienen nicht »nur« der Selbsterkenntnis, sondern sind zugleich ein Teil der inneren Veränderung.
KÖRPERÜBUNG
Wenn dieses Symbol auftaucht, handelt es sich um eine Körperübung. Bei jeder Körperübung ist genau angegeben, was zu tun und worauf zu achten ist. Manche Körperübungen sollten anfangs einige Male zu zweit gemacht werden, damit man sich gegenseitig unterstützen kann.
MENTALE ÜBUNG
Wenn dieses Symbol auftaucht, handelt es sich um eine Übung, bei der man sich ebenfalls an einen ruhigen Ort zurückzieht; das kann wieder zu Hause sein, draußen auf der Parkbank (verbunden mit einem Spaziergang) oder in einem Kaffeehaus, in dem man sich wohlfühlt.
Bei der Übung geht es dann oft darum, über eine bestimmte Frage nachzudenken oder zu »meditieren». Manchmal ist es eine sehr offene, manchmal eine strukturiertere Frage.
Dabei geht es dann auch darum, die Gefühle zu entdecken, die mit den auftauchenden Antworten, Bildern und Erinnerungen zusammenhängen.
Manchmal kann es auch eine Übung sein, in der man mit geschlossenen Augen bestimmte Aufgaben erledigt, um neue Lösungen zu finden.
Diese Übungen dienen ebenfalls nicht »nur« der Selbsterkenntnis, sondern sie sind zugleich ein Teil der inneren Veränderung.
PARTNERÜBUNG
Wenn dieses Symbol auftaucht, handelt es sich um eine Übung, die man gut zu zweit machen kann; alternativ kann sie aber auch allein gemacht werden.
Ein Weg zu tieferem Sein und Glück
Aus eigener Erfahrung und aus der Erfahrung mit hunderten Teilnehmerinnen und Teilnehmern meiner Seminare und Retreats weiß ich: Über die alltägliche Gedankenwelt, die Bilder und Fantasien, die Gefühle und Körperempfindungen hinaus gibt es ein tieferes, ein erfüllendes Sein. Seit vielen Tausend Jahren sind die Menschen auf der Suche nach diesem tieferen Sein, und seit ebenso langer Zeit gibt es Menschen, die in diese tiefere Realität hineingefunden haben. Aus diesem tieferen Sein heraus lebten Buddha, Sokrates, Laotse, Jesus, Meister Eckhart und Johannes Tauler, Ramana Maharshi, Krishnamurti, Martin Luther King oder auch der UNO-Generalsekretär Dag Hammarskjöld in den 50er-Jahren. Rumi hat davon erzählt und Rainer Maria Rilke. Auch die Psychoanalytikerin Karen Horney sowie Erich Fromm, Fritz Perls und viele weitere Psychotherapeut(inn)en und Psycholog(inn)en waren auf der Suche nach dieser Selbstverwirklichung, die über das hinausgeht, was normalerweise unter Persönlichkeitswachstum verstanden wird. Die Psychologie hat in den letzten 100 Jahren so viel Wertvolles und Brauchbares entdeckt und erforscht! Gleichzeitig können wir uns vorurteilsfreier den alten und neuen spirituellen Wegen zuwenden und entdecken, was uns wirklich helfen kann, das Leben reicher, lebendiger und auch tiefer werden zu lassen.
Wenn man das Wertvollste der Psychologie und der spirituellen Wege miteinander verbindet – das ist seit 20 Jahren mein wichtigstes Anliegen – kann man viele praktische Methoden und Übungen entdecken und entwickeln, die helfen, lebendig zu werden und mit sich in Einklang zu kommen.
Wenn man dann noch weiter gehen will, kann man in der eigenen inneren Tiefe ein tieferes Sein, eine vollständigere Freiheit und wirkliche Gelassenheit finden. Für beides – für die Lebendigkeit und den inneren Einklang einerseits und die Entdeckung der...