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E-Book

Entzauberung

Mein Weg zu Bhagwan und der lange Weg zurück in die Freiheit

AutorJane Stork
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl380 Seiten
ISBN9783752855579
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,49 EUR
Entzauberung ... ist die Geschichte einer Lebensreise durch vier Kontinente und sechs Jahrzehnte. Geboren und aufgewachsen in der australischen Provinz der Nachkriegszeit, gerät Jane als junge Frau und Mutter in den Bann eines indischen Gurus. Sie zieht nach Indien. Als der Meister sich im US-amerikanischen Bundesstaat Oregon niederlässt, folgt sie ihm. Dort bricht die Hölle los. Für Jane verwandelt sich diese Hölle in irdische Gefängnisse. Dann verschlagen sie die Umstände nach Deutschland. Ein neues Leben. Aber wenn sich letztlich die Gefängnistore auch öffnen, das Tor zur vollen Freiheit, der äußeren wie der inneren, bleibt noch immer halb verschlossen. Es sind dramatische Ereignisse, welche sie diese Freiheiten schließlich wiedergewinnen lassen. Spannung, unbeirrte Direktheit, tiefe Einsichten, eine australische Kindheit, Abenteuergeschichten, Tragik, aber auch manche Skurrilitäten: ein Leseerlebnis ohnegleichen. 'Entzauberung' erzählt unter anderem die komplexe Geschichte der Sannyas (Bhagwan) Bewegung in den 70ger und 80ger Jahren. Darüber hinaus bietet sie eine präzise implizite Analyse der Gründe, welche junge Menschen aus dem "Westen" bewogen haben mochten, Anhänger eines indischen Gurus zu werden: frühkindliche Prägungen und Traumata, teilweise sich daraus ergebende psychische oder psychosoziale Probleme (z.B. Beziehungsprobleme - mit Partnern, Eltern, Geschwistern oder in welchen Gruppen auch immer) und die zunehmende Hilflosigkeit und Leere "westlicher" Ideologien. Für Jane war das Resultat zunächst tragisch. Es ist beeindruckend, mit welcher Klarheit sie schließlich ihre persönliche Verantwortung für das Geschehene eingesteht und akzeptiert. Bücher wie dieses tragen dazu bei, die Aura erhabener Überlegenheit selbsternannter Weltverbesserer - wie z.B. Bhagwan (Osho) es zu sein vorgab - zu demystifizieren. "Entzauberung" erschien zuerst im englischen Original unter dem Titel "Breaking the Spell, My life as a Rajneeshee, and the long journey back to freedom" 2009 bei Pan Macmillan Australia. "Aber ich denke, Jane hat wirklich Mut. Sie ist eine von ganz wenigen ehemaligen Sannyasins, die bereit sind, tief in sich zu gehen und offen und ehrlich darüber zu reden, wo sie sich falsch verhielten. Und natürlich war es für uns als Dokumentarfilmer unglaublich wertvoll, sie als Interviewpartnerin zu haben, der das Publikum vertrauen und glauben konnte." (Chapman Way, Co-Regisseur von "Wild, Wild Country" im Gespräch mit Gizmodo)

Jane Stork kam 1945 in Albany, West Australien, zur Welt. Dort wuchs sie auf. Ihre Wege führten sie nach Neuseeland, Indien, die Vereinigten Staaten von Amerika, und schließlich nach Deutschland, wo sie heute lebt.

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Leseprobe

Australien


1


In meiner Familie bin ich das viertgeborene Kind. Rosemary war das erste, Susan das zweite, und Mary Lou das dritte. Meine Mutter sagte manchmal, ich sei der Geist meines Grossvaters. Als mein Grossvater starb, machte mein Vater die lange Reise zum Wohnort seiner Eltern, um der Beerdigung beizuwohnen. Mein Vater liebte seinen Vater sehr. Am Abend seiner Rückkehr war er mit meiner Mutter zusammen und weinte. Sie tröstete ihn, und ihre Körper vereinigten sich. Ich bin das Kind der Liebe, welches sie in jener Nacht des Schmerzes und der Trauer empfing.

Nicht lange nachdem ich zur Welt kam, endete der todbringendste Konflikt in der Geschichte der Menschheit. Einer der geschätzt über sechzig Millionen Menschen, die in diesem Krieg starben, war Jack, ein Bruder meiner Mutter. In der Nacht vor seinem vierundzwanzigsten Geburtstag wachte Nan, meine Grossmutter, weinend auf: Jack sei tot. Im Traum hatte sie gesehen, wie sein Flugzeug auf dem Wasser niederging, in der Nähe eines Ortes, dessen Häuser weiss waren und flache Dächer hatten. Zwei Männer kletterten aus dem Flugzeug, das noch auf dem Wasser trieb, und bestiegen ein kleines Schlauchboot. Aber keiner der beiden war Jack. Sie ruderten fort, und das Flugzeug ging unter.

