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E-Book

Einzelkind - Privileg oder Schicksal

AutorDr. Norbert Arlt
VerlagRenate Götz Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783958495579
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,99 EUR
Das verwöhnte Einzelkind wird meist beneidet und doch ist man unsicher, ob wirklich alles nur von Vorteil ist für diesen Menschen. Seine Klientinnen und Klienten haben den Psychotherapeuten Dr. Arlt viel über das Schicksal von Einzelkindern gelehrt. In seinem Buch zeigt er, dass das Einzelkind, das meist als verwöhnt, verhätschelt und somit als absolut egozentrisch verunglimpft wird, vielleicht ein großes Schicksal trägt, nämlich die Wucht, alle elterlichen Bedürfnisse und alle elterlichen Probleme allein aushalten und austragen zu müssen.

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Leseprobe

Einzelkind - na und?


Einzelkinder sind oft etwas Besonderes


Ein Einzelkind wird nicht von Geschwistern relativiert. In der Mehrkindfamilie erlebt jeder Einzelne, dass immer irgendeiner etwas besser kann. Franz singt schöner. Maria ist besser in der Schule, Karl läuft schneller und Helga kann sich am besten beim Papa einschmeicheln. Diese Erfahrungen führen nicht nur näher zur Realität, sie relativieren auch einiges. Man kann das als wichtige Einschulung in eine realistische Zukunft sehen, aber auch als Hindernis.

Das Einzelkind kann relativ lange nach den Sternen greifen und daran glauben, dass ihm alle Türen und Tore offen stehen. Scheinbar beweisen das viele klingende Namen wie: Karlheinz Böhm, Elvis Presley, Ella Fitzgerald, Clark Gable, Alan Greenspan, John Lennon, Elton John, Franklin D. Roosevelt, Joseph Roth, Anna Netrebko, Shakira, Carlos Kleiber, Sören Kierkegaard, Thomas Bernhard, Peter Handke, Oskar Werner, die drei Astronauten der ersten Mondlandung Neil Armstrong, Michael Collins und Edwin Aldrin.

Natürlich ließe sich auch eine lange Liste berühmter Persönlichkeiten aufzäh-

len, die in Mehrkindfamilien aufgewachsen sind, aber wir richten hier den Blick auf das Einzelkind. Zwei konkrete Beispiele:

Erich Kästner


Wikipedia berichtet, dass Kästner in Dresden als einziges Kind seiner Eltern zur Welt gekommen ist: Sein Vater war Sattlermeister, die Mutter Dienstmädchen und erlernte später den Beruf einer Friseurin. Zu seiner Mutter hatte Kästner eine äußerst intensive Beziehung. In seiner Leipziger und Berliner Zeit verfasste er täglich vertrauteste Briefe oder Postkarten an sie. Auch in seinen Romanen lässt sich immer wieder das Motiv der „Übermutter“ finden. Später kam das Gerücht auf, dass der jüdische Arzt Emil Zimmermann, der Hausarzt der Familie, sein leiblicher Vater gewesen sei. Dieses Gerücht wurde jedoch nie bestätigt.

Es passt dazu, dass Kästner in seiner Biografie schreibt: „Von den Vorfahren

meines Vaters zu erzählen macht nicht die geringsten Schwierigkeiten. Denn ich weiß nichts über sie.“ 6

Der mütterlichen Familie wird aber großer Raum gegeben und schon die Vorfahren werden sehr liebevoll geschildert: „Ja, die Augustins waren ein verwegenes Geschlecht! Aber es half ihnen nicht recht weiter. Obwohl sie Scheunen, Gärten und Wiesen kauften, Hopfen bauten und nicht nur Brot buken, sondern auch Bier brauten.“ 7

Liebevoll erzählt Kästner weiter über seine Mutter: „Was war wohl für ein hübsches, aber armes Mädchen besser? Vor Offizieren davonzulaufen? Gelähmten Damen dumme Bücher vorzulesen und darüber einzuschlafen? Oder sich zu verheiraten und alte Sorgen gegen neue einzutauschen? Hagelwetter gab es überall. Nicht nur dort, wo die Kirschenalleen übers Land liefen.“ 8

