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Ein Schlosser in Ägypten

Meine Erlebnisse während eines zehnjährigen Aufenthaltes im Lande der Pyramiden

AutorCarl Hoffmann, Franka Foresti, Klaus Magnoli
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl670 Seiten
ISBN9783746081434
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Wer auf unterhaltsame Art Interessantes über so unterschiedliche Themen wie Eunuchen, den Sklavenhandel, den Harem, den "Bienentanz", den Mädchenhandel mit Europäerinnen, den Import von eisgekühltem Bier aus Wien, den Einsatz von Schweizer Polizisten, "wilde Ehen" unter Europäern, eine viereinhalb (!) Meter lange Kobra, die Büffelpest, Haie im Mittelmeer, Elefanten- und Nilpferdjagd, die Kairener Oper, die Eröffnung des Sueskanals, aber auch über "echte deutsche Gemütlichkeit" oder die Auswirkungen der europäischen Politik auf Europäer in Ägypten und vieles mehr aus Ägyptens Boomjahren von 1862 (Baumwolle als "weißes Gold") bis 1869 (Eröffnung des Sueskanals) erfahren will, der wird in der Autobiografie Carl Hoffmanns fündig. Hoffmann ist Schlosser, kein Gelehrter; er schildert seine Erlebnisse treffend mit vorurteilsfreiem Blick, einer guten Prise Humor, dabei ohne die "Attribute der Gelehrsamkeit" und wirkt dadurch für heutige Leser moderner als die meisten hochgelobten Werke der Epoche.

Werke des Autors, die in Zusammenarbeit mit Franka Foresti bisher erschienen sind: Mose - Stab und Schlange, Nofretete und die Königin von Saba (kostenlos), Der altägyptische Ursprung der Menora (kostenlos) sowie als Herausgeber Carl Hoffmann: Ein Schlosser in Ägypten.

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Leseprobe

1. Glück muss man haben!


Auf nach Ägypten!

 

Wohl oft hatte ich mir vorgenommen, meine vielen und sonderbaren Erlebnisse während eines zehnjährigen Aufenthaltes im Wunderlande Ägypten zum Nutzen meiner lieben Mitmenschen niederzuschreiben, heute will ich entschieden den Anfang damit machen, also – ohne langweilig zu werden: frisch drauf los!

Vierundzwanzig Jahre alt, gesund und kräftig, ein tüchtiger Schlosser (wie die Leute sagten), immer aufgelegt zu ernster und fröhlicher Arbeit des Lebens und dennoch – keine Beschäftigung, keine Anstellung, dazu nur ein paar armselige Kreuzer Geld in der Tasche: dies war anno 1862 meine wenig beneidenswerte Situation mitten in der großen Kaiserstadt Wien! Es gab wenig oder gar nichts zu tun, alle Tage aber fanden neue Entlassungen statt – was da beginnen?

Vormittags zur richtigen Zeit wurde in den Fabriken angefragt, hin und wieder bei einem Meister angeklopft, alles umsonst! Dann wurde irgendwo verstohlen aus der Tasche zu einem Pfiff [ein Achtelliter] Wein gefrühstückt, der übrige Tag war doch aber immer noch sehr lang. – –

In Wien gibt es aber immer billigen Zeitvertreib genug! Den größten bieten die Kirchen, welche den ganzen Tag offen stehen, und in denen man sich an heiligen Knochen, mit bunten Seidenbändern umwickelt, und an dunklen unheimlichen Bildern nicht satt sehen kann. Auch ist alle Tage irgendwo eine große Messe mit prachtvoller Musik, heute sollte eine solche »am Peter« [Peterskirche] abgehalten werden, die ganze Oper wird mitsingen, da muss ich natürlich hin, es – kostet ja nichts!

Stehe ich so mitten im Gedränge an einen mächtigen Kirchenpfeiler gelehnt und höre andächtig zu, wie es vom Chore herunterschallt: weiche, schöne Frauenstimmen mit zarter Instrumentalbegleitung, so wunderbar ergreifend – da entdecke ich einen guten Freund, einen auch vazierenden [beschäftigungslosen] Kollegen, welcher mich schon lange mit seinem Blick fixiert hatte und mir durch allerhand Gestikulationen bemerklich macht, dass er mir etwas Wichtiges mitzuteilen habe. Ich sehe, wie er sich hinausdrängelt und folge ihm. Das ist in einer Wiener Kirche nicht auffallend, die meisten werden von Nichtkatholiken sowieso nur der vielen Sehenswürdigkeiten wegen besucht.

