1 Was Sie wissen müssen: Kamera, Objektive & technische Grundlagen
Spiegelreflexkameras sind der Motor der digitalen Videorevolution geworden. Sie bieten professionelle Qualität auch zu relativ niedrigen Preisen. Und die Auswahl an Kameras ist mittlerweile enorm groß. Die Unterschiede zwischen den verschiedenen Modellen sind für Einsteiger kaum noch zu erkennen. Bei solch einem reichhaltigen Angebot wird die Wahl des richtigen Modells zum Problem. Viele Kunden (und Verkäufer) orientieren sich daher vor allem am Preis und an der Megapixelanzahl des Geräts.
Aber es gibt noch andere Kriterien. Meine Leitfragen bei einem Kamerakauf sind vergleichweise untechnisch:
- Wie viel Geld kann ich ausgeben? (Budget)
- Was will ich am Ende mit den Videos machen? (Zielgruppe)
- Ist die Kamera angenehm und handlich zu bedienen? (dauerhafte Nutzung)
- Wann kommt das nächste Produktupdate? (Zeitpunkt des Kaufs)
- Welches Speichermedium wird genutzt? (weitere Ausgaben bei Erstkauf)
- Wie zufrieden sind andere Käufer? (Kundenrezensionen)
Aber natürlich geht es auch um Technik, und deshalb sollten Sie die Bestandteile einer DSLR genauer kennen. Allerdings: Ich habe mich bewusst dagegen entschieden, hier einzelne Kameramodelle vorzustellen oder gar zu empfehlen. Zum einen aus Platzgründen, zum anderen, weil ein gedrucktes Buch nicht mit der Geschwindigkeit mithalten kann, mit der die Kamerahersteller neue Modelle auf den Markt bringen. Eine konkrete Empfehlung ist ohnehin nicht möglich, denn jeder Mensch hat andere Wünsche an eine Video-DSLR.
Aus diesem Grund vermittele ich Ihnen im Folgenden die wichtigsten Basics. Mit diesem Grundverständnis und Ihren eigenen Kaufkriterien finden Sie dann sicher im richtigen Preissegment die für Sie passende Video DSLR-Kamera!
Abb. 1–1 Layoutzeichnungen von DSLR-Kameras © Canon
1.1 DSLR-Grundlagen
1.1.1 Sensor
Das Kernstück ist der Sensor im Gehäuse der Kamera – er macht das Filmen mit der DSLR so einzigartig. Mit den Sensoren kleinerer Consumer-Camcorder könnten Sie zum Beispiel nicht diese Unschärfeeffekte erreichen, die Sie aus dem Kino kennen.
In den modernen DSLR-Kameras kommen sogenannte CMOS-Chips (CMOS = Complementary Metal Oxide Semiconductor) zum Einsatz, die auch Live-MOS-Sensoren genannt werden. CMOS-Sensoren sind lichtstarke und pixelreiche Aufnahmemedien. Das Pixelraster auf den CMOS-Platten kann jeden Pixel einzeln ansteuern und auslesen. Dies erhöht die Qualität im Vergleich zu alten Sensormodellen.
Erst die CMOS-Technologie ermöglichte die Movie- und die Live-View-Funktion in digitalen Spiegelreflexkameras. Mithilfe dieser beiden Funktionen können Sie das Bild während der Aufnahme auf dem digitalen Bildschirm der Kamera betrachten. Vorher wäre das Betrachten des Materials erst nach Beenden der Aufnahme möglich gewesen.
Zu den meist verbauten Sensoren gehören der Vollformat-, APS-C-, Micro Four Thirds- und der 1/2 Zoll-Sensor. Diese unterscheiden sich je nach Hersteller in der Größe und Bauart. Die Kamerahersteller verbauen Vollformat-Chips in die Profi-DSLRs (Canon 5D, Nikon D600 und D800) und kleinere APS-C-Sensoren in die Anwender- und Semiprofi-Modelle (Canon EOS 7D, Nikon D7100).
CMOS-Chips haben Vor- und Nachteile. Zum Beispiel können durch die Art und Weise, wie CMOS-Sensoren Videoclips aufnehmen, bei schneller Bewegung gerade Linien im Bild verzerrt erscheinen (z. B. bei einer Autofahrt, sogenannter Rolling Shutter). Außerdem kommt es bei Blitzlicht während der Videoaufnahme zu großen Helligkeitsunterschieden innerhalb eines Bilds. Schließlich haben Kameras mit Vollformatsensoren eine gewisse Größe und sind somit relativ unhandlich im Vergleich zu Kameras mit kleineren Sensoren.
Abb. 1–2 Die gängigsten Sensorformate
Mit den unterschiedlichen Sensorgrößen kommt nun der sogenannte Crop-Faktor ins Spiel. Er drückt aus, um wie viel sich die effektive Brennweite eines für Vollformatsensoren gebauten Objektivs verändert, wenn es mit einem Sensor kleiner als Vollformat verwendet wird (hierzu später mehr). Bei der Kombination eines APS-C-Sensors mit einem 50-mm-Objektiv vergrößert sich die effektive Brennweite (mal 1,6) auf ca. 80 mm. Multiplizieren Sie also einfach den Crop-Faktor Ihres Sensors mit der Brennweite Ihres Objektivs. Bei Objektiven, die eigens für Crop- oder kleinere Sensoren gebaut wurden, tritt dieser Effekt natürlich nicht auf.
