1. Einführung und Überblick
Laut der lateinamerikanischen Wirtschaftskommission der UN lag in Paraguay der Rücklauf der getätigten Investitionen (ROI) im Jahr 2013 bei durchschnittlich 22 Prozent, in einigen Wirtschaftsbereichen sogar noch höher. Grund genug, sich bei einer Investitionsentscheidung in Lateinamerika einmal Paraguay etwas genauer anzusehen.
Auch 2015 machte das Land von sich reden – so war es eines der wenigen Länder der Region, das trotz stark kriselnder großer Nachbarn wie Argentinien und Brasilien positive Wirtschaftsdaten aufwies. Dabei ist das Wachstum des Landes seit Jahren sehr stabil – über die letzten elf Jahre beispielsweise wuchs das Bruttoinlandsprodukt um durchschnittlich 4,8% bei hoher Geldwertstabilität. Sogar eine Bankeninsolvenz im Jahr 2015 konnte ruhig und geordnet und ohne Dominoeffekt im Finanzsektor abgewickelt werden.
Darüber hinaus ist es politisch gesehen ein Land, in dem nicht wie in vielen anderen der Region die Regierung linksgerichtet ist, sondern ein sehr unternehmer- und investitionsfreundliches Umfeld bietet. Der gegenwärtige Präsident des Landes, Horacio Cartes, ist selbst einer der größten und erfolgreichsten Unternehmer Paraguays.
Einer Ende 2013 veröffentlichten Studie der brasilianischen „Getulio Vargas“-Stiftung zufolge verfügt Paraguay über das beste Investitionsklima in Lateinamerika (2016 war es auf dem 2. Platz nach Argentinien). Es bietet zahlreiche Investitionsförderprogramme mit hohen Steuervorteilen, und die erwirtschafteten Gewinne können frei ins Ausland transferiert werden. Für Produktionsunternehmen besonders interessant sind die sehr kompetitiven Kosten für Energie und Personal – auch im Vergleich zu asiatischen Ländern. Da die Energie zu über 99 Prozent aus Wasserkraft gewonnen wird, ist dies auch unter ökologischen Gesichtspunkten ein attraktiver Standortvorteil – neben der Tatsache, dass die Kosten pro Megawattstunde über 60 Prozent günstiger sind als in Brasilien. Die Lohnkosten liegen beispielsweise bis zu 50 Prozent niedriger als die in Brasilien bei einem hohen quantitativen Angebot an Arbeitskräften. Auch im Punkt Mehrwert- und Körperschaftsteuer weist Paraguay die niedrigsten Steuersätze der Region auf – bei nur zehn Prozent Körperschaftsteuer auch weltweit ein sehr wettbewerbsfähiger Satz.
Natürlich ist auch Paraguay kein Paradies. Es ist entwicklungstheoretisch ein so genanntes Schwellenland – mit all seinen Konsequenzen. Die Schere zwischen Arm und Reich ist groß, ohne allerdings die gesellschaftspolitischen Implikationen, wie man sie aus Südafrika, Brasilien oder Mexiko kennt. Die Sicherheit im Land ist hoch, die Kriminalitätsrate eine der niedrigsten des Kontinentes. In den letzten Jahren verzeichnete auch Paraguay eine wachsende Mittelschicht – für Investitionen also eine sehr gute Gelegenheit, neue Produkte und Dienstleistungen auf einem zwar kleinen, aber noch lange nicht gesättigten Markt einzuführen – bei hohen Margen, wie bereits eingangs erwähnt.
Defizite des Landes bestehen unter anderem in der Verkehrsinfrastruktur, auf die man bei Investitionen besonders achten sollte, sowie auf der schlechten Bildungssituation, die ein spezielles Anlernen der nötigen Arbeitskräfte erfordert und ebenfalls besondere Methoden im Personalwesen nötig macht. Diese Defizite bieten aber gleichzeitig hohe Chancen für wirtschaftliche Aktivitäten besonders in diesen Bereichen.
