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E-Book

Chemische Evolution und der Ursprung des Lebens

AutorHorst Rauchfuss
VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2006
Seitenanzahl414 Seiten
ISBN9783540276661
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Der Entschluß, ein Buch über den Ursprung (bzw. die Ursprünge) des - bens zu verfassen, setzt voraus, daß man von diesem wissenschaftlichen 'großen Problem' noch immer fasziniert ist, wenn auch die erste intensive Beschäftigung mit dieser Thematik mehr als drei Jahrzehnte zurückliegt. Experimentelle Arbeiten über Protein-Modellsubstanzen unter den si- lierten Bedingungen der Urerde führten zur Entstehung eines der ersten deutschsprachigen Bücher über 'Chemische und Molekulare Evolution', das ich mit Klaus Dose (Mainz), von dem auch die Initiative ausging, v- faßte. Die enorme Erweiterung und Differenzierung dieses Forschungsgebietes führte in den letzten Jahren zur Gründung eines neuen, interdisziplinären Wissenschaftszweiges, der 'Exo-/Astrobiologie'. Sie verfolgt das we- gespannte, ehrgeizige Ziel, das Phänomen 'Leben' im gesamten Kosmos zu erforschen. In den folgenden Kapiteln wird ein Überblick über die vielfältigen - mühungen von Wissenschaftlern gegeben, Antworten auf die Frage nach dem 'Woher' des Lebens zu finden. Dabei ist über Erfolge, aber auch Mißerfolge sowie über Diskussionen und gelegentlich harte Kontroversen zu berichten. Es soll aber auch deutlich dargestellt werden, wie viele of- ne Fragen und ungeklärte Rätsel noch auf eine Antwort warten. Es sind - ren mehr, als gern eingestanden wird! - Die Fülle an wissenschaftlichen Publikationen macht es leider unmöglich, über alle Bereiche dieses int- disziplinär ausgerichteten Teilgebietes der Naturwissenschaften mit gl- cher Ausführlichkeit zu berichten.

Prof. Dr. Horst Rauchfuss absolvierte sein Chemiestudium an der Goethe-Universität in Frankfurt/Main, wo er in Biochemie diplomierte und promovierte. Anschließend arbeitete er am Max-Planck-Institut für Biophysik in Frankfurt/Main. Er verfasste u.a. Arbeiten zur 'Präbiotischen Chemie', wie z. B. 'Proteinoide'. Er wurde an die PH-Ruhr bzw. Universität Dortmund an den Lehrstuhl 'Chemie und ihre Didaktik' berufen und ist Autor mehrerer Bücher. Mit seinen populärwissenschaftlichen Vorträgen zur Entstehung des Lebens ist er bundesweit bekannt.

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Leseprobe
10 Urzellen und Zellmodelle (S. 307-308)


10.1 Paleontologische Befunde

Die frühe Phase der Erdgeschichte vor 4 bis etwa 3,8 Milliarden Jahren liegt, wie der Zeitraum vor dieser Periode, noch völlig im Dunkel unserer Unkenntnis. Mögliche Zeugen aus diesen archaischen Phasen der Erdgeschichte könnten helfen, das Dunkel aufzuhellen.

Es geht also um die Spurensuche nach möglichen Resten ersten primitiven Lebens auf unserem Planeten – die Suche nach Fossilien, genauer nach Mikrofossilien. Darunter versteht man die Reste ehemals lebender Zellen. Es sind meist nur die Zellwände, die erhalten blieben. Sie können aus dem umgebenden Sedimentgestein isoliert werden, wenn die silikathaltigen, sulfidischen und karbonatreichen Mineralien chemisch aufgelöst wurden. Der kohlenstoffhaltige Rückstand enthält dann die Mikrofossilien, von denen für die nachfolgenden mikroskopischen Untersuchungen transparente, dünne Plättchen hergestellt werden.

