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E-Book

Ein Schrei nach Gerechtigkeit

AutorDietmar Roller, Thomas Kröck, Tobias Faix
VerlagFrancke-Buch
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl365 Seiten
ISBN9783868278026
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis15,99 EUR
Kindersklaven, Flüchtlingswellen, Zwangsprostitution - die Nachrichten über die großen Probleme dieser Welt drängen sich in unser Leben. Sie erschüttern und machen betroffen. Doch gerade als Christen wollen wir dabei nicht stehen bleiben, sondern uns für Hoffnung, Menschenrechte und Gerechtigkeit einsetzen. 20 erfahrene Expertinnen und Experten beschreiben in diesem Buch, wie das praktisch aussehen kann. Ausgehend von einem biblischen Menschenbild erläutern sie die komplexen Zusammenhänge von Armut und Gewalt und liefern konstruktive Lösungsvorschläge, wie wir als Christen und Gemeinden einen Unterschied machen können. Eines der herausforderndsten Bücher dieses Jahres.

Prof. Dr. Tobias Faix lehrt an der CVJM Hochschule Kassel sowie der Universität Südafrika und leitet das Institut für Transformationsstudien (ITS). Außerdem engagiert er sich ehrenamtlich in der Steuerungsgruppe des Fairen Handels der Stadt Marburg.

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Leseprobe

Vorwort

Wie die Globalisierung unser Leben verändert

Es vergeht kaum ein Tag, an dem die globalen Geschehnisse dieser Welt nicht in unser Leben treffen. Sei es durch die Produkte, die wir möglichst günstig von allen Enden der Erde zu uns in die Wohnung schaffen, durch Internet und Fernsehen oder durch die neuen Nachbarn, die als Flüchtlinge aus Syrien gerade versuchen, sich ein neues Leben aufzubauen. Keine Frage, die Welt hat sich verändert und „das globale Dorf“, von dem Marshall McLuhan 1962 in seinem Buch „Die Gutenberg-Galaxis“ schrieb, ist tatsächlich wahr geworden.

Erst hielten wir es nicht für möglich, dann haben wir es nicht geglaubt und jetzt leben wir mittendrin. Die globalen Verschiebungen bringen eine Menge Chancen, Möglichkeiten, Herausforderungen und Ungerechtigkeiten mit sich. Und darum soll es in diesem Buch gehen. Wir wollen die globale Welt mitten unter uns wahrnehmen und fragen, was dies für uns bedeuten kann. Denn auch für Christen und Gemeinden hat sich viel verändert. Der gesellschaftliche Wandel hat längst große Auswirkungen und das einst so gelobte „christliche Abendland“ ist bereits Vergangenheit.

Postsäkularisierung und Respiritualisierung sind die neuen Zauberwörter der Gegenwart. Sie beschreiben, dass sich das institutionell verfasste Christentum in Deutschland in einer Krise befindet – obwohl immer mehr Menschen irgendwie an irgendetwas glauben. Nur oftmals nicht mehr an den Gott der Bibel. Andere haben das längst erkannt und schicken Missionare nach Deutschland. Sie kommen aus Brasilien, Tansania oder Indien, um den Deutschen die gute Nachricht von Christus zu bringen. „Reverse mission“ – umgekehrte Mission – nennt man das. Und dieser Prozess ist erst der Anfang einer Entwicklung, die sich schon heute in einer neuen Weltkarte des Christentums zeigt, auf der Europa künftig kaum noch eine Rolle spielen wird. Manche dieser neuen Missionare werden von ihren Heimatgemeinden ausgesandt und finanziell unterstützt. Aber Gott sendet auch Flüchtlinge und Asylsuchende zu den Menschen, die es nötig haben; das hat er schon immer getan.

Flucht und Asyl als biblisches Handeln Gottes?

