2 Methodenkoffer für Ihr Training
„Sage es mir. – Ich werde es vergessen!
Erkläre es mir. – Ich werde mich erinnern!
Lass es mich selber tun. – Ich werde verstehen!“
Konfuzius, chinesischer Philosoph
Der Trainer als Architekt
Im vorherigen Kapitel wurde erläutert, wie Lernprozesse funktionieren. Nun wollen wir daraus Ableitungen für die Lernarchitektur Ihrer Trainings treffen. Für Ihre Rolle als Bauherr gehirnfreundlicher Trainings benötigen Sie zunächst einmal einen Bauplan.
2.1 Bauplan für gehirnfreundliche Trainings
Basierend auf den Ergebnissen der Gehirnforschung sind in den letzten Jahren eine Reihe von Modellen entstanden, die das menschliche Lernen abbilden und Baupläne für das Lehren bieten. Viele der Modelle entsprechen sich in ihren Grundzügen. Sie enthalten zwischen vier und elf Schritte (Letzteres überschreitet jedoch aus lernbiologischer Sicht die kritische Zahl von 7 " 2!).
Malcolm J. Nichol und Colin Rose entwickelten 2002 einen gut handhabbaren methodischen Ansatz zur Verbesserung des Lehrens: Accelerated Learning oder Aktivierendes Lernen genannt. Dieser Ansatz hat sich international im Bereich der aktivierenden Lernmodelle durchgesetzt. Mit diesem Vorgehen werden Inhalte gehirngerecht und sinnvoll strukturiert, sodass Lernen zum einen angenehme Erfahrungen ermöglicht und zum anderen effektiv gestaltet ist. Mit der folgenden Vorgehensweise können Sie Lernprozesse erfolgreich steuern und die übliche Vergessensquote von zirka 80 Prozent in eine Behaltensquote von etwa 70 Prozent umwandeln.
MASTER-Modell nach Rose
Das dreistufige MASTER-Modell von Colin Rose bietet eine wertvolle Konzeptionshilfe für Trainings und Schulungen.
- M steht für mentales Einstimmen und Vorbereiten, für die Motivation der Teilnehmer.
- A steht für das Aufnehmen der Lerninhalte.
- S steht für die Suche nach Sinn und Bedeutung für den Lernenden und letztlich das Speichern mit den drei Unterstufen
- T – Treibstoff für das Gedächtnis,
- E – Einsatz des Gelernten und
- R – Reflexion über das Gelernte.
Schritt 1: Mentale Einstimmung (M)
Zu Beginn eines Trainings – aber auch am Anfang jeder neuen Lerneinheit – sollte zunächst die Basis für gute emotionale und motivationale Lernbedingungen geschaffen werden. Dies wird erreicht durch eine positive und entspannte Atmosphäre, einen Überblick über die Lerninhalte und deren Nutzen für die Teilnehmer. Durch Anknüpfen an Bekanntes und Verknüpfung mit Neuem wird der Bezug zu den Arbeitssituationen der Teilnehmer hergestellt. Gestalten Sie zu Beginn eines Trainings diese Phase besonders ausführlich und behutsam. Sorgen Sie für Orientierung, emotionale Sicherheit und eine Verbindung zu und zwischen den Teilnehmern. Ein Beispiel für Ihren Trainingsanfang finden Sie in Kapitel 3.4.
Schritt 2: Aufnahme der Lerninhalte (A)
Denken Sie einmal zurück an Ihre letzten Prüfungen oder andere Situationen, in denen Sie sich mit einem Stoff auseinandersetzen und lernen mussten. Wie sind Sie vorgegangen? Was funktionierte gut, was lag Ihnen gar nicht? Jeder Mensch hat seine eigenen Lernvorlieben und Lernwege.
Drei Lerntypen
Grundsätzlich gibt es drei Lerntypen:
- auditiv,
- visuell,
- kinästhetisch, d.h. begreifen im Sinne von „be-greifen“, anfassen, tun.
Manche Menschen können dementsprechend Informationen gut über das Zuhören aufnehmen (auditiv), während andere die Informationen in Form von Bildern, Diagrammen, Vorführungen und Darstellungen sehen wollen (visuell). Andere wiederum möchten die Inhalte gemeinsam durchsprechen oder müssen sie konkret ausprobieren (kinästhetisch). Um alle Teilnehmer mit ihren unterschiedlichen Lernpräferenzen optimal zu erreichen, sollte der Lernstoff auf möglichst vielen Wahrnehmungskanälen angeboten werden.
Neben diesen unterschiedlichen Lernarten gibt es einen weiteren Grund, Informationen möglichst vielfältig anzubieten. In der folgenden Grafik sehen Sie die unterschiedlichen Wege der Informationsaufnahme und den Einfluss auf die Behaltensquote.
Sowohl für die Motivation der Teilnehmer als auch für das Behalten ist es also wichtig, bei der Vermittlung der Inhalte auf eine möglichst hohe Eigenaktivität der Lernenden zu achten.
Tipp: Je aktiver die Teilnehmer sich die Lerninhalte erarbeiten, desto besser werden sie sich an die Inhalte erinnern und desto besser werden sie diese verwenden können. Nutzen, strukturieren, organisieren und überwachen Sie diesen effektiven Lernweg.
