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Eros und Psyche - oder die Entfaltung der Libido

VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl120 Seiten
ISBN9783744844017
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Das Buch enthält die Beiträge der 19. Fachtagung der Gesellschaft für Biodynamische Psychologie/Körperpsychotherapie (GBP e.V.) in Goslar (28.09.-02.10.2016) zum Thema Sexualität: Eros und Psyche - oder die Entfaltung der Libido.

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Leseprobe

Claudia Haarmann


Wenn Eros und Psyche nicht zusammenfinden


Ich werde Ihnen Julia vorstellen. Was sie beschreibt, ist so typisch für das, was ich immer wieder höre. Auch wenn es noch andere Facetten gibt, warum Eros und Psyche nicht zusammen finden können, wird mit ihr etwas Wesentliches deutlich: Der Kopf regiert den Körper, selbstabwertende Gedanken machen Druck, der Körper macht zu, weil er gestresst ist, im Körper-Kontakt mit ihrem Mann geht sie immer wieder in Rückzug. Anspannung steht der Entspannung gegenüber.

Ihre Bindungsfähigkeit ist fragil. Julia ist in einer Familie aufgewachsen, die äußerst brüchig war. Ihre Mutter war instabil und nicht berechenbar, der Vater eher labil. Sie hat als Kind und Jugendliche immer wieder die Erfahrungen machen müssen, dass jederzeit etwas Aufwühlendes, Unberechenbares geschehen konnte.

Heute ist Julia Anfang 40. Sie ist eine attraktive, sehr lebendige, wache Frau und viele Jahre verheiratet. Das Paar hat zwei Kinder, scheinbar alles was ein gutes Leben ausmacht ist da. Nur das mit der Sexualität ist der wunde Punkt, der sie belastet. Vielleicht sogar mehr als sie sich eingestehen will. Sie kann ihren Körper nicht als Ort der Lust empfinden und traut sich kaum etwas auszuprobieren. Die Folge: Sie vermeidet sexuelle Körperlichkeit – mit sich selbst und mit ihrem Mann, den sie wirklich liebt. Aus ihrer Lebensgeschichte heraus gibt es eine Stimme in ihr, die sich fragt, ob sie ihm oder jemanden anderen als sich selbst überhaupt vertrauen kann, ob sie ihre Kontrolle loslassen kann, ob das nicht zu unberechenbar ist.

Julia ist zutiefst verunsichert, was ihre Rolle als erotische, begehrenswerte Frau betrifft. Sie hat keine Idee, wie sie sich zeigen, wie sie ihr Begehren ausdrücken soll. Und ihr Partner weiß nicht, wie er sie da abholen kann. Beide stecken fest in Bildern, in Klischees, in Selbstabwertungen, Frustration und manchmal sogar in Resignation.

Wie in so vielen langjährigen Partnerschaften wird auch hier auf Dauer Sex vermieden und wenn er gelebt wird, dann in den gewohnten Berührungsmustern. Man tut was man kennt und was zielführend ist. Beide stecken wie in Spurrillen fest, die zwar funktionieren, aber nicht glücklich machen. Was danach bleibt, ist: ‚Ja wir hatten mal wieder Sex, aber der war nicht unbedingt so, dass wir es gleich morgen wieder machen sollten„.

Julia wünscht sich so sehr seine Zugewandtheit und emotionale Nähe, sie glaubt, nur dann könne sie so etwas wie ein Begehren und Lust aufkommen lassen, sie brauche echten tiefen Kontakt oder eine absichtslose Berührung. Kein Umwerben, das gleich auf den Orgasmus hin orientiert ist, keine Nummer… aber das gelinge nicht wirklich. Ihr Mann Peter verstehe auch nicht, was sie damit meine, denn er liebe sie ja. Auch er weiß nicht, wie das körperliche Zusammensein zu verändern wäre und so hat auch er mehr und mehr aufgegeben. Es scheint beiden nicht zu gelingen, Sex und Herz zusammen zu bringen. Beide wissen nicht, wie ihre Liebe und das körperliche Begehren, das Grundbedürfnis nach tiefer körperlicher Begegnung, gelebt werden können.

Wir alle kennen Paare, die in diesem Vermeiden feststecken. Es wird in diesen Beziehungen alles getan um nicht zueinander zu finden – Da sind die Kinder, die Arbeit, sie ist Frühaufsteherin, er Spätzubettgeher, da ist der Alltags-Stress, Krankheit oder es werden Konflikte und Streitigkeiten initiiert, die dann Körperlichkeit ganz sicher verhindern.

Sich entziehen, es möglichst zu keiner intimen Begegnung kommen zu lassen, hat körperliche Folgen. Für beide ist mit dem Thema Sexualität eine Form von Beunruhigung und Anspannung verbunden, Stress schwingt immer mit, vielleicht wird er im Alltag nicht so wahrgenommen, aber er ist da. Und so ist das Paar in seinem hoch beanspruchenden Alltag gefangen. Sie weichen einer sexuellen Nähe aus, die ja, wenn sie vital gelebt würde, nährt und entspannt, die Energie bringt, die Selbstvertrauen hebt und ein gutes Körpergefühl hinterlässt.

Wobei mir wichtig ist, Männer und Frauen in die Diskussion mit einzubeziehen, die in keiner Partnerschaft sind, die alleine leben, die keinen oder selten Sex haben. Denn oft geht es bei ihnen nicht um mangelnde Gelegenheiten, sondern um ihre Angst vor Nähe, ihre Verletzlichkeit, um die Angst schwerwiegende Erfahrungen zu wiederholen, um Insuffizienzgefühle und Selbstzweifel, um die Frage wie ein gesundes Miteinander überhaupt gehen kann. Auch das Alleine-leben kann ein Vermeiden bedeuten.

