Aufgrund langjähriger Erfahrung mit Kopfkissen in deutschen Landgasthöfen rate ich jedem, der eine Reise vorhat, ganz dringend, sein eigenes mitzunehmen. Die einheimischen Kissen sind bloße Säcke, in denen einmal Federn gewesen sein mögen. Sie besitzen überhaupt kein Volumen, sondern sind von einer grässlichen Schlaffheit. Zudem haben sie natürlich den gewöhnlichen Nachteil aller Hotelbettenkissen, von den Albträumen anderer Leute heimgesucht worden zu sein. Gewiss nimmt ein Kissen sehr viel Platz im Reisegepäck ein, aber da man in Rügen, so schlicht man sich auch kleidet, immer noch besser angezogen ist als der Rest, braucht man nur wenig Garderobe mitzunehmen. Meine keineswegs besonders große Reisetasche enthielt alles, was ich brauchte. Das Kopfkissen füllte die eine Hälfte und meine Badesachen einen großen Teil der anderen, und dabei war ich immerhin elf Tage unterwegs. Doch ich bin sicher, die ganze Zeit über blitzsauber angezogen gewesen zu sein, und ich widerspreche jedem, der behauptet, meine Kleidung sei weder angemessen noch tadellos gewesen. Zwar musste Gertrud gegen Ende der Reise so manches ausbessern und ausbürsten, aber das gehört ja schließlich zu ihren Aufgaben. Und es nachts bequem zu haben, ist unendlich viel besser, als bei Tag Eindruck zu machen, indem man das Kopfkissen zu Hause lässt und stattdessen den halben Kleiderschrank mitschleppt. Im Übrigen sollten nur diejenigen Rügen besuchen, die duldsam und bescheiden sind, ein gutes Kopfkissen immer einer vielfältigen Garderobe vorziehen und keine Vorurteile gegenüber dem dortigen Essen hegen.
Nachdem ich also mein Gewissen durch diese Hinweise erleichtert habe, die der Reisende zu schätzen wissen dürfte, kann ich nun des Weiteren berichten, dass die Erfahrungen mit dem Lauterbacher Hotel angenehm waren, abgesehen von dem Kopfkissen, das mir beschert gewesen wäre, wenn ich mein eigenes nicht von zu Hause mitgenommen hätte, und der bunten Bettdecke und dem Waschwasser, das in einer winzigen Kaffeekanne hereingebracht wurde, und dem Frühstück, das so kalt und abstoßend war, wie manchen Leuten in einer gewissen Stimmung die Welt erscheint. Freilich verbrachte ich die meiste Zeit des Tages außerhalb des Hauses, wie ich sogleich erzählen werde, und es stimmt auch, dass ich im unerbittlichen Morgenlicht vieles sah, was in der Dämmerung verborgen geblieben war: Papierfetzen, die vor dem Hotel im Gras herumlagen, einen Bonbonautomaten in Gestalt einer brütenden Henne und eine automatische Waage. Und beide standen ausgerechnet oberhalb jener Stufen, die zu dem lauschigen Winkel hinabführten, der am Abend zuvor so bezaubernd gewesen war. Und der allerschlimmste Schock: eine elektrische Klingel, die das Herz ebender Buche durchbohrte, unter der ich gesessen hatte. Aber es gibt so viel Schönes, dass, wenn auch einiges davon verdorben wurde, noch genug übrig bleibt, um Lauterbach als einen der reizendsten Orte erscheinen zu lassen, die man sich vorstellen kann. Im Hotel herrschte eine wunderbare Stille; keine Touristen trafen spätabends ein, und diejenigen, die bereits Hausgäste waren, begaben sich anscheinend außerordentlich zeitig zu Bett, denn als ich kurz nach zehn Uhr vom Wasser hochkam, war es so ruhig im Haus, dass ich mich unwillkürlich auf Zehenspitzen durch die Gänge stahl und aus mir unerfindlichen Gründen ein schlechtes Gewissen bekam. Auch Gertrud meinte offenbar, es sei ungewöhnlich spät, da sie mich mit einer Lampe in der Hand an der Tür erwartete und von mir zu erwarten schien, schuldbewusst dreinzuschauen. Zudem trug sie den Gesichtsausdruck der resignierten und verzeihenden Ehefrau eines unverbesserlichen Übeltäters zur Schau. Ich ging in mein Zimmer und war froh, kein Mann zu sein und keine Ehefrau zu brauchen, die ihm verzeiht.
Die Fenster blieben weit geöffnet, und während der ganzen Nacht hörte ich durch meine Träume hindurch das sanfte Plätschern des Wassers im Schilf. Um sechs Uhr in der Früh begann in dem hinter den Kastanien verborgenen Bahnhof ein Zug zu rangieren und zu pfeifen, und da er nicht aufhörte und ich deshalb nicht wieder einschlafen konnte, stand ich auf, setzte mich ans Fenster und vergnügte mich damit, die Bilder zwischen den Säulen in der Morgensonne zu betrachten. Ein einsamer Schnitter schwang in der Wiese fleißig seine Sense, deren Sirren ich jedoch wegen des Rangierlärms nicht hören konnte. Endlich dampfte der Zug davon, und über Lauterbach senkte sich wieder eine wohltuende Stille, die Sense sirrte hörbar, die Lerchen sangen verzückt, und ich versenkte mich in mein Morgengebet, denn es war tatsächlich ein Tag, für den man dankbar sein musste, und das Meer prangte in tiefstem, himmlischstem Blau.
