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E-Book

Empfehlungen für die Diagnostik und Therapie der Depression im Alter

Frühzeitige Erkennung und evidenzbasierte Behandlung

VerlagHogrefe AG
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl160 Seiten
ISBN9783456759562
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis21,99 EUR
Die Diagnostik und Therapie der Altersdepression kann nur interprofessionell und interdisziplinär erfolgreich durchgeführt werden. Daher hat eine Expertengruppe unter der Federführung der Schweizerischen Gesellschaft für Alterspsychiatrie und -psychotherapie (SGAP) Empfehlungen erarbeitet, um die diagnostischen und therapeutischen Interventionsmöglichkeiten im Alltag übersichtlich darzustellen und um die Früherkennung und Therapie der Altersdepression zu fördern. - Ausführliche Darstellung der Epidemiologie, der Pathophysiologie und der Ursachenhypothesen - Alltagsorientierte Darstellung der klinischen Symptomatik und diagnostischen Möglichkeiten - Demenz, Abhängigkeitserkrankungen, Persönlichkeitsstörungen, Schmerz, kardiovaskuläre Erkrankungen, metabolische Störungen und Medikamente als komorbide und verursachende Faktoren - Therapie mit Fokus auf Psychotherapie und Psychopharmakotherapie: verschiedene psychotherapeutische Ansätze, kritische Beurteilung der zur Verfügung stehenden Medikamente, Therapieresistenz, Augmentationsstrategien, chronobiologische und interventionelle Verfahren - Spezialtherapien: Angeleitete Selbsthilfe, Psychoedukation, Problemlösetraining, Rekreationstherapie, physische Aktivierung, Entspannungsverfahren, Verbesserung der sozialen Kompetenz, Ergotherapie, Künstlerische Therapien - Suizidalität als besonderes Problem der Alterspsychiatrie: Risikofaktoren, Diagnose und Behandlung.

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Leseprobe

3 Untersuchungsinstrumente


3.1 Fragebögen und Screenings


Nicole Rach

Bei der Erfassung einer depressiven Symptomatik bei älteren Menschen kann es zu einer Konfundierung mit Symptomen einer somatischen oder hirnorganischen Erkrankung [9] [10] [43] oder aber mit Symptomen einer unerwünschten Wirkung von Medikamenten kommen [17] [24]. Zudem können Sinneseinschränkungen eine Erfassung behindern, und bei kognitiven Einschränkungen können verbale Probleme oder beeinträchtigte Selbstreflexion ein falsches Bild erzeugen [43]. Im Alter sind oft andere Akzentuierungen eines depressiven Syndroms beobachtbar als im Vergleich mit Jüngeren. So bestehen z.B. eine starke vegetative Symptomatik, diffuse Angst, mehr Klagen über objektivierbare somatische Beschwerden als über depressive Stimmung und auch oft ausgeprägte depressionsbedingte kognitive Beeinträchtigungen [9] [32] [42]. Allerdings gibt es auch einzelne Autoren, die auf weniger große Unterschiede in der Symptompräsentation von Jüngeren und Älteren hinweisen [23].

Aus diesen Sachverhalten folgt, dass einerseits Erfassungsinstrumente speziell für Ältere entwickelt wurden und andererseits solche für Erwachsene verschiedenen Alters auf deren Einsatz für Ältere geprüft werden müssen, nicht zuletzt hinsichtlich ausreichend differenzierter Altersnormen. Dabei darf nicht vergessen werden, dass ein Screening nicht die differenzierte Diagnosestellung einer affektiven Störung erlaubt.

Einige der verbreitetsten Erfassungsinstrumente für Depression, die sich in Praxis oder Forschung mit Menschen im höheren Lebensalter bewährt haben, sind in Tabelle 3–1 aufgeführt.

Tabelle 3–1: Erfassungsinstrumente für Depression im Alter nach Einsatzschwerpunkt.

3.1.1 Selbstbeurteilungsverfahren


Das erste spezifisch für depressive Ältere entwickelte Screeninginstrument ist die Geriatrische Depressionsskala (GDS) [11] [52]. Dieser weitverbreitete und in viele Sprachen übersetzte Fragebogen existiert in einer Langversion mit 30 Items, aber wird häufig in einer Version mit 15 Fragen eingesetzt [23] [52]. Daneben gibt es noch kürzere Versionen mit 4 bis 10 Items [15] [35] [46]. Heidenblut und Zank [27] bewerten diese Versionen bezüglich Validierung als problematisch. Zwei weitere Versionen des GDS wurden entwickelt, um den Lebenskontext von Altersheimbewohnern zu berücksichtigen [33] [49]. Zu den Vorteilen der GDS gehört die ökonomische Durchführung und Auswertung und die mündliche Vorgabe. Zudem macht er eine Aussage zum Schweregrad der depressiven Symptomatik und wird als wenig beeinflusst von körperlichen und vegetativen Einschränkungen beschrieben [7]. Allerdings sind auch hier Fragen vorhanden, die mit somatischen Erkrankungen konfundieren können, wie z.B. „Fühlen sie sich voll Energie?“ [27]. Die Validität des deutschen GDS-15 wurde auch bei Altersheimbewohnern als sehr gut erfasst, allerdings war sie höher für depressive Episoden als für nur leichte Depressivität [2]. Obwohl die GDS auch bei leichten kognitiven Störungen eingesetzt wird, scheinen in diesem Kontext schlechtere Sensitivitätswerte aufzutreten [34]. Der Einsatz der GDS bei Spitalpatienten wird in Reviews unterschiedlich günstig eingeordnet und muss somit als inkonsistent beschrieben werden [31] [50].

