Teil I
Grundlagen
Übersicht
Elektrophoretische Methoden sind neben chromatografischen Methoden die meist verwendeten Trenntechniken für die Analysen von Proteinen, Peptiden, Nukleinsäuren und Glykanen. Mit relativ geringem apparativen Aufwand erreicht man hohe Trennleistungen. Haupteinsatzgebiete sind die Molekularbiologie, biologische und biochemische Forschung, Proteomik, Pharmazeutik, forensische Medizin, klinische Routineanalytik, Veterinärmedizin und Lebensmittelüberwachung. Da die getrennten DNA-Fraktionen mithilfe der Polymerase-Kettenreaktion („PCR“) und Proteine mit hochempfindlichen Massenspektrometriemethoden weiter analysiert werden können, verwischt sich die Einteilung in analytische und präparative Anwendungen. Aber grundsätzlich sind elektrophoretische im Gegensatz zu chromatischen Methoden zur industriellen Proteinaufreinigung nicht geeignet, weil bei der Trennung joulesche Wärme entsteht.
Als eines der ausführlichsten und am meisten praxisbezogenen Bücher über Elektrophoresemethoden sei die Monografie von Andrews (1986) empfohlen. Im vorliegenden Buch Elektrophorese leicht gemacht sollen die Grundlagen der Elektrophoresemethoden und ihre Anwendungen in wesentlich kürzerer Form zusammengestellt werden.
Das Prinzip
In einem elektrischen Gleichstromfeld wandern geladene Moleküle und Partikel jeweils in die Richtung der Elektrode mit entgegengesetztem Vorzeichen. Die Probensubstanzen befinden sich dabei in wässriger Lösung. Verschiedenartige Moleküle und Partikel eines Gemisches wandern aufgrund unterschiedlicher Ladungen und Massen mit unterschiedlicher Geschwindigkeit und werden dabei in einzelne Fraktionen aufgetrennt.
Die elektrophoretische Mobilität, welche die Wanderungsgeschwindigkeit direkt beeinflusst, ist eine signifikante und charakteristische Größe eines geladenen Moleküls oder Partikels und ist abhängig von den pK-Werten der geladenen Gruppen und der Molekül- bzw. der Partikelgröße. Sie wird beeinflusst von Art, Konzentration und pH-Wert des Puffers, Temperatur, elektrischer Feldstärke sowie der Beschaffenheit des Trägermaterials. Elektrophoretische Trennungen werden entweder in freier Lösung, in trägerfreien Pufferschichten, Kapillaren oder Mikrochips oder in stabilisierenden Medien durchgeführt, wie z. B. auf Dünnschichtplatten, Folien oder Gelen. Ausführliche theoretische Grundlagen findet man im Buch „Bioanalytik“, herausgegeben von Lottspeich und Engels (2012).
Meistens findet man Angaben über die relative elektrophoretische Mobilität (mr oder Rm) von Substanzen. Dabei bezieht man sich auf die Laufstrecke einer mitaufgetrennten Standardsubstanz, um unterschiedliche Feldstärken und Trennzeiten auszugleichen.
Es gibt drei grundsätzlich verschiedene elektrophoretische Trennmethoden:
- a) Elektrophorese, korrekterweise Zonenelektrophorese genannt,
- b) Isotachophorese,
- c) Isoelektrische Fokussierung.
Blotting ist keine Trenn-, sondern eine Nachweismethode.
In Abb. 1 sind die drei Trennprinzipien dargestellt.
Zu a): Bei einfachen Elektrophoresen verwendet man homogene Puffersysteme, die über die gesamte Trenndistanz und -zeit den gleichen pH-Wert gewährleisten. Die in einem definierten Zeitabschnitt zurückgelegten Wanderungsstrecken sind damit ein Maß für die elektrophoretische Mobilität der verschiedenen Substanzen. Dies gilt auch für die Disk-Elektrophorese; das diskontinuierliche System existiert nur zu Beginn und verwandelt sich dann von selbst in ein homogenes.
Zu b): Bei der Isotachophorese (ITP), auf Deutsch Gleichgeschwindigkeitselektrophorese, wird die Trennung in einem diskontinuierlichen Puffersystem durchgeführt. Die ionisierten Probensubstanzen wandern zwischen einem „schnellen“ Leitionelektrolyten (L) und einem „langsamen“ Folgeionelektrolyten (T, von terminierend) mit gleichen Geschwindigkeiten. Dabei sortieren sich die verschiedenen Probenkomponenten nach ihrer elektrophoretischen Mobilität auseinander und bilden einen Stapel: Die Substanzen mit der höchsten Mobilität folgen direkt dem Leition, die mit der niedrigsten Mobilität wandern direkt vor dem Folgeion. Diese Methode wird hauptsächlich für quantitative Analysen eingesetzt.
Abb. 1 Die drei elektrophoretischen Trennprinzipien. Nähere Erläuterungen im Text.
Die ITP wird im Vergleich zu sonstigen elektrophoretischen und chromatografischen Trennungen als exotisch eingeschätzt, weil sich keine Zwischenräume zwischen den Zonen ergeben; die Banden sind keine „Peaks“ (gaußsche Verteilung), sondern „Spikes“ (konzentrationsabhängige Breiten).