Das Baden in Lauterbach ist göttlich. Zu den Badehütten gelangt man, indem man einem Fußpfad folgt, der von der Haustür des Hotels bis zum Ziel durch schattige Buchenwälder führt. Direkt unter einem wogt und glänzt das Wasser, gegenüber liegt die Insel Vilm, und davor bildet die ferne Landspitze von Thiessow eine verschwommene violette Linie zwischen den dunstigen Blautönen von Meer und Himmel. Zu Füßen des Wanderers breiten sich Moos, Gras und liebreizende wilde Blumen aus, auf denen, wenn die Sonne scheint, die Licht- und Schattenflecken der Buchen tanzen.
Oh, wie ist das herrlich!«, rief ich Gertrud zu; denn an einem so schönen, frischen Morgen muss man einfach jemandem zurufen. Sie folgte mir auf dem schmalen Pfad, beide Arme voller Handtücher und Badesachen. »Willst du nachher nicht auch baden, Gertrud? Kannst du denn dieser Versuchung widerstehen?«
Aber Gertrud konnte ihr offenkundig durchaus widerstehen. Sie schielte kurz auf die lebendige Schönheit der See, die sie augenscheinlich nur als etwas betrachtete, das trockene Leute nass macht. Wäre sie Dr. Johnson gewesen, so hätte sie unverfroren geantwortet: »Gnädige Frau, ich hasse das Untertauchen.« Da sie indes Gertrud war, schützte sie eine Erkältung vor.
»Na schön, dann eben morgen«, sagte ich hoffnungsvoll, doch sie entgegnete, Erkältungen dauerten bei ihr immer tagelang.
»Na, dann eben, sobald du sie überwunden hast«, erwiderte ich voll hartnäckiger und abscheulicher Zuversicht; aber sie gab sich prophetisch und behauptete, sie nie mehr loszuwerden.
Die Badehütten stehen in einer Reihe und weit genug vom Ufer entfernt, so dass man gleich im tiefen Wasser ist. Man erreicht sie über einen kleinen Brettersteg, der ins Meer hineinragt, und trifft an dessen Ende eine sonnengebräunte Frau an, liebenswürdig, wie es alle Leute zu sein scheinen, die in tiefen Wassern zu tun haben. Sie kümmert sich um Ihre Sachen, trocknet sie für Sie, versorgt Sie mit allem, was Sie vielleicht vergessen haben, und verlangt am Ende für all diese Gefälligkeiten sowie das Baden ganze zwanzig Pfennige. Nach Möglichkeit sollten Sie versuchen, die am weitesten draußen im Wasser stehende Hütte zu kriegen – noch so ein wertvoller Tipp. Sie ist sehr geräumig und hat ein Sofa, einen Tisch und einen großen Spiegel. Ein Fenster geht nach Süden und das andere nach Osten. Durch dieses sieht man die Linie niedriger Klippen mit Gehölzen darüber, bis sie in eine grüne Ebene übergehen, die sich zum dunstigen Thiessow hin ins Ungewisse erstreckt. Vom Fenster nach Süden aus hat man einen Blick auf die winzige Insel Vilm mit ihrem einzigen, von Kornfeldern umgebenen Haus und ihren Wäldern auf der Anhöhe im Hintergrund.
Getrud saß auf den Stufen und strickte, während ich zwischen den Medusen herumschwamm und an Marianne North dachte. Wie recht sie doch hatte mit ihrer begeisterten Schilderung des Badens, der Farben und der kristallenen Klarheit des Wassers in der kleinen sandigen Bucht! Die Badefrau beugte sich über das Geländer des Stegs und beobachtete mich mit einem wohlwollenden Lächeln. Sie trug einen weißen breitkrempigen Sonnenhut, der sich vor dem blauen Himmel so gut ausnahm, dass ich mir wünschte, Gertrud ließe sich überreden, ihre langweilige, unendlich biedere schwarze Haube durch einen solchen zu ersetzen. Stundenlang hätte ich mich hier, rundum glücklich, auf dem glitzernden Nass dahintreiben lassen mögen, und tatsächlich blieb ich fast eine Stunde im Wasser, mit der Folge, dass ich fröstelnd und betrübt die Klippen hinaufstieg. Während der Kellner das Frühstück brachte, betrachtete ich meine blauen Fingerspitzen und dachte, wie bedauernswert es doch ist, blaue Fingerspitzen zu haben, anstatt sich, was nach nur zehnminütigem Schwimmen der Fall gewesen wäre, des wunderbaren Umstands erfreuen zu können, einen solchen Morgen überhaupt erleben zu dürfen.
Der kalte Tee, die kalten Eier und beinharten Brötchen vermochten mich auch nicht fröhlicher zu stimmen. Ich saß unter den Buchen, wo ich am Abend zuvor das Nachtessen eingenommen hatte, und zitterte in meinem dicksten Mantel. Dabei brannte die Julisonne aufs Wasser und brachte die bunten Segel der vorübergleitenden Fischerboote zum Leuchten. Der Hotelhund trottete mit heraushängender Zunge auf dem Kiesweg daher und legte sich neben mich in den Schatten. Gäste aus Putbus, die ein Omnibus zu ihrem morgendlichen Bad gebracht hatte, fächelten sich im Vorübergehen mit ihren Hüten Luft zu.
Die in Putbus einquartierten Touristen kommen jeden Morgen in einer Art Wagonette, um ein Bad zu nehmen und anschließend gemächlich den Hügel hinauf zum Mittagessen zurückzukehren. Nach dieser Anstrengung glauben sie, für ihre Gesundheit genug getan zu haben, und verschlafen den Rest des Tages oder sitzen Bier und Kaffee trinkend im Freien. Ich halte dies für eine recht sinnvolle Art, seinen Urlaub zu verbringen, wenn man das ganze...