Kapitel 1:
Grundlagen und Voraussetzungen
1.1 Am Anfang war das Wort
Weit gefasst (und etwas sperrig formuliert, ich gebe es zu) bedeutet der englische Begriff Public Relations die »gezielte und vom eigenen Interesse geleitete Kommunikation im öffentlichen Raum«. Auf Deutsch kommt der Begriff Öffentlichkeitsarbeit der PR am nächsten. In der Zeitschrift Die deutsche Werbung definiert Carl Hundhausen im Jahr 1937 den Begriff Public Relations mit folgenden Worten:
»Public Relations ist die Kunst, durch das gesprochene oder gedruckte Wort, durch Handlungen oder durch sichtbare Symbole für die eigene Firma, deren Produkt oder Dienstleistung eine günstige öffentliche Meinung zu schaffen.«[1]
Diese Definition hat bis heute nicht an Geltung verloren. Nur haben sich die Einsatzgebiete der Kommunikation im Zuge der Digitalisierung mehr und mehr in die virtuelle Welt verschoben: Neben den »klassischen« Medien wie Zeitung, Radio oder dem Fernsehen wird heutzutage hauptsächlich über das Internet kommuniziert. Dies rückt auch das Aktionsfeld des PRlers mehr und mehr in die Digitalwelt. Vielen, gerade jüngeren Unternehmen ist es gar nicht mehr so wichtig, in einem Printmagazin zu erscheinen – denn ihre Zielgruppe ist hauptsächlich digital erreichbar und ihr Fokus so auf die Optimierung ihres digitalen Fußabdrucks (zum Beispiel bei der Google-Suche) ausgerichtet.
In Gablers Wirtschaftslexikon wird die moderne Pressearbeit näher skizziert:
»Zur Wahrung der Interessen der Auftraggeber im Markt der Meinungen (...) werden die eigenen Positionen definiert, Meinungen untersucht, Interessens- und Anspruchsgruppen lokalisiert, Informationen zielgruppenspezifisch aufbereitet und mit ausgewählten Kommunikationsmitteln von der Pressemitteilung über Blogs und Social Networks bis zum Hintergrundgespräch mit Journalisten ins öffentliche Bewusstsein gehoben.«[2]
1.2 Kurze Geschichte der PR
Die Öffentlichkeitsarbeit oder Public Relations ist keine junge Disziplin: Seit Jahrhunderten schon wird versucht, die öffentliche Wahrnehmung zu formen und Einfluss darauf zu nehmen, obgleich der Begriff Public Relations als solcher noch nicht etabliert war. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde die Disziplin mit der Gründung des ersten »Publicity Bureau« in Boston erstmals institutionalisiert. Dieses wurde von einer Reihe ehemaliger Journalisten, darunter der einflussreiche Ivy Lee, der oftmals als Vater der PR bezeichnet wird, gegründet. Es gilt heute als die erste moderne PR-Agentur. 1906 formulierten die Macher des Publicity Bureaus eine Reihe von Grundsätzen für ihre Öffentlichkeitsarbeit – darunter der Anspruch, die Menschen neutral zu informieren, statt ihre Meinung zu eigenen Zwecken zu formen.
Später trugen wichtige Denker wie Edward Bernays mit ihren Werken zur Ausformung der Disziplin der Public Relations bei. Bernays legt in seinem Jahrhundertwerk von 1928, »Propaganda – die Kunst der Public Relations«, dar, warum es eine Notwendigkeit zur Steuerung der Meinung des Volkes gibt. Damals gab es noch keine klare Abgrenzung zwischen »Propaganda« und »Public Relations«. So ist es kaum verwunderlich, dass Bernays stark dafür kritisiert wurde, dass sich sein Buch später in Joseph Goebbels Bibliothek wiederfand. Trotzdem gehört es zu einer der wichtigsten Grundlagen der Unternehmens- und Politikkommunikation. Im Vorwort der neuesten Ausgabe heißt es sogar: »Man muss dieses Buch zur obligatorischen Lektüre aller modernen PR-Manager erklären (...) Empfehlenswert ist Bernays’ Buch dabei als Lektüre, die nicht nur ergötzlich ist, sondern dem Leser lehrreiches Entsetzen verspricht.«[3]
Nach den Propagandamaschinen der Weltkriege mussten Kommunikatoren sich zunächst von ihrem Ruf als »Spindoktoren«, die an der Wahrheit so lange »operieren«, bis sie in einem schönen Licht erscheint, befreien: Zu viel Unheil war durch die gezielte Verführung der Massen hervorgerufen worden. Nichtsdestotrotz bildete sich das Arbeitsfeld Public Relations weiter heraus, etablierte sich als Beruf und professionalisierte sich beständig. Es entstanden Kurse an Universitäten, es wurden neue Talente ausgebildet und mehr und mehr Unternehmen schufen die Stelle eines PR-Managers. 1947 wurde in den USA mit der »Public Relations Society of America« der erste Kommunikations-Verband aus der Taufe gehoben. Zwei der bis heute größten PR-Firmen, Edelman und Burston-Marsteller, wurden 1952 und 1953 gegründet. In den folgenden Jahren war die politische Kommunikation durch den Kalten Krieg dominiert, während sich viele klassische PR-Agenturen auf die Unternehmenskommunikation konzentrierten. Mächtige Agenturen wie Hill & Knowlton begannen, ein internationales Netzwerk zu errichten und Büros auf anderen Kontinenten zu eröffnen, was ihre Arbeit globalisierte. Ab Anfang der 1990er Jahre spezialisierte sich die Branche weiter und Agenturen fingen an, einen Fokus zu setzen: Technologie-PR, Mode-PR oder Finanzkommunikation. In den 2000ern veränderte Social Media die Öffentlichkeitsarbeit; die sozialen Netzwerke führten die PR weg von einseitigen Kommunikationsflüssen und hin zu einer offeneren, Dialog-reicheren Multikanaldisziplin. Trotz der vielen neuen Kanäle, über die im digitalen Zeitalter kommuniziert wird, sind jedoch die Grundlagen der klassischen PR nach wie vor höchst relevant.