»Was ist denn los?«, frage ich ihn draußen als richtiger Berliner und weil er so sehr wichtig tut.

»Kollege!«, platzt er eifrig heraus, »ich weiß eine Stelle für Sie, nach Ägypten, gehen Sie sofort zum Ingenieur der Bahn hinaus, der bestimmt das Nähere, aber schnell, die Anstellung ist brillant, Sie müssen eilen!«

»Nach Ägypten?«, frage ich erstaunt, »und – warum gehen Sie denn nicht dorthin?«

»Es ist eine Bedingung dabei: derjenige, welcher engagiert wird, soll mindestens Französisch oder Italienisch sprechen und Sie verstehen ja etwas davon, beeilen Sie sich!«

Ägypten! – Französisch! – Italienisch! – ich stand im Momente ganz verblüfft da!

»Nun, so entschließen Sie sich doch!«, drängte er, »es ist bald Mittag und dann treffen Sie ihn nicht mehr!«

Rasch entschlossen flog ich wie ein Pfeil hinaus auf die Bahn und treffe den mir bekannten Ingenieur noch richtig an. Es läutete Mittag.

»Wollen Sie nach Ägypten gehen?«, fragt er mich.

»Ja, wenn es sich einigermaßen lohnt – wie ist denn die dortige Stellung usw.?« »Nun«, sagt er: »ein hiesiges Haus, so und so, hat sich an mich um einen tüchtigen Maschinenmeister gewendet, ich kann Sie ja empfehlen (stumme Verbeugung meinerseits). Um das Nähere wenden Sie sich aber an diese Firma hier, drinnen in der Stadt am Graben, nehmen Sie auch meine Karte mit, ich werde noch eine Empfehlung darauf schreiben, die Sache hat übrigens Eile und, wenn wir uns nicht wiedersehen sollten, dann: Wohl zu speisen und glückliche Reise!« –

Ich war also so gut wie angestellt und besah mir die hübsche Visitenkarte auf dem Weg nach der Stadt wohl hundertmal. Richtig, da stand’s hinten ganz deutlich drauf: »der und der ist Ihnen hiermit bestens empfohlen«. –

Mit mächtigen Buchstaben war die betreffende Firma »am Graben« überm Toreingang angebracht. Nobles Haus, elegante Treppe mit Läufern, Bel-Etage, an der Tür ein blitzend blankes Messingschild, worauf breit und vornehm zu lesen: »Comptoir« [Kontor]. – Alles macht einen guten Eindruck.

Ich klopfe bescheiden an, mein Herz klopft viel stärker, hier sollte es ja sein, wo entschieden wird!

Ein eleganter echter Wiener Herr empfängt mich freundlich: »So und so«, sagt er gemütlich, »Sie wollen also nach Ägypten gehen? Setzen’s sich a bissel, schaun’s, ich bin der Vertreter von einem Haus in Triest, und das Haus vertritt wieder ein anderes Haus in Ägypten, und was soll ich Ihnen sagen: ich habe auf dem umgekehrten Weg den Ihnen bekannten Auftrag bekommen und da Sie empfohlen sind, so ist’s gut. Ich kann aber hier in Wien mit Ihnen nichts abmachen, Sie müssen nach Triest fahren und dort Kontrakt machen (mir wurde ganz weich, ich dachte an die paar Kreuzer in der Tasche), da hier ist der Brief, Sie können ihn ja selbst lesen. Übrigens ja richtig: ich bin angewiesen, Ihnen das Reisegeld zu geben, wenn Sie kein Geld haben – haben Sie Geld?«

Ich glaube, ich sah bei dieser Frage recht einfältig aus! Mein süßsaures Gesicht war die beste Antwort. »Schon gut«, sagt mein Wiener, »hier quittieren Sie 60 Gulden, fahren Sie zweiter Klasse, s’ist besser, ich werde einen Brief vorausschicken und wenn aus der Geschichte nichts wird, so lassen Sie sich in Triest Retourgeld geben, es sind reiche Leute!«

Mit den Worten händigte mir der gemütliche Herr sechs Stück große, ganz neue Zehn-Guldenscheine ein, ich musste an mich halten, um dem lieben Geber vor lauter Freude nicht an den Hals zu springen!

