Um die Entstehung und Entwicklung des Carving Skifahrens deutlich zu machen, ist es notwendig mit der eigentlichen Entstehung des alpinen Skilaufs von seinen Anfängen her zu beginnen.
„Kein anderes Sportgerät hat einen solchen beispiellosen Aufstieg vom Behelf armer Steinzeitjäger zur modernen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Weltmacht mitgemacht wie der Schneeschuh, kein anderes hat einen solchen Siegeszug aufzuweisen, von einem Teil Europas aus über die ganze zivilisierte Welt, …“ (Mehl, 1964, S. 7). Nach wie vor geht vom Skisport eine ungebrochene Faszination aus, die bereits über 100 Jahre anhält (vgl. Wallner, 2004, S. 12). Es gibt zwei unterschiedliche Entwicklungen für den Skilauf.
Die nordische Entwicklung beginnt mit den Moorfunden und Felszeichnungen aus der ausgehenden Steinzeit (um 2500 v. Chr.). Der Schneeschuh diente zu dieser Zeit als Jagdgerät und erst später um 1860 sollte ein Sportgerät daraus werden. Die Vorgänger des Skis waren Trittlinge oder schneereifenartige Geräte, mit denen sich die Menschen gegen das Einsinken in den Schnee halfen. Ziel war eine Vergrößerung der Sohle durch bspw. leicht angefüllte Säcke, Reisigbündel, Brettchen und Reifengeflecht. Die kreisrunden oder länglich-runden Platten, „Trittlinge“ (Abb. 1) leiten immer mehr zum Gleiten hin und am Ende dieser Entwicklung steht der Ski (vgl. Mehl, 1964, S. 15).
Abb. 1: Der runde Trittling (Trittbrett), das einfachste Gerät für das Gehen auf dem Schnee (für Mensch und Pferde) (Mehl, 1964, S. 15).
Mittelpunkt dieser Entwicklung war Christiania, früherer Name für die heutige Hauptstadt Norwegens Oslo, wo jedoch zunächst nur Langlauf und Springen, auf Grund der Geländeform im Gebiet um Oslo herum populär waren. Bis heute sind diese beiden Disziplinen Bestandteile der nordischen Kombination (vgl. Mehl, 1964, S. 11).
Die alpine Entwicklung ging ohne Zweifel auf das von Fridtjof Nansen verfasste Buch „Auf Schneeschuhen durch Grönland“ zurück. Während in Norwegen dieses Buch wenig Auswirkung auf das Skilaufen hatte, begann in Mitteleuropa eine solche Begeisterung, dass sich zahlreiche Menschen solche Bretter bestellten. Entscheidend war zu dieser Zeit, dass im Gegensatz zu den norwegischen Gegebenheiten nun die Mittel- und Hochgebirge, aufgrund von Schneemangel im Flach- und Hügelland, Schauplatz für den Skilauf sein sollten (vgl. Mehl, 1964, S. 11).
Nach Falkner (2007, S. 16) gibt es seit mindestens 8000 Jahren den Skilauf. Erste Skifragmente wurden an der russischen Eismeerküste gefunden. Somit lag der Ursprung des Skilaufs in Innerasien. Im 7.-10. Jahrhundert fand man in China erste konkrete Schriften über den Skilauf bei innerasiatischen Völkern (Falkner, 2007, S. 28). Erst mit den Indogermanen gelangte der Ski nach Skandinavien. „Das norwegische Wort Ski hat seinen Ursprung in dem altnordischen >>skidh<< = Scheit. In der Urzeit wurden die Ski aus einem geeigneten Baumstamm herausgespalten“ (Roschinsky, 2002, S. 8).
Ein Zeichen für die große Freude der Nordgermanen am Skifahren, besonders am Gebirgsfahren, „sind die Eddastellen über die beiden Skigötter Ull und Skadi, die beide jagend auf ihren Bretteln über die nordischen Gebirge ziehen“ (vgl. Mehl, 1964, S. 80). Ull (Abb. 2) soll ein Gegenstück zum hellenischen Apollon sein und ist der nordische Jagd- und Kriegsgott. Mehl (1964, S. 81) schreibt weiter: „Niemand konnte es mit ihm im Schifahren aufnehmen“. Diese Feststellung ist ein deutlicher Hinweis auf schon damals stattfindende Wettkämpfe.
Abb. 2: Nordischer Jagd- und Kriegsgott Ull.[2]
Die Partnerin von Ull war die „Skigöttin“ Skadi (Abb. 3). Eine Beziehung zwischen beiden bestand aber nicht. Skadi war die Tochter des Riesen Tjazi. Sie lebte auf der Bergburg Thyrmheim, wo sie mit ihren Schneeschuhen auf die Jagd zog (vgl. Mehl, 1964, S. 80).
Abb. 3: „Skigöttin“ Skadi, die Partnerin von Ull.[3]
Weitere Felszeichnungen im Norden Skandinaviens (Abb. 4) und Russlands, sowie Moorfunde von Skier lassen sich auf ca. 5000 Jahre zurückdatieren (vgl. Falkner 2007, S. 16).
Auf anderen Kontinenten blieb die Entwicklung stehen. Laut Polednik kannten die Völker Amerikas „zwar auch primitive Stapf-, Geh- und sogar Gleitgeräte; diese können jedoch nur als Vorstufen des eigentlichen Skis angesehen werden“ (Polednik, 1969, S. 12).
