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E-Book

Ein Tag im Alten Rom

Alltägliche, geheimnisvolle und verblüffende Tatsachen

AutorAlberto Angela
VerlagRiemann
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl416 Seiten
ISBN9783641121419
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Das Alte Rom wird lebendig: eine faszinierende Zeitreise in die antike Welt
Wie wickelt man eine Toga? Wie teuer ist ein Sklave? Was bedeutet römisches Kamasutra? Wie bereitet man den besten Flamingo-Braten zu? Alberto Angela nimmt seine Leser mit auf einen faszinierenden Spaziergang durch das Rom der Antike und wirft einen Blick in prächtige Patrizierhäuser, Kochtöpfe und Schlafzimmer. Dabei entdeckt er erstaunliche, geheimnisvolle und spannende Details aus dem Alltagsleben der alten Römer. Geschichte, wie sie lebendiger und anschaulicher nicht sein könnte!

Alberto Angela wurde 1962 in Paris geboren. In Rom studierte er Naturwissenschaften. Als Paläontologe nahm er an zahlreichen Ausgrabungsprojekten in Afrika und Asien teil und ist heute ein populärer Fernsehmoderator für naturwissenschaftliche Sendungen in Italien. Angela ist Mitglied des Istituto Italiano di Paleontologia in Rom sowie am Centro Studi e Ricerche Ligabue in Venedig. Gemeinsam mit seinem Vater Piero, einem bekannten Archäologen, Journalisten und Autor, hat er mehrere Bücher veröffentlicht.

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Leseprobe

6.00 Uhr


Domus, die Wohnstatt der Reichen


Wo leben die alten Römer? Und wie sehen ihre Häuser aus? Aus Kino- und Fernsehfilmen sind wir an helle Häuser mit Säulengängen, Innengärten, mit Fresken verzierte Zimmer, kleine Brunnen und Triklinien (»Speisezimmer«) gewöhnt. Aber die Wirklichkeit sieht ganz anders aus. Nur die Reichen und Adligen, von denen es nicht viele gibt, können es sich leisten, in Villen mit Sklaven zu leben. Die überwältigende Mehrheit der Einwohner Roms lebt zusammengepfercht in großen Wohnquartieren, und das häufig unter schwierigen Bedingungen, die einen an die Armenviertel in Bombay denken lassen könnten.

Aber der Reihe nach. Beginnen wir mit den Häusern, in denen die Elite Roms wohnt, den Häusern der Reichen, den sogenannten domus. Unter Kaiser Konstantin hat man in Rom 1790 davon gezählt, eine sicher beachtliche Zahl. Sie sahen nicht alle gleich aus: Manche waren groß, andere klein, was auf den chronischen Platzmangel im Rom Trajans zurückzuführen war. Das domus,1 das wir jetzt besuchen, hat aber die klassische, »antike« Gestalt, die ihrem Eigentümer vor Stolz die Brust schwellen lässt.

Was an diesem Stadthaus am meisten überrascht, ist sein Anblick von außen: Es scheint in sich selbst gekehrt zu sein, wie eine Auster. Und tatsächlich, man muss sich das typische römische Stadthaus wie eine kleine Festung der Fremdenlegion vorstellen: Es hat keine Fenster, höchstens ein paar kleine, immer ganz oben. Es hat keine Balkone, und seine Außenmauer schirmt es von der restlichen Welt ab. Seine Struktur spiegelt die der archaischen, mit einer Umfassungsmauer umgebenen familienbetriebenen Bauernhäuser aus den Anfängen der latinischen und römischen Kultur wider.

Der Abstand vom städtischen Chaos wird schon an der Eingangstür deutlich, die sich quasi anonym der Straße zeigt. Zu ihren Seiten befinden sich zahlreiche Läden, die aber um diese Uhrzeit alle noch geschlossen sind. Den Haupteingang bildet ein hohes, zweiflügliges Holztor mit großen Bronzebeschlägen. Im Zentrum jedes Flügels ist ein Wolfskopf angebracht, ebenfalls aus Bronze, der einen großen, als Türklopfer dienenden Ring im Maul hält.