Aber eine gute, enge und herzliche Beziehung zur Mutter zu haben, hat auch Schattenseiten. So findet Kästner über diese von ihm so innig geliebte Mama auch andere Worte: „Ida Kästner wollte die vollkommene Mutter ihres Jungen werden. Und weil sie das werden wollte, nahm sie auf niemanden Rücksicht, auch auf sich selber nicht und wurde die vollkommene Mutter. All ihre Liebe und Phantasie, ihren ganzen Fleiß, jede Minute und jeden Gedanken, ihre ganze Existenz setzte sie, fanatisch wie ein besessener Spieler, auf eine einzige Karte, auf mich. Ihr Einsatz hieß: ihr Leben mit Haut und Haar!

Die Spielkarte war ich. Deshalb musste ich gewinnen. Deshalb durfte ich sie nicht enttäuschen. Deshalb wurde ich der beste Schüler und der bravste Sohn. Ich hätte es nicht ertragen, wenn sie ihr großes Spiel verloren hätte. Da sie die vollkommene Mutter sein wollte und war, gab es für mich, die Spielkarte, keinen Zweifel: Ich musste der vollkommene Sohn werden.“ 9

Wir können uns jetzt fragen, wie das Leben Erich Kästners verlaufen wäre, hätte er Geschwister gehabt. Einerseits wäre er entlastet gewesen, denn die Mutter hätte mehrere Spielkarten gehabt, anderseits war es vielleicht auch der Antrieb, zu dem zu werden, was er wurde, ein berühmter Schriftsteller. Kästner war Einzelkind, seine Eltern hatten eine unglückliche Ehe und er wurde besonders geehrt und ausgezeichnet als Kinderbuchautor. War seine Lebenserfahrung der Hintergrund, vor dem er das Leid und die Vielfalt einer Kinderseele so tief und ehrlich erspüren konnte? Sein Buch „Emil und die Detektive“ wurde in 59 Sprachen übersetzt und auch verfilmt!

Aber auch hier ein kritischer Einschub: Heißt berühmt sein auch glücklich sein?

Johann Wolfgang von Goethe, selbst kein Einzelkind, formuliert in diesem Zusammenhang in einem Brief:

„Dienstag, den 27. Januar 1824
Man hat mich immer als einen vom Glück besonders Begünstigten gepriesen; auch will ich mich nicht beklagen und den Gang meines Lebens nicht schelten. Allein im Grunde ist es nichts als Mühe und Arbeit gewesen, und ich kann wohl sagen, dass ich in meinen fünfundsiebzig Jahren keine vier Wochen eigentliches Behagen gehabt. Es war das ewige Wälzen des Steines, der immer von neuem gehoben sein wollte. Meine Annalen werden es deutlich machen, was hiermit gesagt ist. Der Ansprüche an meine Tätigkeit, sowohl von Außen als auch von Innen, waren zu viele.“

Soviel zu der Frage, ob berühmt oder prominent sein auch glücklich sein bedeutet.

Kästner war Hospitant am König-Georg-Gymnasium und war dort der Beste in allen Gegenständen außer in Englisch. Das Kriegsabitur bestand er so gut, dass er das Goldene Stipendium der Stadt Dresden bekam. Er studierte Germanistik, Geschichte, Philosophie und Theatergeschichte.

Zuletzt noch eine charakteristische Begebenheit. Während des Studiums gab ihm seine Mutter am Anfang des Semesters 800 Mark, um davon zu leben. Am Ende des Semesters brachte Kästner seiner Mutter 400 Mark zurück. Wie nahe mussten sich die beiden wohl gefühlt haben?