Eine weitere wichtige Methode, um frühes Leben aufzuspüren, führt über das Verhältnis der beiden Kohlenstoffisotope 12C und 13C. Bei biologischen Prozessen wird das leichtere Isotop12C (der „normale Kohlenstoff") bevorzugt in Biomoleküle eingebaut. Aus dem Verhältnis 13C/12C schließt man auf das Vorliegen von Material, das durch Lebensprozesse entstand. Entscheidend für eine gesicherte Aussage ist natürlich, daß andere, nicht-biologische Ereignisse völlig auszuschließen sind. Ob dies in jedem Falle möglich sein dürfte - ist fraglich. Vor allem dann, wenn nicht alle geologischen Prozesse, die vor 3–4 Milliarden Jahren abliefen, genau bekannt sind.

Es gibt drei Arten von Beweisen für das erste Leben auf unserer Erde. Diese drei sind voneinander unabhängig, verstärken sich aber gegenseitig:

Stromatoliten,
zelluläre Fossilien,
biologisch gebildete C-haltige Materie.

Stromatoliten sind lamellenartig gelagerte kalkreiche Fossilien mit einer Feinschichtung im Millimeter-Bereich, die in vielerlei Formen auftreten können. Sie entstanden durch die Lebensfunktionen von Blaugrünalgen (Cyanobakterien).

Zelluläre Fossilien werden mikroskopisch und neuerdings mit Hilfe der Laser-Raman-Spektroskopie (siehe später) untersucht. Die Dünnschliffe der Gesteine zeigen oftmals Zellen in der Größe, Form, zellulären Struktur und Kolonieform, die den heutigen Mikroorganismen stark ähneln. Damit die zuvor bezeichneten Eigenschaften erhalten bleiben, durften die Gesteine niemals über 420 K erhitzt worden sein. Ebenso hätten zelluläre Fossilien höhere Druckbelastungen nicht überstanden.

Die Isotopenzusammensetzung des Kohlenstoffs in C-haltigem, organischem Material („Kerogen") in alten Sedimenten gestattet die Entscheidung, ob in der Phase der Gesteinsbildung photosynthetische Organismen vorhanden waren oder nicht. Dieses Indiz kann noch Auskunft über biologische Aktivitäten geben, falls zelluläre Strukturen bereits zerstört wurden. Das Element Schwefel kann in ähnlicher Weise für Aussagen genutzt werden (Schopf, 1999).

Die ältesten Gesteinsformationen der Erde findet man hauptsächlich in drei Regionen:

– Südafrika,
– West-Australien und
– Grönland.

