„Bildungsstätten brauchen Wachstum, um Stabilität auf hohem Niveau zu erreichen um so die an sie gestellten politischen Aufgaben und gesellschaftlichen Anforderungen effizient erfüllen zu können“.
Dieser Ausspruch eines Geschäftsführers der ZWH, der Zentralstelle für die Weiterbildung im Handwerk[1], reflektiert schon einige Aspekte der Aufgaben und Probleme, denen sich ein handwerkliches Bildungszentrum jetzt und in Zukunft zu stellen hat. Aber es sind nur einige dieser Probleme. Besonders die wirtschaftlichen Aspekte gilt es zu beachten, um die gestellten Aufgaben bewältigen und gesellschaftliche Anforderungen, auch gegenüber den eigenen Mitarbeitern, erfüllen zu können.
Wenn man von wirtschaftlichen Problemen im Zusammenhang mit einer Organisation spricht, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts keine wirtschaftlichen Gewinne ausweisen darf, so birgt dies nur scheinbar einen Widerspruch, denn die Einnahmen eines Bildungszentrums sind hier als Deckungsbeiträge des gesamten Kammerhaushaltes anzusehen und stellen insofern eine nicht unerhebliche Säule des Gesamtetats dar.
Gravierende Einbußen bei den Einnahmen aus Meisterschul- und Weiterbildungslehrgängen, möglicherweise einhergehend mit sinkenden Einnahmen aus Kammerbeiträgen insgesamt, könnten tiefgreifende Auswirkungen auf die Aufgabenerfüllung der Handwerkskammer als Serviceorganisation des Handwerks in der Region aber auch nicht zuletzt als Arbeitgeber seiner Angestellten haben.
Welche Umstände und Entwicklungen könnten Anlass zu diesen Überlegungen geben? Nachfolgend sind einige Problemfelder genannt, die sich auf das Bildungszentrum der Handwerkskammer Düsseldorf im besonderen, aber auch auf viele andere handwerkliche Bildungszentren in Deutschland übertragen lassen.
Verlust der Attraktivität des Handwerks
Im Jahre 2002 haben über sieben Prozent weniger Jugendliche im Handwerk eine Ausbildung begonnen als 2001.
Insgesamt haben im Jahre 2002 568.000 Jugendliche einen Ausbildungsvertrag im Rahmen des dualen Systems[2] abgeschlossen (lt. Statistisches Bundesamt in einer amtlichen Mitteilung vom 02.04.2003[3]). Damit stellten alle Wirtschaftsbereiche – außer der Landwirtschaft - weniger neue Auszubildende ein. Dabei war der Rückgang der Ausbildungsverträge im größten Ausbildungsbereich Industrie und Handel mit acht Prozent am stärksten. Im zweitgrößten Ausbildungsbereich, dem Handwerk, begannen 7,2 Prozent weniger junge Menschen eine Ausbildung.
Dieser Trend lässt sich nicht nur auf die gesamtdeutsche Lage, sondern auch auf das Land Nordrhein-Westfalen übertragen:
Die Entwicklung der Auszubildenden-Zahlen von 1997 bis 2002 soll die nachfolgende Übersicht verdeutlichen:
Abbildung 1: Entwicklung der Auszubildenden-Zahlen
Ein Rückgang von gesamt 3,1 % in der Zeit von 1997 bis 2002 klingt auf den ersten Blick wenig dramatisch, bei näherem Hinsehen wird aber deutlich, dass gerade in der traditionell stärker fokussierten Gruppe der männlichen Auszubildenden in der Zeit von 2000 bis 2002 1341 Auszubildende weniger
(- 6,1%) registriert wurden.
Bei geringer werdenden Lehrlingszahlen wird auch die Anzahl der jungen Menschen, die nach der Lehre eine Meisterprüfung anstreben, geringer werden.
Verstärkt wird dieser Trend in der Zielgruppe der männlichen Lehrlinge noch durch den Umstand, dass diese Jugendlichen oftmals nach der Lehre noch zur Bundeswehr müssen.
Nach dem Ableisten ihrer Grundwehrdienstzeit oder nach Ablauf eine Verpflichtung als Zeitsoldat wollen viele Auszubildende, bzw. Gesellen nicht mehr in ihren erlernten Beruf zurück. Sei es durch die Furcht vor verpassten Innovationen in ihrem Handwerk oder in der irrigen Vorstellung, „sich nicht mehr die Hände schmutzig machen zu wollen“, drängen diese jungen Menschen in andere Berufe, häufig der IT-Branche und machen nicht selten dort eine zweite Ausbildung.
Diese antiquierte Annahme von althergebrachten Arbeitsweisen in bestimmten Gewerken ist insofern unangebracht, als dass z.B. in dem absoluten Wunschberuf der Auszubildenden „Kfz-Techniker“ (neu: „Mechatroniker“) der Technisierungsgrad exorbitant hoch und der antike „Schrauber“ mit ölverschmierten Händen allenfalls Legende von damals ist.
