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Eine Untersuchung der Funktionen des ethnographischen Museums für unsere Gegenwart

Zwischen Raritätenkabinett und Forum der Kulturen

AutorClaudia Scheffler
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl96 Seiten
ISBN9783638886130
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Magisterarbeit aus dem Jahr 2007 im Fachbereich Ethnologie / Volkskunde, Note: 2,0, Humboldt-Universität zu Berlin (Institut für Europäische Ethnologie), 104 Quellen im Literaturverzeichnis, Sprache: Deutsch, Abstract: In einer globalisierten Welt, in der alles immer schnelleren Veränderungen unterworfen ist und Kulturen sich mehr und mehr vermischen, muss auch eine Institution wie das Museum seine gesellschaftlichen Funktionen stetig reflektieren und neu definieren. Das ethnologische Museum hat den Anspruch, Vermittler zu einer anderen Welt zu sein. Aber brauchen wir diese Vermittlung überhaupt noch? Aufgrund der sich stets weiter entwickelnden Verkehrstechnologie und der damit verbundenen unbegrenzten Mobilität, können wir heute fast jeden Winkel der Welt bequem bereisen. Oder wir nutzen Medien wie das Internet, das uns mit nur wenigen Mausklicken ferne Länder auf dem Bildschirm erscheinen und virtuell entdecken lässt. Auch Museen folgen übrigens diesem Trend und digitalisieren ihre Bestände und geben uns so die Möglichkeit, Sammlungen via Internet einzusehen. Ethnologische Museen konkurrieren also nicht nur mit anderen Museen um die Gunst der Besucher. Das Problem reicht tiefer. Es stellt sich die Frage, ob das ethnologische Museum im Zeitalter grenzenloser Mobilität und globaler Vernetzung überhaupt noch einen Sinn macht. Brauchen wir sie in der Zukunft noch? Ich möchte in diesem letzten Kapitel überlegen, welchen Herausforderungen die ethnologischen Museen in der Zukunft begegnen werden und welche aktuellen Themen museal verarbeitet werden könnten. Wie können ethnographische Museen einen Beitrag für die Gesellschaft leisten, die aufgrund der Globalisierung und kulturellen Hybridisierung stets neuen Veränderungen gegenübersteht? Welche zeitliche Orientierung sollte ein modernes, ethnologisches Museum haben? Soll es seine Thematik weiterhin nur auf die Vergangenheit setzen oder sich auch den Problematiken und Themenkomplexen der Gegenwart öffnen?

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Leseprobe

1. Die Sozialgeschichte der ethnographischen Museen


 

Der Ursprung des Europäischen Museums liegt in Griechenland. Sein Name ist verbunden mit den Schützerinnen der freien Künste  - den Musen, die die Töchter des Zeus und der Mnemosyne waren. „Die Orte, an denen nach antiken Vorstellungen die Musen wohnten – es waren heilige Berge und Wälder, denen heilige Quellen entsprangen – wurden „museion“ genannt.“ (FLÜGEL 2005:35) Das Wort „museion“, als eine Ableitung aus dem griechischen Wort „mousa“ für Muse, bedeutet etymologisch „zunächst entlehnt in der Bedeutung Studierzimmer; im 17. Jahrhundert dann Kunstsammlung.“ (KLUGE 1999:576)

 

Die eigentliche Geschichte des Museums beginnt Ende des 15. Jahrhunderts, als in ganz Europa weltliche und klerikale Herrscher damit begannen, Schatzkammern einzurichten und sie mit Kunst- und Wertgegenständen aus Beutezügen füllten. (dazu WOHLFROMM 1992) Auch die Sammeltätigkeit der katholischen Kirche zu diesem Zeitpunkt kann als ein Vorläufer des Museums angesehen werden. Und im Gegensatz zu den verborgenen Schätzen der klerikalen Herrscher, öffneten die Kirchen ihre Sammlungen an bestimmten Tagen auch für ein Publikum. An Festtagen und bei sogenannten Heiligtumsschauen wurden die Reliquien der Märtyrer und anderer Heiliger öffentlich ausgestellt, um an ihnen die Geschichte des Christentums und die Ursprünge der Kirche zu vergegenwärtigen.

