Ankunft und Aufenthalt in Rio de Janeiro.
Einleitung. Ankunft. Beschreibung der Stadt. Die Schwarzen und ihre Verhältnisse zu den Weißen. Künste und Wissenschaften. Kirchenfeste. Taufe der kaiserlichen Prinzessin. Feste in den Kasernen. Klima und Vegetation. Sitten und Gebräuche. Einige Worte an die Auswanderer. Statistische Notizen über Brasilien.
Ich hielt mich, die kürzeren und längeren Ausflüge in das Innere des Landes abgerechnet, über zwei Monate in Rio de Janeiro auf; will aber meine Leser durchaus nicht mit einem vollständigen Verzeichnisse aller geringfügigen, alltäglichen Ereignisse ermüden, sondern ihnen nur im Allgemeinen das Hervorragende der Stadt, und der Sitten und Gebräuche ihrer Einwohner erzählen, wie ich Gelegenheit hatte es während meines Aufenthaltes kennen zu lernen; die Beschreibung meiner Ausflüge werde ich in der Form eines Anhanges folgen lassen, und erst dann wieder den Faden meines Tagebuches ergreifen.
Es war am 17. September Morgens, als ich nach beinahe 2 1/2 Monaten zum erstenmale wieder festen Boden betrat. Der Kapitän geleitete uns Reisende selbst an's Land, nachdem er noch Jedem angelegentlich empfohlen hatte, ja nichts einzuschmuggeln und ganz besonders keine versiegelten Briefe. "Nirgends," versicherte er, "seien die Zollbeamten so strenge und die Strafen so groß."
Als wir das Wachtschiff erblickten, waren wir daher beinahe ängstlich, und meinten vom Kopfe bis zu den Füßen untersucht zu werden. Der Kapitän bat um die Erlaubniß, mit uns an's Land gehen zu dürfen. Dies wurde sogleich bewilligt, — und damit war die ganze Sache abgethan. So lange wir auf dem Schiffe wohnten, und nach der Stadt hin- und herfuhren, wurden wir nie einer Untersuchung ausgesetzt; nur als wir Kisten und Koffer mitnahmen, mußten wir nach dem Zollhause fahren, wo die Untersuchung strenge, und der Zoll für Waaren, Bücher, u.s.f. sehr groß ist.
Wir landeten an der Praya dos Minieros, einem schmutzigen, ekelhaften Platze, bevölkert mit einigen Dutzenden eben so schmutziger, ekelhafter Schwarzen, die auf dem Boden kauerten, und Früchte und Näschereien zum Verkaufe laut schreiend und preisend anboten. — Von da kamen wir gleich in die Hauptstraße (Rua direita), deren einzige Schönheit ihre Breite ist. Sie enthält mehrere öffentliche Gebäude, wie das Zollhaus, die Post, die Börse, Wache u.s.w., die aber Alle so unansehnlich sind, daß man sie gar nicht bemerken würde, ständen nicht immer viele Leute davor.
Am Ende dieser Straße liegt das kaiserliche Schloß, ein ganz gewöhnliches großes Privatgebäude, ohne Ansprüche auf Geschmack und schöne Architektur. Der Platz davor (Largo do Paco), mit einem einfachen Brunnen geziert, ist sehr unrein, und dient des Nachts vielen armen, freien Negern zur Schlafstelle, die dann des Morgens ihre Toilette ganz ungenirt vor aller Leute Augen machen. Ein Theil des Platzes ist von einer Mauer umfaßt, und wird als Fisch-, Obst-, Gemüse und Geflügel-Markt verwendet.
Von den übrigen Straßen sind noch die Rua Misericorda und Ouvidor die interessantesten, letztere enthält die reichsten und größten Waarenlager, doch darf man weder die schönen Auslagen europäischer Städte erwarten, noch findet man besonders viel Schönes oder Kostbares. Das einzige, was mich besonders anzog, waren die Blumen-Magazine, in welchen die herrlichsten Blumen, künstlich aus Vogelfedern, Fischschuppen und Käferflügeln verfertiget, zur Schau gestellt waren.
Unter den Plätzen ist der Largo do Rocio der schönste, der Largo St. Anna der größte. Auf ersterem, der auch stets ziemlich reinlich gehalten wird, stehen das Opernhaus, das Regierungsgebäude, die Polizei u.s.f. Von hier gehen auch die meisten Omnibus aus, welche die Stadt in allen Richtungen durchkreuzen.
Der letztere ist unter allen Plätzen der schmutzigste; als ich ihn das erstemal betrat, sah ich halbverweste Hunde und Katzen, — ja selbst ein derartiges Maulthier darauf liegen. — Ein Brunnen ist die einzige Zierde dieses Platzes, und beinah möcht' ich es vorziehen, diesen Brunnen hier auch nicht zu sehen, denn, da das Süßwasser in Rio de Janeiro eben nicht in Ueberfluß vorhanden ist, so schlägt die edle Wäscherzunft ihre Stätte auf, wo sich eben Wasser findet, und ganz besonders gerne, wo dabei auch gleich ein Platz zum Trocknen ist. Da wird also gewachsen und getrocknet, geschrien und gelärmt, daß man froh ist, den Platz hinter sich zu bekommen.
Die Kirchen bieten nichts Sehenswerthes, weder von Außen noch von Innen. Am meisten täuschen noch die Kirche und das Kloster St. Bento, und die Kirche Candelaria, die sich von der Ferne besonders gut machen.
Der einzig wahrhaft schöne und großartige Bau ist die Wasserleitung, die an manchen Stellen wirklich einem ächt römischen Werke gleicht.