In meiner Praxis höre ich immer wieder Sätze wie: ‚Über Sex zu reden, ist mir unendlich peinlich„ oder ‚Ich traue es mich kaum sagen, aber ich bekomme fast nie einen Orgasmus, wenn ich mit meinem Mann schlafe„ oder ‚mein Körper ist mir fremd, ich kann mich gar nicht im Spiegel anschauen, ich schäme mich so für mein Aussehen„. Männer beklagen Erektionsstörungen oder einen vorzeitigen Samenerguss, ihr Druck ist immens, die Scham darüber erdrückend. Es sind Bekenntnisse von Frauen und Männern, die subjektiv als niederschmetternd erlebt werden. Diese, nennen wir es Beziehungsstörungen zu sich selbst und zu dem eigenen Körper, sind keine Randphänomene, sondern für viele ein alltäglicher innerer Notstand. Die Not entsteht, weil sie annehmen, dass nur mit ihnen etwas nicht stimmt, im Vergleich mit anderen fühlen sie sich ausgesprochen defizitär.

Die Lebensrealität dieser Menschen (und es sind sehr, sehr viele) steht in einer Diskrepanz zu den begehrlich aussehenden, erotischen Dauerdarstellungen der Medien. Dort trifft Frau auf Mann, es knistert, sie reißen sich die Kleider vom Leib und schon kurze Zeit später sehen wir ein glückserfülltes Lächeln.

Sexualität als intimes Ganzkörpererleben ist aber in Wahrheit schwierig, und ich glaube gerade auch weil sie im krassen Widerspruch zu dem erotischen, sexuellen Dauergemurmel der medialen Gesellschaft steht. Illustre Bilder im Außen, die verführerisch strahlen, die vorgaukeln wie frei, unbeschwert und leichtfüßig Intimität sein soll. Im Vergleich mit der Außenwelt, fühlen sich viele, wie gesagt, ausgesprochen defizitär.

Julia hat etwas erlebt, was die ganze Dramatik verdeutlicht. Sie hat durch einen Zufall herausgefunden, dass ihr Mann sich Pornos im Internet anschaut. Im ersten Moment ist ihre Welt zusammengebrochen, denn sie glaubt, dass ihr Mann das tut, weil sie so unfähig ist. Sie gerät in einen inneren Ausnahmezustand, fragmentiert und ihr vorherrschendes Gefühl ist Scham.

Lassen Sie uns einen Moment über die Scham nachdenken, besser lassen Sie uns nachspüren, was Scham bedeutet – Scham ist nicht nur das Gefühl unzureichend und nicht in Ordnung zu sein, Scham stellt die ganze Existenz in Frage, es ist das tiefste Empfinden von‚ ‚ich bin mangelhaft„. Bei Kindern kann man das ganz deutlich sehen, wenn sie sich schämen oder richtiger gesagt, wenn sie beschämt wurden! Dann ziehen sie sich zusammen, ihr Körper schrumpft, der Atem wird flach, das Herz klopft. Scham ist mit einem Gelähmtsein verbunden. Der Körper friert ein. Man fühlt sich ganz und gar wertlos und allein. (Dieses Einfrieren ist so wichtig zu verstehen, denn in dem Zustand ist man nicht mehr handlungsfähig)

Ich bin Julia wirklich dankbar, denn sie kann formulieren, was in ihr abläuft. Ihre erste Reaktion nach dieser ‚Entdeckung„ - sie müsse jetzt endlich handeln, um ihr Sexleben zu aktivieren. Sie kaufte sich Dessous und war fast in Versuchung etwas zu tun, was nicht ihres war. Sie wollte seinen Bildern gerecht werden, beziehungsweise dem was ihre Annahme von seinen Bildern war. Das kann natürlich so nicht funktionieren. Nun sind Julia und Peter auf dem Weg ihre Ehe wieder lebendiger zu machen indem sie reden! In einem Gespräch mit ihrem Mann formuliert sie den für mich bemerkenswerten Satz: „Ich glaube, ‚deine„ Bilder verstärken dein Begehren und mich verwirren sie“. Dieser Satz ist der Auftakt für eine Offenheit zwischen den beiden, die aufdeckt, dass es nicht seine Bilder sind, dass es nicht das ist, was er sich in dem Zusammensein mit ihr wünscht und beide bekennen, dass sie eigentlich, was ihre Körperlichkeit, ihre Sehnsucht betrifft, wie unbeholfen sind.

Unbeholfen – was für eine Feststellung, aber es trifft genau das, was ich in vielen Gesprächen höre: ‚Wir haben es nie richtig gelernt.„ Carolin Emcke spricht in ihrem Buch ‚Wie wir begehren„ auf sehr eindringliche Weise darüber, dass wir in der Pubertät viel über die Anatomie der Körper, aber nichts über die Lust erfahren.

Julia und Peter - beide erkennen, dass sie eigentlich, wie sie es nennen ‚auf der sexuellen Ebene nicht ausgereift sind„. Sie können sich eingestehen, dass sie nie gelernt haben, wie sich das anspürt mit ihrer Lust als sinnliche, entspannte Körperempfindung, was das ist - ihr ganz persönliches Begehren, wie sie intime Nähe leben können. Aus meiner Sicht sind Julia und ihr Mann mit dieser Selbstwahrnehmung, mit ihrer tiefen Wahrheit an...

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