Menschen kommen mit Wissen und Vorerfahrung ins Training, die unbedingt aufgegriffen werden müssen. Als Trainer sind wir dazu da, neue Fakten und Zusammenhänge zu vermitteln. Vermitteln Sie nicht alles, was es zu dem Thema zu sagen gibt, sondern gezielt Informationen oder Kompetenzen, die den Teilnehmern für ihre Belange weiterhelfen. Vorträge sollten verständlich und prägnant sein: Sie sollten eine Dauer von etwa 20 bis maximal 30 Minuten nicht überschreiten, da Gedächtnisinhalte nur für diese Zeit im Arbeitsspeicher gehalten werden können. Und sie sollten nicht mehr als 7 " 2 Agenda-Punkte behandeln.
Schritt 3: Speichern der Lerninhalte (S)
Den Sprung ins Langzeitgedächtnis meistern
In diesem Schritt müssen die Lerninhalte verfestigt werden, damit sie den Sprung ins Langzeitgedächtnis schaffen. Diesen Sprung schaffen nur Informationen, die entweder hartnäckig wiederholt werden oder persönlich sinn- oder bedeutungsvoll erscheinen.
Unterstützen Sie diesen Prozess gezielt. Zunächst sollte der Sinn der Lerninhalte für das eigene (Arbeits-)Leben deutlich werden. Anschließend müssen die Inhalte noch ein paar Runden in unserem Kopf bewegt werden. Dafür gibt es vielfältige Möglichkeiten. Neben der reinen Wiederholung wie beim Vokabellernen können Sie spielerisch-sportliche Varianten anwenden, wie z. B. ein Quiz, Gruppenarbeiten oder Wettbewerbe und ähnliche Methoden. Ebenso effektiv und elegant ist es, schon in dieser Phase einen Bezug zu den bereits vorhandenen Erfahrungen zu knüpfen und auch Bezüge zum zukünftigen Anwenden zu schaffen. Dieser Schritt ist so wichtig, dass er gleich drei Unterschritte beinhaltet:
T: Treibstoff für das Gedächtnis
In den lernbiologisch kritischen Momenten braucht es Wiederholungen, damit das neue Wissen in das Langzeitgedächtnis übergeht: „Wiederholung ist die Mutter aller Pädagogik.“ Dieses Motto aus Großmutters Zeiten ist weiterhin aktuell, kann nun aber – mit den Prinzipien des Accelerated Learnings und durch Methodenvielfalt – belebt und mit Sinn gefüllt werden. Sorgen Sie für Wiederholungen der Kernaussagen, Diskussionen und Übungen. Eine Übersicht über die verschiedenen Trainingsmethoden finden Sie in Kapitel 2.2 (Bausteine für Ihr Training).
E: Einsatz des Gelernten
Praktische und realitätsnahe Erprobungen und Anwendungen des Gelernten bereits im Training ermöglichen den Lernenden, neue Informationen und Kompetenzen zu überprüfen und zu verbessern. Und sie geben dem Trainer Rückmeldung über die bereits erzielten Lernergebnisse und deren Anwendbarkeit für die Teilnehmer. Sorgen sie also für Hands-on-Erfahrungen wie Fallstudien, Rollenübungen usw.
R: Reflektieren des Gelernten
Die eigene Betrachtung der Lernergebnisse und deren Überprüfung auf ihre Anwendbarkeit und Alltagstauglichkeit helfen, die Lernleistung zu verfestigen und zu übertragen. Lassen Sie bereits im Training Umsetzungsideen entwickeln und Umsetzungsschritte für den Alltag planen. Das Gehirn kann so die Lernabschnitte besser abschließen und die Lernergebnisse in den Alltag hinüberretten.
Grundregeln zur Trainingskonzeption
Die Phasen des Master-Modells können durchaus spielerisch durchmischt werden. Zusammenfassend haben sich folgende Grundregeln für die Konzeption von Trainings und Trainingseinheiten bewährt:
- Jede Einheit beginnt mit einer Einstimmung in das Thema (M-Phase).
- Lassen Sie auf jede Informationsaufnahmephase (A-Phase) eine Phase zur Verfestigung des Gelernten (S-Phase) folgen.
- Jedes Training endet mit einer ausführlichen S-Phase (mit den Unterphasen T, E und R) zur Transfersicherung.
Tipps für die Konzeption:
- Spätestens acht Minuten nach Beginn eines Kurses muss den Teilnehmern ihr persönlicher Nutzen deutlich geworden sein.
- 70 Prozent der Zeit sollten die Teilnehmer aktiv eingebunden sein.
- Alle 90 Minuten ist eine Pause fällig.
- Da unser Arbeitsgedächtnis auf einen Zeittakt von etwa 20 Minuten eingestellt ist, brauchen Menschen nach 20 bis maximal 30 Minuten einen Rhythmuswechsel (z. B. vom Vortrag zur Gruppenarbeit). So werden die Inhalte der einzelnen Phasen am Tagesende leichter erinnert.
- Jeder neue Input braucht zwei bis drei Aktivierungen, in denen die Inhalte mit verschiedenen Perspektiven, zunehmender Komplexität oder mehreren Anwendungsbezügen verankert werden.
- Es sollten in einer Einheit nicht mehr als 7 " 2 Themen behandelt werden.
Als Beispiel für ein nach diesen Prinzipien gestaltetes Trainingsmodul dient das Feedback-Modul in Kapitel 2.3.
2.2...