Hinter dem Tor beginnt ein kurzer Korridor. Mit unseren ersten Schritten betreten wir ein Mosaik, auf dem ein bedrohlicher Hund abgebildet ist und darunter der Schriftzug Cave canem, Vorsicht vor dem Hund. Für dieses Motiv haben sich sehr viele entschieden, auch wenn wir es vornehmlich aus den Villen in Pompeji kennen. Tatsächlich waren auch schon zu Zeiten des Alten Roms Diebe und Hausierer ein Problem.

Nach wenigen Schritten erblicken wir auf einer Seite des Korridors ein kleines Zimmer, in dem ein Mann auf einem Stuhl eingenickt ist. Es ist der Portier des Hauses, der Sklave, der den Eingang bewacht. Neben ihm, wie ein Hund auf der Erde, schläft ein Junge: Es wird wohl sein Assistent sein. Im Haus schlafen noch alle; und das gestattet es uns, die Villa ungestört zu erkunden.

Nach ein paar weiteren Schritten öffnet sich der Korridor in einen mächtigen Raum: das Atrium. Es ist ein rechteckiger, großzügiger, bunter Saal, geschmückt mit lebhaften Fresken, die schon langsam vom Licht der Morgendämmerung erhellt werden. Doch woher kommt dieses Licht, wenn es doch keine Fenster gibt? Ein Blick nach oben gibt uns die Antwort: In der Mitte der Decke fehlt ein ganzes Stück vom Dach. Es ist eine große, quadratische Öffnung, in die das Licht fällt wie in einen Innenhof. Es ist eine wahre Kaskade aus Licht, die senkrecht ins Atrium fällt und sich dann seitlich in die verschiedenen Zimmer ergießt.

Aber diese Öffnung ist nicht nur dazu gedacht, das Licht hereinzulassen. Sie lässt auch noch etwas anderes herein, nämlich das Regenwasser. Wenn es regnet, sammeln sich die einzelnen Tropfen auf dem großflächigen Dach über dem Atrium und werden wie in einem Trichter in Richtung der Öffnung geleitet. Dort strömen Bäche von Wasser aus den Mündern einiger Tonfiguren, die längs der Dachränder aufgestellt sind, und fallen tosend ins Atrium hinab. Während eines Gewitters kann dieses Geräusch ohrenbetäubend sein.

All dies Wasser ist aber nicht vergeudet: Es fällt mit großer Präzision genau in die Mitte eines breiten quadratischen Wasserbeckens im Zentrum des Raums. Es ist das impluvium, eine sehr sinnvolle Erfindung der Antike: Es sammelt das Regenwasser und befördert es in eine unterirdische Zisterne, das Wasserreservoir des Hauses. Ein kleiner Ziehbrunnen entnimmt ihm das täglich benötigte Wasser, und das seit Generationen. Sein Rand hat schon tiefe Rillen vom Hochziehen des Seils.

Das impluvium hat aber auch eine dekorative Funktion: In ihm spiegeln sich der blaue Himmel und die Wolken, sodass es beinahe aussieht wie ein in den Boden eingelassenes Gemälde. Für jeden, der das Haus betritt, sei er Bewohner oder Besucher, ist es ein erster, sehr angenehmer Blickfang.

Aber das impluvium, das wir vor uns haben, hat sogar noch mehr zu bieten: Auf seiner Oberfläche schwimmen Blüten. Sie sind Überbleibsel des Banketts, das gestern Abend in diesem Haus gegeben wurde.

Wie ein Spiegel reflektiert das Wasser im Becken das frühe Morgenlicht überallhin. Die leichte Kräuselung des Wassers, ausgelöst von einer zarten Brise, wirft tanzende Wellen auf die Wände des Hauses, die sich in die Fresken mischen. Wenn man genau hinsieht, gibt es in diesem Raum keine einzige farblose Wand. Überall sind Tafeln mit mythologischen Figuren, kleinen Fantasielandschaften oder geometrischen Mustern angebracht. Die Farben sind leuchtend: Hellblau, Rot, Ockergelb.

Dies alles führt uns zu einer wichtigen Beobachtung: Die Welt der Römer ist sehr bunt, viel bunter als die unsere. Das Innere der Häuser, die öffentlichen Bauwerke, selbst die Kleider der Menschen sind extrem bunt. Letztere stellen zu wichtigen Gelegenheiten ein wahres Feuerwerk verschiedener Farbtöne zur Schau, während wir zumeist ein dunkles oder graues Kleidungsstück als Gipfel der Eleganz empfinden. Es ist schade, dass wir all diese Farbigkeit ganz verloren haben, vor allem auch in unseren Häusern, wo das Weiß der Wände dominiert. Ein alter Römer würde sie wie ein unbemaltes Gemälde empfinden, wie eine weiße Leinwand in ihrem Rahmen.