Zu c): Die Isoelektrische Fokussierung (IEF) findet in einem pH-Gradienten statt und kann ausschließlich mit amphoteren Substanzen, wie Peptiden und Proteinen, durchgeführt werden. Die Moleküle wandern hierbei – je nach Ladung – in Richtung Anode bzw. Kathode, bis sie im Gradienten an dem pH-Wert ankommen, wo ihre Nettoladung null ist.
Dieser pH-Wert ist der isoelektrische Punkt kurz pI, der jeweiligen Substanz. Da sie dort nicht mehr geladen sind, hat das elektrische Feld keinen Einfluss mehr auf sie. Entfernen sie sich – aufgrund von Diffusion – von dieser Stelle, erhalten sie wieder eine Nettoladung und werden durch das elektrische Feld wieder auf ihren pI zurücktransportiert. Das ergibt einen Konzentrierungseffekt; daher der Name Fokussierung.
Bei der IEF ist es wichtig, die optimale Stelle im pH-Gradienten für den Probenauftrag zu ermitteln und zu verwenden, da manche Proteine bei bestimmten pH-Werten instabil sind oder zum Aggregieren neigen.
Anwendungsbereich
Man verwendet diese Methoden für die qualitative Charakterisierung einer Substanz oder eines Substanzgemisches, für Reinheitsprüfung, Gehaltsbestimmungen und mikropräparative Zwecke.
Der Anwendungsbereich erstreckt sich von ganzen Zellen und Partikel über Nukleinsäuren, Proteine, Peptide, Aminosäuren, organische Säuren und Basen, Drogen, Pestizide bis zu anorganischen Anionen und Kationen – kurz: über alles, was Ladungen tragen kann.
Die Probe
Ein wichtiges Kriterium zur Auswahl der geeigneten Elektrophoresemethode ist die Art der Probesubstanzen, die analysiert werden sollen. In den Probenlösungen dürfen keine festen Partikel oder Fetttröpfchen suspendiert sein, weil diese die Trennung stören, indem sie die Poren der Matrix verstopfen. Meist werden die Probenlösungen vor der Elektrophorese zentrifugiert. Problemlos sind im Allgemeinen Trennungen von Substanzen, die ausschließlich negativ oder positiv geladen sind.
Die Probenaufgabe erfolgt bei Gelen, die sich unter Puffer befinden, wie z. B. Vertikal- und Submarine-Systemen, mit Spritzen in vorgeformte Geltaschen oder in Glasröhrchen durch Unterschichten der mit Glycerin oder Saccharose beschwerten Probe unter den Puffer.
Beispiele solcher Anionen oder Kationen sind: Nukleinsäuren, Farbstoffe, Phenole, organische Säuren oder Basen. Amphotere Moleküle wie Aminosäuren, Peptide, Proteine und Enzyme haben je nach dem pH-Wert des Puffers positive oder negative Nettoladung, weil sie sowohl saure als auch basische Gruppen besitzen.
Makromoleküle, wie Proteine und Enzyme, sind teilweise gegenüber bestimmten pH-Werten oder Puffersubstanzen empfindlich, es können Konfigurationsänderungen, Denaturierungen, Komplexbildungen und zwischenmolekulare Wechselwirkungen auftreten. Dabei spielen auch die Substanzkonzentrationen in der Lösung eine Rolle. Besonders beim Eintritt der Probensubstanzen in eine Gelmatrix können leicht Überladungseffekte auftreten, wenn die Probenkonzentration beim Übergang von der Lösung in das stärker restriktive Gel einen kritischen Wert überschreitet. Bei der Natriumdodecylsulfat (SDS)-Elektrophorese muss die Probe vorher denaturiert, d. h., die Probenmoleküle müssen in die Form von Molekül-Detergens-Mizellen gebracht werden. Die Methode der selektiven Probenextraktion bzw. die Extraktion von schwer löslichen Substanzen bestimmt häufig die Art des verwendeten Elektrophoresepuffers.
Bei offenen Oberflächen wie bei Horizontalsystemen (z. B. in der Celluloseacetat-, Agarosegel- und automatisierten Elektrophorese) verwendet man Probenapplikatoren oder pipettiert mit Mikroliterpipetten in Schlitzmasken, Lochbänder oder vorgeformte Gelwannen. Bei Kapillar- und Mikrochiptechniken verwendet man ebenfalls Spritzen, die meisten Geräte haben jedoch eine automatische Probenaufgabe.
Der Puffer
Die elektrophoretische Trennung von Substanzgemischen erfolgt bei einem genau eingestellten pH-Wert und bei konstanter Ionenstärke des Puffers. Die Ionenstärke des Puffers wird möglichst niedrig gewählt, dann sind der Anteil der Probeionen am Gesamtstrom und damit ihre Wanderungsgeschwindigkeiten genügend hoch.
Die Pufferionen werden während der Elektrophorese ebenfalls – wie die Probeionen – durch das Gel transportiert: negativ geladene zur Anode und positiv geladene zur Kathode. Man will mit möglichst...