So war es schon oft in der Bibel und in der Kirchengeschichte. Deshalb sollte es uns nicht überraschen, dass Gott heute immer noch so handelt. Ja, eigentlich müsste man sagen, dass die ganze Bibel ein Buch von Flüchtlingen und ihrer Flucht und Vertreibung ist. Schon der Verlust des Paradieses kann als Migration bezeichnet werden und gibt eine Art Motto vor: „Unstet und flüchtig sollst du sein auf Erden!“ (1. Mo 4,12), lautet Gottes Ankündigung für das Leben von Kain, der seinen Bruder Abel umbrachte. Abraham, der Stammvater des Volkes Israel (1. Mo 12), zog als Nomade ein Leben lang umher. Mose war auf der Flucht, weil er wegen Mordes gesucht wurde, bevor er später das ganze Volk als Flüchtlinge aus Ägypten herausführte, woran sich das Volk Israel bis heute mit dem Laubhüttenfest erinnert. Nach dieser Flucht irrte das Volk 40 Jahre in der Wüste umher, bis es endlich Heimat fand (Jos 11). Aber auch danach war die Geschichte Israels geprägt von Flucht, Vertreibung und Exil sowie von Sehnsucht nach Identität und Heimat. Vielleicht weil das Volk Israel das selbst so erlebt hat, hat Gott ihnen aufs Herz gelegt und in Gebote geschrieben, dass Fremde und Migranten unter einem besonderen Schutz stehen (2. Mo 23,1-9; Jes 58,1-12; Sach 7,1-14; Mal 3,1-5).

Das Thema prägte auch Jesu Leben. Er immigrierte in diese Welt hinein und lebte mit seinen Eltern eine gewisse Zeit als Migrant in Ägypten, bevor die Familie ins von den Römern besetzte Heimatland zurückkehren konnte. Später zog er in guter jüdischer Tradition drei Jahre ohne festen Wohnsitz umher, lebte und lehrte die gute Nachricht vom Reich Gottes und teilte sein Leben mit seinen Nachfolgerinnen und Nachfolgern (Mt 16,24-28). Diese trugen das Evangelium dann weit in die damalige Welt hinaus, teils freiwillig, teils weil sie in der Heimat verfolgt wurden. Der Lohn dieser Nachfolge geht über das Irdische hinaus und spiegelt, dass Christen wissen, dass alles Leben auf der Erde nur das Vorletzte ist (Mt 19,27-30). Auch bei den ersten christlichen Gemeindegründungen war dies nicht anders. Die ersten christlichen Missionare wurden verfolgt und mussten fliehen (Apg 8,1-4). Aus der Gruppe von Flüchtlingen wurde die Keimzelle einer weltweiten Ausbreitung des Evangeliums. Später wurden diese Migrationsgemeinden im römischen Reich von Paulus besucht und betreut.

Was aus diesen wenigen Zeilen schon deutlich wird, ist das universale Handeln Gottes in dieser Welt. Gott hat von Anfang an alle Menschen und alle Völker im Blick seines Handelns. Besonders im Alten Testament wird dies exemplarisch deutlich an der Erwählung des Volkes Israel. Gott nimmt sich dieses Volkes an, weil es das kleinste unter den Völkern ist, und geht mit ihm durch alle nur vorstellbaren Krisen dieser Welt. Das Verhältnis zwischen Israel und Gott wird nicht umsonst als Beispiel und Liebesbeziehung (Hosea) in der Bibel bezeichnet, denn so wie Gott an Israel handelt, so will er an allen Menschen handeln.

Gottes Wesen ist Gerechtigkeit

In dieser Geschichte Gottes mit den Menschen spielt der Begriff Gerechtigkeit eine zentrale Rolle, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Gerechtigkeit ist im biblischen Sinne immer untrennbar mit Gott selbst verknüpft (Ps 7,1: „Gottes Wesen ist Gerechtigkeit“). Es geht also nicht um eine Randerscheinung, sondern um eine zentrale Aussage der Bibel – im Kern um ein Wesensmerkmal Gottes. Gott steht dabei für die Notleidenden ein und identifiziert sich mit ihnen (Ps 103,6, Amos 5,11f). Das Alte Testament geht sehr realistisch mit der Situation von Ungerechtigkeit um (5. Mo 15,11). Soziale Gerechtigkeit wurde im Alten Testament mit einem Ausgleich über den Zehnten von allem Geernteten (5. Mo 26,12) eingeführt. Die Armenpflege wurde, weil schon im Gesetz vorgeschrieben, zum Alltagsgeschehen der Israeliten (5. Mo 15,7; 5. Mo 24,14).