Als der Krieg vorüber war, kehrten die Männer, welche Nan in das Schlauchboot hatte steigen sehen, nach Australien zurück und besuchten meine Grosseltern. Sie berichteten, dass sie die einzigen Überlebenden des ersten von Jack geflogenen Einsatzes seien. Jack hatte seine Flugausbildung gerade beendet und war mit seinem Bomber unterwegs nach Tunis, in Nordafrika. Kurz bevor sie das Ziel erreichten und noch ohne Bomben abgeworfen zu haben, sei das Flugzeug abgeschossen worden und in’s Meer gestürzt. Es war so geschehen, wie Nan es geträumt hatte.

Ich glaube, meine Eltern dachten, ich sei ihr letztes Kind, und nannten mich deshalb Jane, die weibliche Form von John, des Namens meines Vaters. Fünf Jahre lang vertrat ich meinen noch nicht erschienenen Bruder, den Kronprinzen, bevor dieser, mit grosser Freude, in die Familie aufgenommen wurde. Er wurde auf den Namen John getauft, und damit war unsere Familie vollständig.

Wir wohnten in Albany, im Südwesten von West-Australien. Albany liegt an der Küste, und so kommt es, dass ausser der Wärme und dem Duft meiner Mutter die salzige, vom Südmeer hinaufwehende Brise eine meiner frühesten Erinnerungen ist. Unser Haus stand an der Melville Street, am Hang des Mount Melville. Etwas weiter bergauf gab es keine Bebauung mehr. Dort öffnete sich eine magische Welt aus Felsen und verschlungenen Pfaden, mit Orchideen und Kaninchen. Ich wurde nicht müde, den Kaulquappen zuzusehen, die in den flachen Felsentümpeln hin und her flitzten. Manchmal hatten wir ein Gefäss dabei, fingen ein paar von ihnen ein und nahmen sie mit nach Hause. Wir setzten sie in das steinerne Becken neben der Veranda. Mit grossem Interesse beobachteten wir in den nächsten Tagen, wie sie immer fetter wurden, bis sie fast schon kleine Frösche waren. Wir bekamen sie nie wirklich als Frösche zu Gesicht, denn es schien als hüpften sie, sobald sie ihre Metamorphose geschafft hatten, sogleich hinaus in die weite Welt. Grossmutter Paul hatte in ihrem Brunnen in Busselton die selbe Art kleiner Frösche. Dort wetteiferten wir, wenn es darum ging, Wasser zu holen, und pumpten wie wild, erwartungsvoll auf das Gurgeln im Zylinder lauschend, welches den ersten Wasserschwall ankündigt, in dem prompt ein paar verdutzte Frösche erschienen.

Auf den Wegen am Mount Melville herumzustreifen, Kaninchenbauten zu untersuchen, und kleinen Eidechsen nachzujagen, das war immer ein Hauptvergnügen. Es wurde noch gesteigert, wenn die Orchideenblüte einsetzte. Schlüsselblumen waren hellgelb, und ihr niedriger Wuchs liess sie aussehen wie Sonnenflecken im Gras. Trigger Orchideen konnte man mit einem Grashalm kitzeln, bis sie aufsprangen. Einmal offen, schlossen sie sich nicht mehr, und es war immer eine besondere Herausforderung, solche zu finden, deren Hahn noch gespannt war. Es gab zarte Spinnen-Ragwurze, ganze Büschel gelb-brauner Eselsorchideen, und leuchtend königsblaue Lackorchideen. Tante Dorry, Mutters älteste Schwester, malte Bilder mit Orchideen darin. Da lehnten Elfen an Pilzen und unterhielten sich mit Schnecken. Tante Dorry war meine Feenkönigin.

In Albany hatten wir Hühner. Sie waren in einem Drahtverhau in einer Ecke des Gartens untergebracht, mit Stangen zum Schlafen und Legekästen am Eingang. Die Legekästen waren mit zerkleinerten Muschelschalen gefüllt. Eier einzusammeln war eine meiner Lieblingsbeschäftigungen. Das heisst, ausser wenn eine Glucke sich aufplusterte, drohend auf mich eingackerte und nicht aus dem Kasten heraus wollte. Dann kam Vater und hob sie hoch, so dass ich an die Eier kommen konnte.

Sue spielte für ihr Leben gern Klavier. Sie hatte eine natürliche Begabung dafür. Frühmorgens, bevor wir anderen noch den Schlaf aus den Augen gerieben hatten, war sie schon auf dem Weg zur Klavierstunde. Damit sie zu Hause üben konnte und wir alle uns an ihrem Spiel erfreuten, wollten die Eltern ihr ein Klavier kaufen. Aber das war teuer und mit einem Lehrergehalt kaum zu leisten. Da hatte unser Vater die Idee mit den Hühnern.