Wie schwierig diese Mutterbeziehung war, können Sie auch im Kapitel „Die herzkranke Mutter“ nachlesen. Aber immer wieder zeigt sich, dass nichts mehr bindet als eine problematische Elternbeziehung. Es ist ganz offensichtlich, dass Kinder ewig in der Warteschleife bleiben und hoffen und hoffen, doch noch das zu bekommen, was sie so dringend gebraucht hätten - die Liebe. Kein noch so gut gemeinter Hinweis, zur Kenntnis zu nehmen, dass sie es nie bekommen werden, dass doch andere da sind, wie Partner und Freunde, nichts kann diese Menschen zurückhalten, ewig zu warten und zu warten. Dass dabei oft das ganze Leben an diesen Menschen vorbeizieht, ändert auch nichts.

Erich Kästner schildert im Kapitel „Meine Mutter, zu Wasser und zu Lande“ seine Gefühle der Mutter gegenüber: „Und noch einmal - weil eben von Fels und Fluss und Wiesen die Rede war - will ich die Fanfare an die Lippen setzen und das Lob meiner Mutter in die 3 Lüfte schmettern, dass es von den Bergen widerhallt. Aus allen Himmelsrichtungen antwortet das Echo, bis es klingt, als stimmten hundert Waldhörner und Trompeten, Frau Kästner zu Ehren, in mein Preislied ein. Und schon mischen sich die Bäche und Wasserfälle ins Konzert, die Gänse auf den Dorfstraßen, die Hämmer von der Schmiede, die Bienen im Klee, die Kühe am Hang, die Mühlräder und Sägewerke, der Donner überm Tal, die Hähne auf dem Mist und auf den Kirchtürmen und die Bierhähne in den abendlichen Gasthöfen. Die Enten im Tümpel schnattern Beifall, die Frösche quaken Bravo, und der Kuckuck ruft von weither seinen Namen. Sogar die Pferde vorm Pflug blicken von der Feldarbeit hoch und wünschen dem ungleichen Paar (gemeint sind Kästner und seine Mutter) auf der Landstraße wiehernd gute Reise.“ 10

Schon beim Lesen wird man müde, aber Kästner war es wert, seine Liebe zur Mutter so ausführlich darzustellen.

Ist es verwunderlich, dass Kästner ein Leben lang unverheiratet geblieben ist und das, obwohl er keineswegs homosexuell war?

Marilyn Monroe


Marilyn Monroe hatte zwar zwei Halbgeschwister, die aber bei ihrem Vater aufgewachsen sind, somit war Marilyn psychologisch betrachtet ein Einzelkind.

Nicht immer, aber oft, bleibt es deshalb beim Einzelkind, weil die Eltern keine stabile Liebesbeziehung aufbauen konnten. Marilyns Mutter war eine psychisch labile Frau, wurde arbeitslos, kam in psychiatrische Kliniken und konnte ihrer Tochter kein Zuhause bieten. Ein Vater wird zwar von Biographen genannt, es ist aber immer unsicher geblieben, wer tatsächlich Marilyns „Erzeuger“ war. Den Großteil ihrer Kindheit verbrachte sie in Kinderheimen und Waisenhäusern. Auch die Zeit bei Pflegeeltern wurde abrupt unterbrochen und, um einer weiteren Heimeinweisung auszuweichen, heiratete Marilyn 16-jährig.

Nur kurz war sie Fließbandarbeiterin, denn sie wurde bald von einem Fotografen entdeckt. Marilyn entschied sich für die Karriere und gegen die Ehe. Kleine Filmrollen folgten, sie nahm Schauspielunterricht. 28-jährig heiratete sie zum zweiten Mal. Dies sollte eine Beziehung sein, die trotz ihrer kurzen Dauer Qualität hatte, und die beiden blieben noch lange in Verbindung. Über diesen zweiten Ehemann meinte sie einmal: „Er hat mich als etwas Wertvolles behandelt.“ 11 Schon zwei Jahre später heiratete sie den Dramatiker Arthur Miller. Aber auch diese Ehe konnte ihr nicht die erhoffte Erfüllung bringen. Die Geborgenheit und Unterstützung, die die extrem unsichere und schüchterne Marilyn so dringend gebraucht hätte, konnte sie wieder...

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