Da stand ich nun unten auf der Straße! Welche Richtung ich einschlug, links oder rechts, war mir ja ganz gleich! Die linke Hand hatte ich immer fest an der Brusttasche, worin die sechs schönen, funkelnagelneuen Zehn-Guldenscheine waren – Herrgott! Vor fünf Minuten noch ein armer, brotloser Schlosser, jetzt ein angestellter Mann mit Handgeld in der Tasche! Wie und wo die Stellung war, spielte bei mir vorläufig keine Rolle, ich hatte Geld in der Tasche, viel Geld! Ist’s denn aber auch alles wirklich wahr? Schnell nochmal nachsehen! Also hier hinein in den Hausflur, nein, daneben ist ein Wirtshaus, da ist’s besser, da fällt’s nicht so auf. Richtig, sechs Stück! Nun aber was zu essen und trinken her, der arme Magen will ja auch an der Freude seinen Teil haben, so – jetzt sieht Wien ganz anders aus!

Ich hatte in Wien einen älteren, lieben Bruder, einen Kaufmann, der half mir immer durch, wenn’s nicht stimmte, also hin zu ihm mit der großen Neuigkeit! Ganz seelenvergnügt trete ich ein: »Denk‘ dir mein Glück, ich habe eine schöne Stelle nach Ägypten! – Ich muss aber erst in Triest Kontrakt machen, morgen muss ich abfahren, – die Sache hat große Eile – «.

»Nach Ägypten? Da willst du hin? – Du bist toll! Bleibe lieber hier, sage ich dir! Wir Kaufleute kennen Ägypten besser, diese schwarzen Menschenbrüder haben nicht viel Kredit bei uns. Und dann sollst du erst in Triest Kontrakt machen? Du fällst da irgendeinem Seelenverkäufer in die Hände, und dazu soll ich am Ende noch Reisegeld hergeben – ?«

»Oho«, sage ich siegesbewusst, »hier ist Geld wie Heu« und breite meine Scheine wie Kartenblätter aus, »sechs Stück waren’s, einen habe ich schon gewechselt, die Sache ist also reell!«

Wenn ein Kaufmann bares Geld sieht, wird er sofort weicher gestimmt. Geld wirkt bei ihm wie ein Zauber.

Nach einem herzlichen Abschiedsabend bei Märzenbier und Johannisberger ging’s am andern Morgen früh ab. Der Mensch nimmt leichter von einer lieben Stätte Abschied, wenn ihm der Kopf nach einem lustigen Abend noch etwas brummt. Zudem hatte ich auch kein besonderes Anhängsel in Wien, also – fahr nur zu Kutscher mit deinem Dampfross, immer weiter nach Süden, und dann über’s Meer, der neuen Heimat zu! Meinen Katzenjammer werde ich ja bis Triest hoffentlich loswerden, um mich dem alten »Haus« würdig vorzustellen.

Es war im Monat April und herrliches Wetter, frische Frühlingsluft strömte aus den steirischen Alpen durch die geöffneten Fenster des Waggons. – Die Fahrt über den Semmering ist reizend und großartig zugleich. Tunnels und Hochbauten wechseln unzählige Male, kaum ist das Auge noch geblendet vom frischen, glitzernden Schnee auf den Bergen, so fährt der Zug schon wieder in irgendeinen schwarzen Schlund hinein, aus welchem er nach einer ganzen Weile plötzlich wieder in das sonnige Tageslicht auftaucht.

Dieselben großartigen Erscheinungen bietet die darauf folgende Fahrt über den steinigen Karst.

In Triest kam ich auf kein unbekanntes Terrain. Ich hatte hier früher schon einmal auf der Schiffsreede gearbeitet, damals als Dreher, und brav Geld verdient. Alles steht noch am alten Platz am hellsiegelnden Meere, auf welchem unzählige weiße Segel dahinziehen. Das ist ein Anblick über diese weite, unendliche Wasserfläche hinweg, der ins Herz geht und die Brust freudig aufatmen lässt!

Am schönen Hafen lag mein »Haus« K. & C. Nun ordentlich geräuspert, Bart und Haar glatt gestrichen, – hinein. – Ein ernster, feiner Mann, der Chef der Firma, stand vor mir. Bedächtig und kaufmännisch machte er für seinen Bruder in Ägypten den Kontrakt mit mir.

Jeder Paragraph wurde überlegt, etliche wunden Stellen ausgemerzt, und mit gutem Gewissen konnten wir beide unterschreiben: Gehalt 15 Pfd. Sterling monatlich, Station ganz frei, entsprechende Gratifikation in...

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