Die Häuser sind nach europäischer Art gebaut, aber klein und unansehnlich; die meisten haben nur ein Erdgeschoß, oder ein Stockwerk, — zwei Stockwerke sind eine etwas seltene Sache. Auch findet man hier nicht, wie in andern heißen Ländern, Terrassen und Veranden mit schönen Geländern und Blumen geziert. Geschmacklose und kleine Balkone hängen an den Wänden, und plumpe hölzerne Läden schließen die Fenster, um der Sonne jeden Blick in die Zimmer zu verwehren. Man sitzt beinahe in vollkommener Dunkelheit, was übrigens den brasilianischen Damen, die sich im Arbeiten oder Lesen gewiß nie übernehmen, höchst gleichgültig ist.
Die Stadt bietet also an Plätzen, Straßen und Gebäuden dem Fremden durchaus nichts Anziehendes; wahrhaft abschreckend sind aber die Menschen, welchen man begegnet — beinahe durchgehends nur Neger und Negerinnen mit den plattgedrückten, häßlichen Nasern, den wulstigen Lippen und kurz gekrausten Haaren. Dazu sind sie meist noch halb nackt, mit elenden Lumpen bedeckt, oder sie stecken in europäisch geformten, abgetragenen Kleidungsstücken ihrer Herren. Auf 4-5 solche Schwarzen kommt dann ein Mulatte, und nur hie und da leuchtet ein Weißer hervor.
Noch widerlicher wird das Bild durch die häufigen Gebrechen, die man überall gewahrt, und worunter ganz besonders die Elephantiasis in schreckliche Klumpfüße ausartet; an Blindheit und andern Uebeln ist auch kein Mangel vorhanden. Ja sogar auf Hunde und Katzen, die in großer Anzahl in den Gassen umher laufen, erstreckt sich die allgemeine Häßlichkeit — auch diese sind meist schäbig, oder voll Wunden und Räuden.
Hierher möchte ich jeden Reisenden zaubern, der vor dem Betreten der Gassen Konstantinopels zurückschreckt, der von dieser Stadt behauptet, der Anblick des Innern zerstöre den Eindruck des Aeußern.
Es ist wahr, daß das Innere Konstantinopels auch höchst unrein ist, daß die vielen kleinen Häuser, die engen Gassen und holprigen Wege, die gartigen Hunde u.s.w. dem Beschauer nicht sehr malerisch erscheinen; — doch bald stößt er wieder auf herrliche Bauten maurischer und römischer Zeiten, auf wundervolle Moscheen und majestätische Palläste, und setzt seine Wanderungen fort durch unermeßliche Friedhöfe und träumerische Cypreseen-Wälder. Er tritt ausweichend zur Seite vor einem Pascha oder hohen Priester, der auf stolzem Rosse reitet und von glänzender Dienerschaft umgeben ist, — er begegnet Turken, in edle Tracht gehüllt, Türkinnen, deren Feueraugen durch den Schleier glänzen, — er sieht Perser mit hohen Mützen, Araber mit edlen Gesichtsbildungen, dazwischen Derwische mit Narrenmützen und gefalteten Weiberröcken, und von Zeit zu Zeit herrlich bemalte, vergoldete Wagen, von prächtig geschirrten Ochsen gezogen. — Dies Alles sind Erscheinungen, die reichlich entschädigen für das Häßliche, das man hie und da erschaut. Dagegen findet man im Innern Rio de Janeiro's nichts, das erfreuen und entschädigen kann, sondern überall tritt hier nur Ekelhaftes und Widerliches vor die Augen.
Erst, nachdem ich manche Woche hier verbracht hatte, war ich in etwas an den Anblick der Schwarzen und Mulatten gewöhnt, und ich fand dann auch unter den jungen Negerinnen artige Gestalten, und unter den etwas dunkelgefärbten Brasilianerinnen und Portugiesinnen hübsche, ausdrucksvolle Gesichter; minder scheint die Gabe der Schönheit dem männlichen Geschlechte verliehen zu sein.
Die Lebhaftigkeit auf den Straßen ist bei weitem nicht so groß, als man nach so vielen Beschreibungen vermuthen würde, und durchaus nicht mit jener in Neapel oder Messina zu vergleichen. Den meisten Lärm machen die lasttragenden Neger, und darunter besonders Jene, welche die Kaffeesäcke an Bord der Schiffe schleppen; sie stimmen dabei einen eintönigen Gesang an, der ihnen zum Takte dient, um gleichen Schritt zu halten, übrigens sehr widrig klingt; doch hat er das Gute, daß der Fußgänger dadurch aufmerksam gemacht wird, und bei Zeiten aus dem Wege gehen kann.
In Brasilien werden alle schweren und unreinen Arbeiten in und außer dem Hause durch Schwarze verrichtet, die hier überhaupt die Stelle des niederen Volkes vertreten. Doch lernen auch viele Handwerke, und manche derselben sind dabei den geschicktesten Europäern gleichzustellen. Ich sah in den elegantesten Werkstätten Schwarze mit Verfertigung von Kleidern, Schuhen, Tapezier-, Gold-, Silber-Arbeiten u.s.w. beschäftiget, und traf manch zierlich gekleidetes Negermädchen, am feinsten Damenputze, an den zartesten Stickereien arbeitend. Ich glaubte fürwahr oft zu träumen, wenn ich diese armen Geschöpfe, die ich mir als freie Wilde in ihren heimathlichen Wäldern vorstellte, in den Läden und Zimmern solch' feine Geschäfte vollbringen sah! Und dennoch scheint es ihnen nicht so schwer zu fallen, als man glauben sollte. Sie...