Allgemein schlechte wirtschaftliche Situation
Die insgesamt schwache gesamtwirtschaftliche Konjunkturlage hinterließ deutliche Spuren im Handwerk:
Jeder zweite Betrieb ist mit seiner aktuellen Geschäftslage nicht zufrieden. Das Frühjahrsgutachten der Handwerkskammer Düsseldorf (vorgestellt am 16.04.2003)[4] hat einen Geschäftsklima-Index ermittelt, der mit 43 Punkten noch zwei Punkte unter dem bisher schlechtesten Wert liegt, nämlich den 45 Punkten im Jahre 1982 (siehe Abbildung 2). Nach der Umfrage bei 8.000 der 46.000 Handwerksunternehmen an Rhein, Ruhr und Wupper verzeichneten mehr als zwei Drittel seit Herbst Umsatzeinbrüche; 85% mussten Ertragsschmälerungen hinnehmen. Die Folge: 6 von 10 Firmen fuhren ihre Investitionen zurück.
Abbildung 2: Geschäftsklimaindex Handwerk
Im Zusammenhang mit den schlechten wirtschaftlichen Prognosen tauchen für einen angehenden Meister noch weitere Problemfelder auf:
Lohnt sich die Meisterschule, bzw. der Meisterbrief in heutigen Zeiten in der Gewissheit, mit den Preisen für die erstellten handwerklichen Dienstleistungen am Markt eventuell gar nicht konkurrieren zu können?
Kann man z.B. als Meister in einem Maler und Lackierer Betrieb einem Kunden einen Kostenvoranschlag abgeben, in der Hoffnung, den Auftrag zu bekommen, obwohl man genau weiß, der Kunde könnte sich für solche Arbeiten ungelernt Hilfsarbeiter von deutschen Parkplätzen für 15,- EURO die Stunde anheuern?
Was ist dem Kunden die geprüfte deutsche Qualitätsarbeit überhaupt noch wert, oder zählt wirklich nur der Preis?
Kalkuliert sich ein deutscher Betrieb mit den ortsüblichen Lohnneben- und sonstigen Kosten nicht vielleicht aus dem Markt bei der geplanten Öffnung des Binnenmarktes, besonders durch die geplante Ost-Erweiterung der EU?
Alle diese Gedankenspiele werden einem potentiellen Meisterschüler durch den Kopf gehen müssen, wenn er vor der Entscheidung steht, die Meisterschule mit allen möglicherweise auch persönlichen und familiären Konsequenzen zu bestreiten. Denn eines ist sicher unstrittig: Eine Weiterbildung über mehrere Jahre, möglicherweise oftmals abends oder an Wochenenden, erfordert persönliche Disziplin und Selbstorganisation, bei der durchaus familiäre Strukturen erheblich strapaziert werden könnten.
Probleme bei der Existenzgründungsfinanzierung
Im Zusammenhang mit den neuen Eigenkapitalrichtlinien für Banken (Basel II) befürchten viele Handwerker Probleme bei einem geplanten „Start-up“ in die Selbständigkeit. In einem 2. Entwurf zur Überarbeitung der internationalen Eigenkapitalvereinbarung des Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht im Januar 2001 (Basel II) müssen die Kreditinstitute künftig die Bonität ihrer Kunden, ebenso wie die Verwertbarkeit ihrer Sicherheiten bei den Kreditkonditionen stärker berücksichtigen. Das trifft besonders die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) in Deutschland, die ihren Finanzierungsbedarf traditionell (laut einer Statistik der Deutschen Bundesbank bis zu 75%) und noch vergleichsweise günstig über Fremdmittel decken. Für Kredite an erstklassige Unternehmen werden sich die Anforderungen zur Eigenkapitalunterlegung verringern, für Engagements mit niedriger Bonität wird eine höhere Eigenkapitalunterlegung erforderlich sein. Über die Klassifizierung wird ein bankinternes Rating entscheiden[5]. Es besteht also die Gefahr, dass Kredite für Existenzgründer weniger vergeben oder zukünftig teurer werden. Somit werden einige potentielle Existenzgründer abgeschreckt und werden erst gar nicht die Grundlage zur Selbständigkeit legen wollen, nämlich die Meisterschule absolvieren.
Ausfall wichtiger Mitarbeiter in den Betrieben während einer Weiterbildung
Etwa 70 Prozent der Betriebe bestehen aus 3 bis 5 Mitarbeitern. Der Betriebsinhaber wird bei einer Auftragsreichweite von ca. 5 Wochen einem Mitarbeiter nicht die Möglichkeit geben können, an einer längerfristigen Weiterbildung teilzunehmen, wenn dieser ein Spezialist auf seinem Gebiet ist und er Gefahr läuft durch seinen...