“Zwei Dutzend haben wir schon”, sagte er, “wie wäre es also, wenn wir uns hundert Eintagesküken besorgten und sie für’s Weihnachtsessen mästeten?”

“Hundert Küken!” sagte Mutter, “womit sollen wir die denn füttern?”

Vater sagte, er habe sich das schon überlegt und dass er mit einem befreundeten Farmer reden würde. Während der nächsten Tage erweiterte er den Brutraum und hängte noch ein paar wärmende Glühlampen auf. Und auf einmal waren sie da: die Kästen mit den flauschigen gelben Küken. Ich verbrachte jede freie Minute im Stall, die Arme über den grossen Holzkasten gelehnt, und betrachtete dieses piepsende und unentwegt bewegte gelbe Leben. Bald waren die Küken gar keine kleinen flauschigen Bälle mehr; sie wurden zu kleinen Hennen mit braunen Federn und einem roten Kamm auf dem Kopf. Und einige wurden Hähne, die frühmorgens laut krähten. Vater brachte die jungen Vögel in selbstgemachten tragbaren Käfigen unter, die er alle paar Tage in eine andere Ecke des Gartens stellte. Der Kupferkessel, normalerweise nur für die montägliche Wäsche angeheizt, war nun täglich in Betrieb. Mutter kochte darin Säcke voll übelriechender Kartoffeln und angeschimmelter Getreidekörner; Vater gab Schrot und Kleie dazu, und fertig war der ’Vogelbrei’, den er aus grossen Eimern unter die hungrigen Vögel verteilte.

Bestellungen für frische Weihnachtshühner wurden aus der ganzen Nachbarschaft entgegengenommen und fein säuberlich in einer Kladde notiert. Was waren wir aufgeregt, als wir die hundertste Bestellung eintrugen. Dann, eines Tages, beim Abendessen, sagte Vater, dass wir die Hühner am nächsten Tag nicht füttern würden. Wann immer Vater ein Huhn für den Sonntagsbraten schlachtete, nahm er es am Freitagabend von seiner Sitzstange im Stall und steckte es unter eine Holzkiste. So konnte es nichts mehr fressen und sein Kropf war leer, wenn es am Samstagnachmittag geschlachtet wurde. Es war also klar, als Vater sagte, dass die Hühner nicht mehr gefüttert werden sollten, dass nun bald Weihnachtsbraten aus ihnen würden.

Am nächsten Tag wurde geschlachtet, vom Morgen bis zum Abend. Einen nach dem anderen beförderte Vater die tragbaren Kästen in Richtung Waschküche. Routiniert griff er in einen Kasten hinein, fasste ein Beinpaar und zog einen protestierenden Vogel heraus. Mit rascher Bewegung schlug er ihn gegen sein Knie und brach, blitzschnell, mit beiden Händen seinen Hals. Noch ein Beilhieb, und der Kopf war vom restlichen Körper getrennt. Die leblosen Rümpfe legte er auf’s Gras. Mutter hob sie auf, drei oder vier auf einmal. Sie tauchte sie in den mit kochendem Wasser gefüllten Kupferkessel und gab sie dann, zum Rupfen, weiter an Rosemary und Sue. Mary Lou und ich halfen dabei, indem wir die an Flügeln und Beinen steckengebliebenen Federn heraus zogen. Die Waschküche stank von Blut, nassen Federn und dem Dampf aus dem Kupferkessel. Nachdem alle Käfige geleert waren, kam Vater zu uns. Am Ende unseres ‘Fliessbandes’ stellte er einen kleinen Tisch auf und begann die hundert Hühner auszunehmen. Herz, Leber, den gesäuberten Kropf und die Füsse legte er in den leeren Rumpf zurück. Als alles fertig war, wischte Mutter noch jeden der Vögel mit einem Trockentuch ab. Nachmittags und abends kamen die Leute, ihre Bestellung abzuholen. Alle schauten sehr zufrieden drein und wünschten uns beim Abschied ‘Frohe Weihnachten’.

Nicht lange danach erschien ein Klavier in unserer guten Stube. Jeden Tag, nach der Schule, sass Sue daran und spielte und spielte. Manchmal stellte sich Mutter zu ihr, legte eine Hand auf Sues Schulter, und sang leise zu ihrem Spiel. Ich lehnte meinen Kopf an das glänzende Holz, um die Schwingungen zu spüren. Oder ich kletterte auf einen Hocker, öffnete den Deckel und sah den weissen Hämmern zu, wie sie heraushüpften und die Saiten anschlugen. Eines Tages,...

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