Im psychologischen Wörterbuch von Dorsch (1998, S. 214) findet sich die Definition, dass Ekel das „stark unlustbetonte Gefühl des Widerwillens ist“, und dass Dinge, Situationen oder Menschen nicht an sich ekelerregend sind, sondern dass die Vorstellung des Individuums deren Eigenschaften zu etwas Ekeligem gestaltet.
Izard beschreibt in seinem Buch „Die Emotionen des Menschen“ (1981, S. 376) den Ekel ebenfalls als einen Widerwillen, der mit körperlicher Übelkeit und schlechtem Geschmack im Mund einhergehen kann. Die Betroffene möchte sich dann schnell vom Objekt des Ekels entfernen, sich wegdrehen, oder die Situation verändern und das Ekelhafte beseitigen.
Es ist das positive Ziel des Ekels, sich vor Vergiftungen zu schützen, um so den Fortbestand der Fauna zu sichern. Der Ekel ist ein genetisch angelegter Schutzmechanismus, der vor Gefahren warnt. Verdorbene Nahrungsmittel oder schlechtes Wasser werden mit Hilfe des Ekelempfindens als Bedrohung erkannt und gemieden. Der Primäraffekt Ekel tritt laut Izard oft in Verbindung mit Zorn und Geringschätzung auf. Diese Dreierbeziehung nennt Izard die „Feinseligkeitstrias“, die sich gegen andere, aber auch gegen sich selbst richten kann. In der ekeligen Situation wird der Zorn durch Reizbarkeit offensichtlich, der Ekel ist durch Widerwillen gekennzeichnet und die Geringschätzung lässt sich an der Distanzierung vom Ekelerregenden ablesen (1981, S. 382).
Ein Hinweis auf die mögliche Wirkung von negativen Emotionen nach außen, hier auf die Hilfsbereitschaft, kommt von dem Emotionspsychologen Schmidt-Atzert (1996). Seiner Erkenntnis nach sind die Effekte negativer Emotionen uneinheitlich. Es konnte nachgewiesen werden, dass positive Gefühle die Bereitschaft eines potentiellen Helfers unterstützt, in einer Situation Hilfe zu leisten. Der Helfer kann mit der Tat seine positive Stimmung aufrechterhalten. In Untersuchungen wurde gezeigt, dass die Stimmung des Helfenden sich durch die Hilfeleistung verbesserte. Ist kein Gewinn zu erwarten oder sogar eine negative Auswirkung zu befürchten, so zeigten Untersuchungen eine verringerte Hilfsbereitschaft. Ebenso wurde belegt, dass gute Laune die Sichtweise auf eine Gesamtsituation derart zum Positiven verändert, dass die Bereitschaft zu helfen gefördert wird.
Die Auswirkungen negativer Emotionen auf das Verhalten, besonders von Schuldgefühlen, die häufig in Verbindung mit Ekel auftreten, sind ebenfalls beschrieben. Ähnlich wie bei positiven Emotionen, erwartet der Helfende einen Stimmungsgewinn und will sich durch seine Hilfsbereitschaft seiner negativen Stimmung entledigen.
„Die Funktion der Emotionen scheint darin zu liegen, andere Prozesse anzustoßen, die sich dann auf das Helfen auswirken. Deshalb sind die Randbedingungen, unter denen Hilfeleistungen erfolgen können, so wichtig für eine Vorhersage von Emotionseffekten“ (Schmidt-Atzert, 1996, S. 207).
Das Phänomen „Ekel“ scheint in der Pflege ein ungeklärter Begriff zu sein. Erläuterungen aus der Psychologie und Biologie zeigen, dass „Ekel“ ein Gefühl des Widerwillens hervorruft, mit dem ursprünglich positiven Ziel, vor Aufnahme verdorbener Nahrung zu schützen. Ekel geht mit körperlichen Reaktionen einher, die ein sich Abwenden beinhalten. Gleichzeitig ist das Individuum gereizt, was sich auf die Hilfsbereitschaft des Betroffenen auswirken kann. In welchem Umfang die vom Ekel Betroffene die beschriebenen Reaktionen zeigt, hängt wahrscheinlich davon ab, wie viel sie über das Phänomen weiß.
Um zu erfahren, wie in den allgemein zugänglichen Medien über das Phänomen Ekel berichtet wird, wurden unter anderem Fernseh- und Hörfunksendungen, sowie Artikel der „Zeit“ untersucht.
2.4.Ekel in den Medien
In einem Interview des WDR513 mit dem klinischen Psychologen und Verhaltenstherapeuten Dr. Rudolf Stark, Universität Giessen, wird erklärt, dass Ekel auch in der heutigen Zeit kein häufiges Thema ist, da Ekel lange Zeit unter das Thema Angst, Angststörung fiel. Rudolf Stark identifiziert den Ekel als einen „Prototypen“, also als eine Grundform von Emotion und bezeichnet Ekel als stammesgeschichtlich festgelegt. Daher finden sich typische Reaktionssysteme nicht nur in der Übereinstimmung zwischen sehr jungen und alten Menschen sowie zwischen den verschiedenen menschlichen Rassen, sondern es konnte nachgewiesen werden, dass sich auch Affen mit dem gleichen, typischen Gesichtsausdruck ekeln können wie die Menschen. Weiterhin konnte gezeigt werden, dass der (durch Bilder) induzierte Ekel (einer Versuchsgruppe) eng mit der Gesichtsmuskelaktivität des sogenannten Lippenheber (m. levator labii) verbunden ist, zu einer Reduzierung der Herzrate und zu einer Erhöhung der elektrodermalen Aktivität (Schweißsekretion) führt.