Folgt man der historischen Entwicklung der Paleontologie, so begann sie zaghaft nach Darwins „Suche nach dem fehlenden Beweis", d. h. den fehlenden Fossilien aus dem Präkambrium, die Darwins Theorie beweisen konnten. 1865 entdeckte Sir John William Dawson (Kanada) die „Eozoön Pseudofossilien" und 1883 James Hall die „Crytozoon Stromatoliten" (Schopf, 1999). Aber die intensive Phase der Paleobiologie des Präkambriums begann in der Mitte des vorigen Jahrhunderts.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort5
Inhaltsverzeichnis9
Einleitung13
1 Historischer Überblick15
1.1 Zeitalter der Mythen15
1.2 Mittelalter19
1.3 Neuere Zeit23
1.4 Das Problem, „Leben“ zu definieren26
Literatur32
2 Kosmos, Sonnensystem und Urerde33
2.1 Kosmostheorien33
2.2 Bildung der Bioelemente38
2.3 Entstehung des Sonnensystems41
2.4 Entstehung der Erde45
2.5 Atmosphäre der Urerde51
2.6 Urozean (Hydrosphäre)56
Literatur61
3 Von den Planeten zur interstellaren Materie65
3.1 Planeten und Satelliten65
3.1.1 Merkur66
3.1.2 Venus66
3.1.3 Mars67
3.1.4 Jupiter70
3.1.5 Jupiter-Monde71
3.1.6 Saturn und Saturnmond Titan77
3.1.7 Uranus und Neptun83
3.1.8 Pluto und Charon84
3.2 Kometen85
3.2.1 Ursprung und Herkunft der Kometen85
3.2.2 Struktur der Kometen86
3.2.3 Komet Halley88
3.2.4 Kometen und Biogenese89
3.3 Meteorite93
3.3.1 Einteilung der Meteorite94
3.3.2 Kohlige Chondrite95
3.3.3 Mikrometeorite100
3.4 Interstellare Materie101
3.4.1 Interstellarer Staub102
3.4.2 Interstellares Gas106
3.4.3 Interstellare Moleküle108
Literatur111
4 „Chemische Evolution“117
4.1 Modellexperimente von Miller-Urey118
4.2 Weitere Aminosäuresynthesen120
4.3 Präbiotische Synthesen der Nucleinsäurebasen124
4.4 Kohlenhydrate und Derivate132
4.5 Blausäure und Derivate136
4.6 Energiequellen für die chemische Evolution141
4.6.1 Energie aus dem Erdinnern und Vulkanismus142
4.6.2 UV-Strahlung von der Sonne145
4.6.3 Energiereiche Strahlung146
4.6.4 Elektrische Entladungen147
4.6.5 Stoßwellen (Schockwellen)148
4.7 Die Rolle der Phosphate150
4.7.1 Allgemeines150
4.7.2 Kondensierte Phosphate152
4.7.3 Experimente zum „Phosphat-Problem“152
Literatur158
5 Peptide und Proteine: die „Protein-Welt“163
5.1 Allgemeines163
5.2 Aminosäuren und Peptidbindung163
5.3 Aktivierung165
5.3.1 Chemische Aktivierung166
5.3.2 Biologische Aktivierung166
5.4 Simulationsexperimente170
5.4.1 Präbiotische Peptide170
5.4.2 Präbiotische Proteine178
5.5 Neue Entwicklungen182
Literatur187
6 „RNA-Welt“189
6.1 Einleitende Bemerkungen189
6.2 Synthese von Nucleosiden190
6.3 Synthese von Nucleotiden191
6.4 Synthese von Oligonucleotiden195
6.5 Ribozyme209
6.6 Kritik und Diskussionen um die „RNA-Welt“213
6.7 „Prä-RNA-Welt“215
Literatur227
7 Andere Theorien und Hypothesen231
7.1 Anorganische Systeme231
7.2 Hydrothermale Systeme236
7.2.1 Allgemeines236
7.2.2 Geologische Grundlagen237
7.2.3 Synthesen an hydrothermalen Quellen239
7.2.4 Andere Meinungen241
7.2.5 Reaktionen in superkritischer Phase243
7.2.6 Reaktionen vom Fischer-Tropsch-Typ244
7.3 Chemoautotropher Lebensursprung245
7.4 Die „Thioester-Welt“ von de Duve257
7.5 Atomarer Kohlenstoff in Mineralien263
Literatur264
8 Genetischer Code und weitere Theorien267
8.1 Zum Informationsbegriff267
8.2 Genetischer Code268
8.3 Die Biogenesetheorie von M. Eigen275
8.4 Die Biogenese-Modelle von H. Kuhn282
8.5 Die „Ursprünge“ des Lebens von F. Dyson287
Literatur292
9 Grundlegende Phänomene295
9.1 Thermodynamik und Biogenese295
9.2 Thermodynamik irreversibler Systeme299
9.3 Selbstorganisation302
9.4 Das Chiralitätsproblem308
Literatur316
10 Urzellen und Zellmodelle319
10.1 Paleontologische Befunde319
10.2 Zum Problem der Modellzellen327
10.2.1 Einführende Bemerkungen328
10.2.2 Historisches329
10.2.3 Neue Entwicklungen330
10.3 Der Stammbaum des Lebens338
Literatur347
11 Exo-/Astrobiologie und andere Themen351
11.1 Extraterrestrisches Leben352
11.1.1 Leben in unserem Sonnensystem353
11.1.2 Extrasolares Leben363
11.2 Künstliches Leben (KL)381
11.3 Das „Wann“-Problem383
Literatur386
Epilog389
Verzeichnis der Abkürzungen391
Glossar393
Sachwortverzeichnis403

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