Paraguay ist ein südamerikanisches Binnenland mit Grenzen zu Argentinien, Brasilien und Bolivien. Mit 406.752 Quadratkilometern ist es ungefähr so groß wie Deutschland und die Schweiz zusammen. Die Landschaft ist ähnlich flach wie Belgien oder die Niederlande; die höchste Erhebung misst lediglich 842 Meter. Abgesehen von teilweise sehr starken Stürmen und Regenfällen, die dann ganze Städte und Straßen unter Wasser setzen, kennt das Land keine Naturkatastrophen wie Erdbeben oder Vulkanausbrüche. Die zentrale Lage in Südamerika wird trotz seiner Binnenlage häufig als strategischer Vorteil genannt.
Das Land ist von vielen Flüssen durchzogen (der Landesname bedeutet in Guaraní, der Sprache der Indigenen, in etwa „Wasser, das zum Wasser geht“). Der Rio Paraguay unterteilt das Land in zwei geographisch unterschiedliche Regionen; zum einen den Gran Chaco im Westen, der 60 Prozent der Landesfläche ausmacht, und den viel kleineren Osten, in dem allerdings 97 Prozent der Bevölkerung leben.
Paraguay hat mit rund sieben Millionen Einwohnern 13 Mal weniger Bewohner als Deutschland, aber nur etwas weniger als die Schweiz (8 Millionen).
Die Bevölkerungswachstumsrate ist hoch – knapp 70 Prozent der Menschen sind unter 35 Jahre alt und nur 6,6 Prozent über 65 Jahre. Zu über 95 Prozent besteht die Bevölkerung aus Mestizen, einer Mischung der indigenen Gruppen und den spanischen Eroberern.
Nr. 1 Übersicht – Stärken und Schwächen Paraguays im Ländervergleich
Quelle: Eigene Darstellung nach Daten von GTAI, Transparency International, Statista.com, Laenderdaten.de
Hauptstadt des Landes ist Asunción mit rund 500.000 Einwohnern; sie ist auch wirtschaftlich die bedeutendste Stadt des Landes. Im Ballungsraum Asunción gibt es weitere Großstädte wie San Lorenzo (237.000 Einwohner), Luque (224.000), Lambaré (128.000) und Fernando de la Mora (121.000) sowie ein wenig weiter entfernt Capiatá (215.000) und Itauguá (100.000), die das Einzugsgebiet der Hauptstadt stark erweitern. In und um Asunción herum (inklusive dem Verwaltungsbezirk Central, von dem aus Asunción in maximal rund 1,5 Stunden erreichbar ist) leben damit rund 40 Prozent aller Einwohner des Landes. Weitere große Städte sind Ciudad del Este im Osten des Landes an der Grenze zu Brasilien mit knapp 240.000 Einwohnern und Encarnación im Süden mit 77.000 Einwohnern. 60 Prozent aller Paraguayer leben nach paraguayischer Definition in urbanen Gebieten.
Dies macht sich auch wirtschaftlich bemerkbar: 85 Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden in und um Asunción und Ciudad del Este erwirtschaftet. Das Stadt-Land-Gefälle ist in fast allen Bereichen sehr hoch.
Wenn man in Paraguay geschäftlich aktiv werden möchte, so ist dies formal gesehen relativ einfach; und die Chancen sind, wie eingangs erwähnt, hoch. Doch auch in Paraguay fällt Erfolg nicht vom Himmel. Weniger als Logik oder gute Preise sind Beziehungen von höchster Bedeutung. Auch sollte einem immer klar sein, dass es sich nach wie vor um ein Schwellenland handelt – mit all seinen Konsequenzen. Vor diesem Hintergrund müssen Produkt, Werbung und andere Aspekte genau an die Zielgruppen angepasst werden.
Auch die unterschiedlichen Kulturen im Land sollten bei der Marktbearbeitung berücksichtigt werden: (oft als „Latein-Paraguayer“ bezeichnet, in Abgrenzung bspw. von den ebenfalls meist die paraguayische Staatsangehörigkeit besitzenden Einwandergruppen und Indigenen), die Mennoniten, die Einwanderer – sie alle haben unterschiedliche Arten, Geschäfte zu machen, sowie ein eigenes Kaufverhalten. Diese Besonderheiten werden im Verlauf...