Abb. 1–3 So wirken sich die Crop-Faktoren aus (bei gleichem Objektiv)
In der Praxis bedeutet dies drei Dinge:
- Der von APS-C-Sensoren aufgenommene Bildauschnitt ist beim gleichen Objektiv kleiner (siehe Grafik oben),
- das darin Gezeigte erscheint – verglichen mit dem Vollformat – größer,
- der Tiefenschärfebereich ist bei gleicher Brennweite größer (d. h. der Bereich, innerhalb dessen Ihr Objektiv das Gezeigte scharf darstellt), da er von der Größe des Sensors (und von der Brennweite) abhängt.
Wenn dies alles für Sie eine gestalterische Einschränkung bedeutet, sollten Sie zu einer DSLR mit Vollformatsensor greifen.
Effektive Brennweite
Bedenken Sie, dass sie für weitwinklige/telige Aufnahmen mit kleinen Sensoren auf die effektive Brennweite achten müssen. Ein 24mm-Objektiv reicht vielleicht nicht mehr für Aufnahmen von großen Gebäuden, da seine effektive Brennweite dann bei 40 mm liegt. Möglicherweise müssen Sie später also mehr und teurere Objektive für die kleineren Sensoren kaufen. Sie sollten sich also gut überlegen, ob Sie am Anfang etwas mehr Geld für die Kamera ausgeben und Objektive bedenkenlos nutzen können oder ob Sie weniger in die Kamera investieren und später bei den Objektiven drauflegen müssen.
Die Crop-Faktoren für die einzelnen Sensorgrößen lauten wie folgt:
Tab. 1–1 Gängige Sensorgrößen mit ihren Crop-Faktoren
So wird bei einem Micro-Four-Third-Sensor die Brennweite von 50 mm auf 100 mm verdoppelt. Wenn Sie also eine DSLR mit einem Crop-Faktor haben und sich für den Kauf eines bestimmten Objektivs interessieren, fragen Sie nach: Ist es für Vollformat gerechnet oder für einen Crop-Sensor? Wenn für Vollformat, wie verlängert sich dann die Brennweite des Objektivs? Bei Teleobjektiven mag das Vorteile bringen – aber bei einem Weitwinkel?
Einen direkten Vergleich zwischen den Vollformat-Kameras Canon EOS 5D Mark III, der Nikon D800 und der Nikon D4 können Sie sich hier anschauen: http://philipbloom.net/2012/05/13/fullframeshootout/.
Aufnahmezeit ist bei DSLRs begrenzt
Aus zollrechtlichen Gründen haben die in der EU verkauften Kameraversionen alle eine maximale Aufnahmezeit von 29:59 Minuten. Bei längeren Aufnahmezeiten würden 4,9 % Einfuhrzoll anfallen und dies würde den Verkaufspreis anheben. Mit einer DSLR werden Sie allerdings nie mehr als 12 – 13 Minuten aufnehmen können, da eine Videodatei auf den Speichermedien aus technischen Gründen maximal 4 GB groß sein darf.
1.2 Weshalb Sie verschiedene Objektive benötigen
Die Auswahl an Objektiven ist enorm groß. Es gibt viele verschiedene Brennweiten von verschiedensten Anbietern und das zu sehr unterschiedlichen Preisen. Für einen besseren Überblick erkläre ich Ihnen zunächst drei Objektivtypen: Festbrennweiten, Zoom- und Tilt-Shift-Objektive. Zu den gängigsten Foto-Festbrennweiten für DSLR-Filmer gehören ein 50-mm-, ein 85-mm- und ein 100-mm-Makro-Objektiv. Das beliebteste Zoomobjektiv ist das 70-200-mm-Objektiv mit einer f/2.8-Blende. Was genau dieses »f« bedeutet, erläutere ich später noch.
DSLR-Objektive sind wesentlich günstiger als Filmobjektive und daher eine gute Alternative. Es bestehen aber wesentliche Unterschiede zwischen den beiden Objektivarten:
Beim Scharfstellen (»Schärfeziehen«) im Live-View-Modus kann es zu Veränderungen des Bildausschnitts kommen. Dies hängt mit der Mechanik des Objektivs zusammen. | Keine Bildausschnittveränderung |
Der Schärfering braucht weniger als eine Umdrehung für den Schärfebereich. Dadurch wird das Scharfstellen im Filmbereich erschwert. | Der Schärfering bestimmt den Fokusbereich mit Drehungen über 360 Grad. |
Unproportionale Abstände innerhalb des Schärferings. Eine halbe Drehung zieht die Schärfeebene z. B. zwischen 10 und 2 m. Eine Vierteldrehung zieht zwischen 2 und 0,5 m. Das... |