1.3 Warum überhaupt PR?
»Some are great, some achieve greatness and some hire public relations officers!« (Daniel J. Borstin)
Public Relations (kurz PR), verstanden im engsten Sinne als Pressearbeit, dient dazu, in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit für ein Unternehmen zu wecken und über seine Entwicklung zu informieren.
Sie ist ebenfalls ein Instrument, um ein bestimmtes Unternehmensimage zu etablieren – etwa, dass es ein sehr guter und fairer Arbeitgeber ist – und Werte, für die es steht, zu transportieren.
Möchte ich persönlich mehr über ein Unternehmen herausfinden, so gebe ich den Unternehmensbegriff in die Suchmaschine ein, lasse mir jedoch zunächst die Ergebnisse aus dem Bereich »Nachrichten« anzeigen. Warum? So bekomme ich die relevantesten Neuigkeiten über die Firma und ihre Branche, oder aber ich sehe, wenn über ein Unternehmen noch gar nicht berichtet wurde.
So schafft eine gute Öffentlichkeitsarbeit einen zusätzlichen Unternehmenswert, der kaum mit Geld kaufbar oder mit Maschinen produzierbar ist: RELEVANZ. Zu vermeiden, dass ein Unternehmen als »nicht relevant« erscheint, weil sich niemand dafür interessiert, ist der Job der PRler.
Die PR ist also ein nützliches Hilfsmittel dafür, die Öffentlichkeit zu informieren, ohne dass dies aus eigener Hand geschieht. Man unterscheidet hier zwischen »owned media« (mehr dazu in Abschnitt 1.4 »Abgrenzung von PR und Marketing«) – das ist alles, was das Unternehmen selbst an Informationsflüssen kontrolliert, zum Beispiel die eigene Webseite, der Newsletter, die Unternehmenszeitung oder der Blog – und »earned media«, das heißt einer Erwähnung in der Presse. Wie der Name schon sagt, muss man sich eine Veröffentlichung in einem externen Nachrichtenkanal erst einmal verdienen – mit relevanten und gut aufgearbeiteten Storys. Ist dies geschafft, erreicht die PR jedoch eine viel größere Leser- oder Zuhörerschaft und damit oftmals mehr Aufmerksamkeit als die eigenen Kanäle. Sie etabliert so eine langfristige Beziehung nicht nur zu Journalisten, sondern auch zu der Zielgruppe. Gute Öffentlichkeitsarbeit zeigt auf, dass ein Unternehmen ein ernst zu nehmender Mitspieler im Wirtschaftsgeschehen ist; ein wichtiger Arbeitgeber in der Region, vielleicht ein Förderer von Kunst, Kultur oder Bildung. Kurz: Lesen Menschen in unabhängigen Medien über ein Unternehmen, erzeugt dies Vertrauen und Glaubwürdigkeit und macht auf subtile Art auf die Dienstleistung oder Produkte der Firma aufmerksam.
Wertschöpfung durch PR
Die PR generiert zwar keine Erträge auf dem direkten Weg, ist jedoch, ähnlich wie das Marketing oder die Forschungs- und Entwicklungsabteilung, als wichtiger Motor für den Erfolg eines Unternehmens anerkannt: Es schafft die Voraussetzung dafür, dass Umsätze, bestenfalls Gewinne, erzielt werden können, denn durch die PR stoßen sowohl Kunden als auch potenzielle Partner auf das Unternehmen.[4] Interessant ist nun, dass in der Unternehmensbewertung lange Zeit nur nach »harten« Faktoren bewertet wurde: Umsatz, Gewinn, Effizienz. Seit einigen Jahren nun gewinnen sogenannte »weiche«, qualitative Faktoren an Aufmerksamkeit. Auch sie, so die Erkenntnis, sind ausschlaggebend für den Unternehmenserfolg und sollten daher in eine Due Diligence mit einbezogen werden. Diese weichen Faktoren wurden von den Harvard-Ökonomen Robert S. Kaplan und David P. Norton im Rahmen der »Balanced Scorecard« definiert.[5] Zu ihnen zählen unter anderem die Bekanntheit, aber auch Reputation und Image eines Unternehmens. Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese immateriellen Vermögenswerte von Firmen zum Teil sogar mehr wert sind als die materiellen. Warum also PR? Weil diese ein nicht zu unterschätzender Teil der Wertschöpfungskette ist und zur Wertsteigerung des Unternehmens beiträgt.
1.4 Abgrenzung von PR und Marketing
»Publicity is absolutely...