Das Ziel einer Ekelreaktion beschreibt Stark mit dem Schutz des Lebens, beispielsweise durch das Ausspucken verdorbener Nahrung. Ekel wird eher durch die Wahrnehmung der Nahsinne, Geschmack, Geruch und Konsistenz, ausgelöst, während Angst durch Geruch und Anblick ausgelöst wird. Daher ist es leichter, sich durch eine Distanzierung vor einer Ekelerregung zu schützen.
Mimik und Gestik während der Ekelerregung haben, als angeborene Schutzmechanismen, eine mitteilende Funktion und lösen daher auch bei den Interaktionspartnern ein Flucht- oder Angriffsverhalten aus. Der kommunikative Charakter, der sich auch bei anderen Emotionen, zum Beispiel Freude oder Trauer finden lässt, löst beim Betroffen und beim „Mitleidenden“ der ekeligen Situation das gleiche „Ekelprogramm“ mit den gleichen Konsequenzen aus. Dieses „Ekelprogramm“ kann dabei auf ein Geruchsgedächtnis zurückgreifen, das auch in der zeitlichen Distanz beim Erkennen bestimmter Gerüche innere Bilder hervorruft, die mit erlebten Situationen in Verbindung stehen.
Der Ekelerregung ist als Affekt, einer Intervention seitens des sich Ekelnden nicht zugänglich. Mit dem Überschreiten einer Reizschwelle der Ekelerregung kommt es zur sofortigen körperlichen Reaktion. So ist Ekel auch nicht voraussehbar, man merkt nicht, dass er kommt. Ist das Ekelhafte da, ist auch der Ekel unmittelbar zu spüren. Einzig die Emotionsexpression des Ekels lässt sich durch Training regulieren und zu einem Teil verbergen.
Über diese physiologische Bedeutung von Ekel hinaus gibt es die soziale Komponente, wo Ekel als Transporteur für gesellschaftliche Normen beschrieben wird. Moralische Wertvorstellungen werden mit Ekel gekoppelt und es wird am Vorbild, vielleicht sogar unter Androhung von Sanktionen zum Beispiel der „Umgang mit Ausscheidungen“ erlernt. Die Grenzen des Ekeligen unterliegen dabei einem gesellschaftlichen, aber auch einem individuellen Wandel. Laut Stark ist das Empfinden von Ekel vom kulturellen Hintergrund, der Erziehung, und der Konditionierung durch Begleitumstände, also von der Lebensgeschichte des Individuums, bestimmt. Er geht dabei von einer besonderen Ekelsensitivität bei Frauen aus, die kulturgeschichtliche Züge trägt, da das weibliche Geschlecht häufig einen ausgeprägten Sinn für Hygiene hat.
Abhängig davon, ob der Ekel zu ertragen ist, man mit ihm leben kann, oder ob der Ekel die Lebensqualität deutlich einschränkt, schlägt Stark vor, sich durch intensive Auseinandersetzung mit dem Ekelgegenstand zu „desensibilisieren“. Unterstützend für einen solchen Gewöhnungsprozess nennt er die Notwendigkeit des Offenlegens und des Enttabuisierens des Themas. Gerade persönliche Dilemmata, zum Beispiel die starke Ekelerregung bei der pflegerischen Versorgung eines geliebten Menschen durch dessen übelriechende Anus praeternaturalis- Ausscheidungen, sollten ausgesprochen werden, um ein schlechtes Gewissen zu vermeiden. Wer Ansprechpartner sein kann, muss in der aktuellen Situation entschieden werden. Oft wird es jedoch für akzeptabler gehalten, nicht den zu Pflegenden auf die unangenehmen Emotionen anzusprechen, sondern im Anschluss an die Situation einem anderen Ansprechpartner von der Belastung zu berichten.
Claudia Wassmann dokumentiert in der Fernsehsendung „Ekel. Geschichte eines Gefühls“, das Gefühl des Ekels aus verschiedenen Blickrichtungen.14 In der Aufzeichnung wird deutlich, dass Ekel Bestandteil vieler positiver menschlicher Regungen wie Liebe, Begeisterung und Ekstase ist und es als ein Zeichen besonderer Beziehungen gelten kann, wenn zum Beispiel der Ekel überwunden werden muss, um Kontakt zum anderen aufnehmen zu können.
Der Ekelmechanismus ist angeboren, wird aber erst mit Reifung des Bewusstseins durch die Reinlichkeitserziehung voll ausgebildet. Das einstige physiologische Ziel des Ekels - der Schutz des Lebens - hat sich zur moralischen und sozialen Ebene hin verlagert. Das Ziel des Ekels ist heute eher das reibungslose Zusammenleben vieler Menschen auf engem Raum, was durchaus mit einer Statuszuweisung des Individuums einhergehen kann. Ekel fällt dann moralische Werturteile über Intelligenz oder Aussehen und macht den Dummen oder Hässlichen dafür verantwortlich, dass er unsere Sinne beleidigt.
Auf der anderen...