Setzen wir unseren Erkundungsgang fort. Zu den Seiten des Atriums öffnen sich einige Zimmer. Es sind die Schlafzimmer, die sogenannten cubicula. Im Vergleich zu unseren sind sie extrem klein und dunkel; sie erinnern eher an Zellen als an Schlafzimmer. Niemand von uns würde dort freiwillig schlafen: Es gibt keine Fenster, und als Beleuchtung dient nur das schwache Licht der Öllampen. So sind die meisterhaften Fresken oder Mosaiken nur vage zu erkennen, die diese Zimmer häufig schmücken und die sich heute in Museen befinden, wo sie hell erleuchtet werden. Die alten Römer haben sie nicht so gesehen. Wenn sich ihre Augen aber erst einmal an das Halbdunkel im cubiculum gewöhnt hatten, tauchten die Flämmchen der Öllampen diese Werke in stimmungsvolles Licht und hoben die Landschaften und dargestellten Gesichtszüge plastisch hervor.

In einem Winkel des Atriums beginnt eine Treppe: Sie führt ins obere Stockwerk, wo sich die Sklaven und ein Teil der weiblichen Familienangehörigen aufhalten. Das Erdgeschoss, sozusagen die »Beletage«, ist das Territorium der Männer und vor allem des pater familias (Hausvaters).

Wir gehen weiter, vorbei am Wasserbecken und hin zur gegenüberliegenden Wand. Sie ist zu großen Teilen von einer breiten Holztafel verdeckt, die sich durch Auffalten öffnen lässt. Wir rücken sie zur Seite. Hier befindet sich das tablinum, das »Büro« des Hausherrn. Hier empfängt er seine Klienten. In der Mitte thront ein großer Tisch mit einem beeindruckenden Sessel, während an den Seiten einige Schemel stehen. Alle haben gedrechselte und mit Knochen-, Elfenbein- oder Bronze-Intarsien verzierte Beine. Wir entdecken auch Öllampen auf hohen Kandelabern, ein Holzkohlebecken auf der Erde (an dem man sich aufwärmen kann), wertvolle Silbergegenstände auf dem Tisch, die zweifellos Wohlstand demonstrieren sollen, und Schreibinstrumente.

Durchqueren wir diesen Raum. Dahinter sehen wir einen großen Vorhang. Wir schieben ihn zur Seite und betreten den »intimsten« Teil des Hauses. Bisher haben wir nur den repräsentativen Bereich gesehen, der auch für Fremde einsehbar ist. Hinter dem Vorhang aber gelangt man in den privaten Bereich: das Peristyl, einen geräumigen Innengarten des domus, die kleine grüne Lunge des Hauses. Es ist von einem wunderschönen Säulengang umgeben, von dessen Decke zwischen den einzelnen Säulen Marmorscheiben hängen. In sie eingraviert sind bunte mythologische Figuren. Ihr Name ist bezeichnend, oscilla (Schwingungen), und der Grund dafür ist einsichtig: Wenn es windig ist, schwingen sie sanft hin und her und setzen der Strenge des Säulengangs etwas Bewegtheit entgegen.

Zu dieser frühen Morgenstunde herrscht im Peristyl eine sehr angenehme Atmosphäre. Man ist von einer außergewöhnlichen Vielfalt verschiedenster Gerüche umgeben, die von den Zierpflanzen und aromatischen Heilkräutern herrühren, die im Garten wachsen.

In diesen Gärten finden sich zum Beispiel Myrte, Buchsbaum, Lorbeer, Oleander, Efeu, Akanthus … Aber auch größere Pflanzen wie Zypressen und Platanen. Dazu kommen Blumen wie Veilchen, Narzissen, Lilien, Schwertlilien. Häufig begegnen einem auch weinbewachsene Pergolen. Das Peristyl ist wirklich eine Oase des Friedens. Eine Oase voller Kunstwerke: Die Pflanzen sind nicht willkürlich angeordnet,...

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