Aber nicht nur die Sorge um die Armen war im Gesetz festgelegt, auch Ausländer wurden mit Gastfreundschaft bedacht: „Der Fremdling soll bei euch wohnen wie ein Einheimischer“ (3. Mo 19,34). Fremdheit sollte überwunden und Ausländer sollten in die Mitte des Volkes aufgenommen werden. Die Gerechtigkeit Gottes zieht sich wie ein roter Faden durch das Heilshandeln Gottes an den Menschen und wird an den universalen Bünden deutlich (etwa dem Bund Gottes mit Noah oder dem mit Abraham). Gottes Gerechtigkeit begründet sich in seiner Treue und seiner Verpflichtung gegenüber seinen Bundesversprechen. Gott befreit (2. Mo 20), verurteilt (Amos 2) und vergibt (Jes 46). Dabei ist er nicht parteilos, sondern setzt sich für seinen Bundespartner ein. In diesem Sinne bedeutet Gerechtigkeit immer auch Solidarität Gottes, er hält zu seinem Volk und steht ihm zur Seite, Gott selbst hält sich zu den Unterdrückten und Entrechteten und will ihnen zu ihrem Recht verhelfen. Das Ziel des Handelns Gottes ist immer, das Heil und die Gerechtigkeit des Bundesvolkes zu erlangen. Ganz praktisch wird dies immer wieder dadurch deutlich, wie Gott die Schreie der ungerecht Behandelten hört und erhört.

Gott hört den Schrei der Entrechteten

Und Gott reagiert dabei oftmals auf das Schreien und die Not der Menschen. Er rettet die Ägypterin Hagar, die vor ihrer Herrin Sara in die Wüste flieht (1. Mo 16,1ff) und heilt den Syrer Naaman, der an Aussatz leidet (2. Kön 5). So führt Gott, ähnlich wie Israel aus Ägypten, die Philister aus Kuta oder Syrer aus Kir (Amos 9). Gott errettet die Völker Lo-Ruhama und Lo-Ammi und spricht ihnen zu, dass sie sein Volk werden (Hos 2,25). Er errettet die heidnische Stadt Ninive (Jona) und spricht Gericht und Heil an alle Nationen dieser Erde (Jesaja, Joel, Micha). So ist es nicht verwunderlich, dass Gott seine Nachfolger in seinen Auftrag, das Schreien der Menschen zu hören, mit einbezieht. Israel soll ein „Licht für die Völker sein“ und durch sein Vorbild die anderen Völker auf Gott hinweisen.

Auch im Neuen Testament wird diese Linie des gerechten Gottes konsequent weitergezogen. Jesus identifiziert sich in seiner großen Rede vom Weltgericht ganz praktisch mit den Ausgegrenzten und Entrechteten, wenn er sagt: „Ich bin ein Fremder gewesen und ihr habt mich nicht aufgenommen. Ich bin nackt gewesen und ihr habt mich nicht gekleidet. Ich bin krank und im Gefängnis gewesen und ihr habt mich nicht besucht“ (Mt 25,42). Das fordert uns heraus und stellt unser Leben, unser Handeln und unsere Gottesbeziehung infrage. Hören wir die Schreie der Unterdrückten noch? Oder sind wir zu sehr mit den Stimmen der Konsumgesellschaft beschäftigt? Es geht also bei der Frage nach Gerechtigkeit bzw. Ungerechtigkeit immer auch um uns, und nicht nur um die Notleidenden. An ihnen können wir erkennen, wie es um unsere eigene Gottesbeziehung bestellt ist.

Menschenrecht und Ermächtigung

Deshalb geht es in diesem Buch nicht um Aktionismus aufgrund von Notsituationen. Wir wollen vielmehr eine Haltung vermitteln, die allen Menschen gilt, unabhängig von ihrem Status, ihrer Herkunft oder ihrem Handeln. Eine Haltung, die die Botschaft des Evangeliums widerspiegelt und uns selbst gilt, die uns verändert und durch uns sichtbar wird für die Menschen um uns herum. Es geschieht, wie so oft in der Bibel, eine Ermächtigung der Machtlosen, bekannter ist in diesem Zusammenhang der englische Ausdruck: empowerment of the poor.

Gott hat sein Reich immer schon durch die Außenseiter, Unterdrückten und am Rande Stehenden...

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