Im deutschen Sprachraum bekannt ist die Depression-im-Alter-Skala (DIA-S) [8] [25] [26]. Sie orientiert sich an den Depressionskriterien des ICD-10. Die Autorinnen berichten über eine gute Validität. Ein Vorteil ist auch hier die ökonomische Anwendung und Auswertung mit einfachen Ja-Nein-Antworten. Items mit starkem Bezug zur körperlichen oder kognitiven Gesundheit oder zum Wohnsetting wurden weggelassen bzw. umformuliert. So wird z.B. mehr die Motivation als die Energie oder mehr Entspannung anstatt Schlafqualität erfragt. In einer neueren Studie bei stationären geriatrischen Patienten konnte eine Überlegenheit der DIA-S gegenüber GDS-15 festgestellt werden [27].

Unter den Screenings für Erwachsene unterschiedlichen Alters ist das Beck-Depressions-Inventar II (BDI-II) [4] auch bei älteren Personen international weitverbreitet und existiert in einer deutschen Fassung [22]. Im Unterschied zur Originalversion des BDI [3], lehnt sich der BDI-II an die DSM-IV-Kriterien für Major Depression an [22]. Es wurden zwei körperbezogene Items und eine arbeitsbezogene Frage eliminiert [37], was für die Population der betagten Menschen günstig ist. Eine Normierung für Gesunde und Depressive liegt vor, jedoch wurde auf altersgetrennte Normen verzichtet. Herzberg und Goldschmidt [30] kritisieren die Repräsentativität der verwendeten deutschen Stichproben. In der Kurzform des BDI, dem BDI-FS [5], wurden – in Hinblick auf Personen mit somatischen Grunderkrankungen – somatische Kriterien einer depressiven Episode weitgehend ausgeklammert. Eine Überprüfung der Reliabilität und Validität im deutschen Sprachraum erwies sich als zufriedenstellend [36].

Ein häufig eingesetztes Instrument zur Depressionserfassung ist die Center for Epidemiological Studies Depression Scale (CES-D) [44]. Auch dieser Selbstbeurteilungsbogen ist in mehrere Sprachen übersetzt und liegt in einer normierten deutschen Fassung vor, die sich Allgemeine Depressionsskala (ADS) [19] [20] nennt. Überprüfung der Gütekriterien an älteren Deutschen ergab Werte, die mit amerikanischen Befunden überwiegend vergleichbar waren. Und auch bei körperlich und kognitiv beeinträchtigten Personen wurden ausreichend hohe Reliabilität und Validität festgestellt [51]. Eine Kurzform ist vorhanden, in der somatische Symptome weniger im Vordergrund stehen [20]. Hautzinger und Meyer [21] berichten, dass die ADS eher mit Dysthymie als mit einer depressiven Episode zu korrelieren scheint und dass sie sich auch bei älteren Personen bewährt hat.

Das Besondere der Depressionserfassung bei Spitalpatienten oder im hausärztlichen Setting ist, dass solche Skalen durch medizinisches Personal ohne spezifisch psychiatrisch-psychologisches Hintergrundwissen angewendet werden können. Zudem muss mit komplexen körperlichen und oft kognitiven Problemen bei den zu untersuchenden Personen gerechnet werden [27]. Ein hier typischerweise eingesetztes Instrument ist der General Health Questionnaire (GHQ) [12], der in viele Sprachen übersetzte Fragebogen zur Selbstbeurteilung des psychischen Befindens in der allgemeinmedizinischen Primärversorgung. Für die Kurzversion mit zwölf Fragen (GHQ-12) [38] wurden somatikbezogene Items herausgestrichen. Der GHQ wird als ökonomisch und in verschiedenen kulturellen Kontexten einsetzbar bewertet. Er fokussiert insbesondere auf Abweichungen von üblicher, gewohnter Befindlichkeit einer Person auf einer vierstufigen Antwortskala. Allerdings geht es um das kleinste gemeinsame Vielfache verschiedener psychiatrischer Syndrome und nicht nur um Depression [13]. Goldberg et al. [14] kamen zu dem Ergebnis, dass Alter und Bildungsstand keinen signifikanten Einfluss nehmen auf die Validität des GHQ-12.

Die deutsche Version [29] der Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS-D) [53] dient der Erfassung von Angst und Depression bei Patienten und Patientinnen zwischen 15 und 90 Jahren mit körperlichen Erkrankungen oder Beschwerden. In diesem in viele Sprachen übersetzten Selbstbeurteilungsverfahren werden bewusst nur die psychischen Aspekte von Angst und Depression erfragt, um die Konfundierung mit somatischer Komorbidität zu vermeiden. Schwere psychopathologische Symptome werden ausgeklammert, hingegen wird aber leichte Ausprägung psychischer Symptome bewusst erfasst. Es liegen Altersnormen für eine gesunde Stichprobe sowie für eine kardiologische Patientengruppe vor [29].

Der Brief Patient Health Questionnaire (B-PHQ) ist eine Kurzversion des Prime-MD Patient Health Questionnaire (PHQ) [39] [47], der in Anlehnung an Kriterien des DSM in der Primärversorgung die Erfassung von psychiatrischen Störungen erlauben soll. Wird der B-PHQ in seiner kürzesten Version verwendet, d.h. nur eine Seite des Fragebogens, so können depressive Episoden, geringgradige depressive Störung und Paniksyndrom erfasst werden [39]. Allerdings sind auch hier Fragen zu Veränderungen von Konzentration, Energie, Schlaf und Appetit eingeschlossen, die ätiologisch nicht zwangsläufig mit Depressivität zusammenhängen müssen.

3.1.2 Fremdbeurteilungsverfahren


Bei der weitverbreiteten Hamilton-Depressions-Skala (HAMD) [18] für Erwachsene unterschiedlichen Alters überwiegen somatische und motorische Syndromanteile, während motivationale,...

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