Am Beginn der Skigeschichte stehen norwegische und russische Felszeichnungen, die ein eindrucksvolles Denkmal des steinzeitlichen Skifahrens und ganz besonders der Skijagd sind. Auf der Insel „Rödöy“ fand man im Jahr 1929 auf einer Felsplatte unter einer schützenden Torfschicht zwei sehr gut erhaltene Zeichnungen von Skifahrern. Die wohl Bekannteste ist die des „Schihaserl“ (Abb. 4). Der Fahrer hatte eine Höhe von 15,5 cm und die Skier eine Länge von 35,5 cm. Dies entspräche bei einer Körpergröße von 175 cm einer Skilänge von 4 m. Ebenso trug der Skifahrer eine Hasenkopfmaske, die auf einen Jagdzauber zurückzuführen ist, der den Träger in ein übermenschliches Wesen verwandeln soll. In der Hand hält er einen Krummstock, einen sogenannten Lagobolon oder „Hasenwerfer“, wie es die Hellenen nannten, um die im Schnee einsinkenden Hasen zu erschlagen oder um damit zu werfen (vgl. Mehl, 1964, S. 45 ff.).
Abb. 4: 1929 fand man auf der Insel Rödöy („Rote Insel“, am Polarkreis) die älteste bisher bekannte Abbildung eines Skifahrers. Alter zwischen 2000 und 3000 Jahren (Polednik, 1969, S. 13).
Wie Falkner berichtet, kam erst im Mittelalter der Skilauf nach Mitteleuropa (vgl. Falkner 2007, S. 16).
„Die ältesten schriftlichen Quellen reichen bis ins 8. Jahrhundert zurück und basieren auf mündlichen Überlieferungen aus dem 4./ 5. Jahrhundert“ (Falkner, 2007, S. 16). Im 16.-18. Jahrhundert fand der Skilauf in Mitteleuropa, aufgrund von Reisebeschreibungen und vereinzelten Skier in Museen, seinen Platz. In Skandinavien, im Baltikum und in Russland gab es schon Skisoldaten, die skiläuferisch und militärisch ausgebildet wurden. Sie führten Wettkämpfe durch und kamen durchaus in kriegerischen Auseinandersetzungen zum Einsatz.
In Deutschland empfiehlt beispielsweise Johann Christoph Friedrich Gutsmuths, bedeutender Vertreter des Philanthropismus und Begründer der neuzeitlichen Körpererziehung in Deutschland, nach 1793 in seinem berühmten Werk „Gymnastik für die Jugend“ (2. Auflage 1804) Skilauf als nützliche Körperübung (vgl. Falkner 2007, S. 28). Ebenso sieht Huitfeld (1907, S. 7 f.) den Sport als sehr volkstümlich an, der … „nahezu von allen getrieben wird, von jung und alt, von Frauen und Männern, als eine Leibesübung, die mehr als irgend eine andere einen gesunden Geist in einem gesunden Körper zu verschaffen mag. Wohl in der ganzen weiten Welt gibt es keinen Sport, der, wie dieser, die Entwicklung von Lebenskraft und Mut begünstigt“ (Huitfeld, 1907, S. 7 f.).
Bevor jedoch das neuzeitliche Skilaufen begann, drohte es in seinem Mutterland Norwegen fast auszusterben. Grund dafür war das Auflösen der dortigen Skitruppen. Nur noch wenige Bauern, Jäger und Postboten aus entlegenen Landesteilen benutzen jetzt noch die schon überalterten Bretter. Neue Impulse kamen etwa um 1800 aus der Region Telemarken. Die Bewohner der Region Telemarken waren aufgrund ihres Gebirgslandes im Winter auf die Skier angewiesen, im Gegensatz zu den restlichen Landesteilen, wo der Skilauf fast in Vergessenheit geriet (vgl. Polednik, 1969, S. 22). „Sie waren es, die eine ihrem Gelände angepaßte eigene Form des Skis entwickelten, ja darüber hinaus ihre Fertigkeit im Skifahren zu besonderer Meisterschaft brachten“ (Polednik, 1969, S. 22).
Falkner (2007, S. 28) beschreibt, dass sich das Skilaufen in relativ kurzer Zeit über ganz Norwegen ausbreitete und neben der Körperübung durchaus dem Vergnügen diente. Ebenso wurden die ersten Wettkämpfe ausgetragen, und die ersten Skivereine wurden gegründet. 1868 erfand Sondre Norheim den taillierten Telemarkski und die entsprechende Telemarktechnik (vgl. Roschinsky, 2004, S. 17), wobei man in anderen Teilen Norwegens noch kantenparallele Skier verwendete (vgl. Kuchler, 2002a, S. 135). Wie Polednik (1969, S. 25) und Falkner (2007, S. 28) in ihren Beschreibungen ausführen, kam im Jahre 1868 der Telemärker erstmals nach Christiania, um dort den Städtern seine Skier zu verkaufen und die Kunst des Skilaufens zu lehren. Die Christiania entwickelten nach und nach ihre eigene Technik: die Christianiatechnik. Nach den Ausführungen von Polednik (1969, S. 31) wurde der Christiania-Skiclub 1877 gegründet. Weiter heißt es, dass „er nicht der erste in der Welt war. So geht die...