 

Als entscheidende Vorstufe des Museums jedoch gelten die Kunstkammern und Raritätenkabinette, die private Sammler wie Fürsten, Gelehrte oder Künstler in dieser Zeit aufbauten. Bedingung für diese Sammlungen war die steigende Zahl der Fernreisen: „Die aus fernen Ländern zurückkehrenden Expeditionen bringen nämlich nicht nur äußerst gewinnträchtige Waren mit, sondern auch ein neues Wissen. Textilien, Goldschmiedearbeiten, Porzellangeschirr, Federgewänder, Fetische, Exemplare der fremden Fauna und Flora, Muscheln und Steine gelangen nun in großer Zahl in die Kabinette von Fürsten und Gelehrten.“(POMIAN 1994:57) Die Bedeutung dieser Gegenstände für ihren Sammler lag dabei nicht in ihrem Gebrauchs- oder Erkenntniswert, sondern in ihrer Repräsentationsfunktion. Sie zeugten von der Existenz exotischer Länder und fremder Völker. Die gesammelten Objekte wurden noch nicht wie wissenschaftliche Forschungsgegenstände behandelt, sondern dienten als faszinierende Raritäten und Kuriositäten aus unbekannten Orten der Welt.

 

Ein weiterer Eckpunkt in der Geschichte der europäischen Sammeltätigkeit ist das sich ausweitende Mäzenatentum im 15. Jahrhundert. Für jeden fürstlichen Sammler, der auf sein Ansehen bedacht war, wurde es zur Pflicht, die schönen Künste zu fördern und am Hofe Maler, Bildhauer oder Graveure arbeiten zu lassen. Dabei wurden die Objekte weniger um ihrer selbst willen in Auftrag gegeben und gesammelt, sondern vor allem, um die eigene Macht und Herrlichkeit zur Schau zu stellen. Sammeln war einer kleinen Elite vorbehalten und der Kauf besonders wertvoller Stücke diente dazu, die Stellung innerhalb dieses geschlossenen Milieus zu behaupten bzw. zu verbessern. Die Sammlung war Ausdruck der eigenen Machtfülle und repräsentierte die Geschichte der Herrscherfamilie. Wie eng diese Verbindung war zeigte sich, wenn Sammlungen nach dem Tod eines Fürsten aufgelöst und von den Erben verkauft werden mussten. „Der Verlust oder der zwangsweise Verkauf einer Sammlung, die nicht selten das Ergebnis leidenschaftlicher Anstrengung von Generationen gewesen war, wurde leicht als die Auflösung eines Teils der Geschichte von Dynastien gesehen, als Minderung von Prestige und teilweisen Verlust des Rechtes, Macht auszuüben.“(GROTE 1994:178).

 

Mit der Entstehung der modernen Naturwissenschaften zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert entwickelt sich zugleich eine neue Sichtweise der Gelehrten auf die gesammelten Gegenstände. Die methodische und vergleichende Betrachtungsweise von Objekten innerhalb der Naturwissenschaften unter Zuhilfenahme neuartiger Beobachtungs- und Messinstrumente, findet ihre Anwendung auch auf die privaten Sammlungen. Anstatt die Gegenstände wie bisher nur in den Schatzkammern zu horten, beginnt man nun, die Sammlungen nach Sachgruppen sowie räumlichen und zeitlichen Kriterien zu klassifizieren und inventarisieren, und stellt so eine Ordnung her, die Bezüge zwischen den Objekten entstehen lässt. Die gesammelten Objekte werden nicht mehr nur wegen ihres Geld- und Prestigewertes gesammelt, sondern zur Aneignung von Wissen. Aus den ungeordneten Schatzkammern wurden somit erste wissenschaftliche Sammlungen und in dieser Zeit entwickeln sich auch das Interesse und die Vorstellung, durch Sammlungen die Natur- und Kunstgeschichte der Welt abbilden zu können.

 

Die ersten öffentlich zugänglichen Sammlungen, und damit die ersten Museen, so wie wir sie heute kennen, entstanden im 17. Jahrhundert. Es waren die Nachlässe gelehrter Bürger, die von Universitäten bzw. Stadtgemeinden aufgekauft und dann einem größeren Publikum zugänglich gemacht wurden. Das erste Museum, das in staatlicher Trägerschaft errichtet wurde, ist das „British Museum“, das am 15.01.1759 seine Pforten öffnete. Allerdings war es lange Zeit einer kleinen, gut situierten Bevölkerungsschicht vorbehalten das Haus zu betreten und auch nur dann, wenn der Besuch vorher schriftlich beantragt worden war. „Die Museumsleitung verwahrte sich gegen unterhaltungssuchende Unterschichten-Besucher und betonte die Wissenschaftlichkeit und Reputation des Hauses.“ (GERCHOW 2002:342)

 

Als erster vollkommen eigenständiger Museumsbau in Deutschland gilt das Museum Fridericianum in Kassel, das 1769-1779 gebaut wurde, um die Sammlungen des Landgrafen Friedrich II. von Hessen-Kassel aufzunehmen, der sie der Öffentlichkeit seiner Residenzstadt zur Verfügung stellte. (dazu GERCHOW 2002) Im Vergleich zu England waren es in Deutschland vor allem die Fürsten, die bis ins 19. Jahrhundert hinein ihre Sammlungen dem Publikum sukzessiv öffneten und das neue Medium des Museums dazu nutzten, „ihre politische Position mit kulturellen Mitteln zu stärken.“(GERCHOW 2002:343)

 

In Frankreich markierte die Französische Revolution den zentralen Umbruch der europäischen Erinnerungskultur. Die Enteignung und Säkularisierung von Schlössern und Kirchen im Anschluss an die französische Revolution führte dazu, dass aus privaten Kunst- und Kuriositätensammlungen öffentlich zugängliche Museen wurden. Unter der Führung Napoleons erhielt Frankreich 15 neue Museen, in denen die Kunstobjekte, die er während seiner Feldzüge erbeutete, zum ersten Mal der Öffentlichkeit gezeigt wurden. „Mehr noch haben jedoch die nach der Niederlage Napoleons 1814 einsetzenden Rücktransporte die Idee des nationalen Museums in die europäische Staatenwelt verbreitet. Feierlichkeiten und Ausstellungen empfingen die als „nationales Kulturgut“ zurückgewonnenen Adels- und Kirchenschätze.“ (GERCHOW 2002:346) 

 

Die Entstehung der völkerkundlichen Museen verlief parallel zur Entstehung der Ethnologie als Wissenschaftsdisziplin. Während naturwissenschaftliche Disziplinen wie Zoologie oder Biologie schon im 18. Jahrhundert damit begonnen hatten, wissenschaftliche Sammlungen aufzubauen, stand das ethnologische Sammeln um die Mitte des 19. Jahrhunderts noch ganz am Anfang. Als Wissenschaft führte die Ethnologie ein bescheidenes Dasein als Teilgebiet der Geographie und Geschichte, oder der Anthropologie und Naturwissenschaften. Die stetige Zunahme an wissenschaftlichen Erkenntnisgegenständen in den einzelnen Disziplinen führte zu einer Differenzierung der Fachgebiete. „Dass das 19. Jahrhundert die Periode der Gründung eigenständiger völkerkundlicher Museen wurde, hat mit der naturwissenschaftlichen Orientierung der Zeit und ganz praktisch mit dem Anwachsen der viele Fächer umfassenden Sammlungen zu tun, die einfach aufgeteilt und untergebracht werden mussten.“ (ZWERNEMANN 1991:15) Das ethnologische Sammlungen zumeist aus naturwissenschaftlichen Sammlungen hervorgingen, zeigt sich z.B. in der Geschichte des „Museum für Völkerkunde“ in Hamburg. Innerhalb des Naturhistorischen Museums wurde 1867 eine eigene kleine Ausstellung unter dem Titel "Die Ethnographische oder Sammlung für Völkerkunde im Anschluss an das Naturhistorische Museum in Hamburg" eröffnet. Diese Sammlung wies zunächst einen Bestand von 645 Objekten auf und wuchs mit der Zeit stetig an, so dass die ethnographische Sammlung zusammen mit der Naturhistorischen Sammlung 1871 in ein größeres Gebäude umziehen musste und in „Culturhistorisches Museum“ umbenannt wurde. 1879 schließlich wurde das „Museum für Völkerkunde“ gegründet, das mit Georg Thilenius 1904 seinen ersten hauptamtlichen Direktor erhielt.

 

Die Wurzeln des Berliner Ethnologischen Museums reichen bis weit in das 17. Jahrhundert zurück. Die frühesten ethnographischen Objekte entstammen dem Kunst- und Raritätenkabinett des Großen Kurfürsten Friedrich  Wilhelm I., der Raritäten wie Waffen, Geräte und Naturalien aus fremden Erdteilen sammelte. Später entwickelte sich daraus die Königlich- Preußische Kunstkammer, aus deren Beständen dann 1829 eine „Ethnographische Sammlung“ gebildet wurde. Unter seinen Nachfolgern (Friedrich II. und Friedrich Wilhelm III.) erweiterte sich die Sammlung stetig und es war Alexander von Humboldt, der 1829 zusammen mit Carl Ritter, Friedrich Wilhelm...

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