2 Besserwisser wissen’s besser
Als wäre es nicht schon Herausforderung genug, Kinder zu erziehen, glauben viele Eltern alten Mythen, die alles nur noch verworrener, frustrierender und schlimmer machen. Wie dunkle, fast erstickende Wolken legen sich diese Unwahrheiten über sie und nehmen ihnen die Freude an der Erziehung ihres Kindes.
Es gibt einen oft zitierten Spruch von John Wilmot, Earl of Rochester, der sagte: »Vor meiner Ehe hatte ich sechs Theorien zur Kindererziehung. Jetzt habe ich sechs Kinder und keine Theorien mehr.« Wir alle haben Theorien, Ideale und Erwartungen in Sachen Elternsein, bevor wir Eltern werden. Doch haben wir erst einmal Kinder, erweisen sich viele unserer Vorstellungen als völlig falsch. Manche von ihnen sind naiv und dumm, andere sind Hirngespinste.
Mit dem folgenden kleinen Quiz können Sie herausfinden, welchen verbreiteten, dummen Mythen Sie anhängen. Vielleicht ist Ihnen gar nicht bewusst, wie sehr diese Ammenmärchen Sie beeinflussen – aber sie tun es! Nachdem Sie herausgefunden haben, welche Irrglauben Ihren Alltag trüben, kläre ich Sie über jeden einzelnen auf. Indem Sie erkennen, dass Sie sich von diesen Mythen leiten lassen, haben Sie schon den ersten Schritt getan, sie über Bord zu werfen. Und wenn Sie erst die Wahrheit erfahren, wird auch der letzte Zweifel beseitigt und Ihr Geist offen für neue, effektive Wege der Kindererziehung sein.
Beantworten Sie die folgenden Fragen ehrlich mit JA oder NEIN.
Glaubenssatz der Erziehung | Ja | Nein |
Wenn man als Eltern engagiert ist und eine gute Beziehung zu seinem Kind hat, dann wird sich das Kind automatisch gut benehmen; besondere Erziehungsmaßnahmen sind dann nicht nötig. | | |
Wenn man sein Kind liebt und nur gute Absichten hat, ist Erziehung ein Kinderspiel. | | |
Gute Eltern verlieren nie die Geduld und schreien ihre Kinder nie an. | | |
Wenn die Eltern ein gutes Paar sind und eine enge Beziehung zueinander haben, sind sie in Sachen Erziehung immer ein und derselben Meinung. | | |
Eltern allein sind komplett verantwortlich für das Verhalten und Handeln ihres Kindes. Gute Eltern bekommen automatisch prächtige Kinder. | | |
Wenn man Erziehungsratgeber liest, Elternkurse besucht und bewährte Erziehungsstrategien erlernt, hat man immer alles im Griff. Hat man erst einmal die richtigen Erziehungsansätze intus, sind Erziehung und Elternsein die einfachste Sache der Welt. | | |
Nachdem Sie Ihre Glaubenssätze hinterfragt haben, werden wir gemeinsam die Mythen aufdecken, die dahinterstecken. So werden sich auch Ihre Ängste und Schuldgefühle reduzieren, die Sie unnötigerweise mit sich herumschleppen. Wenn Sie sich mit den Ammenmärchen auseinandersetzen, werden Sie vielleicht auch zukünftigen Herausforderungen zuvorkommen. Candace B. Pert, Ph.D., schrieb in ihrem Buch »Everything You Need to Know to Feel Go(o)d« (Hay House, 2006): »Wir alle greifen jeden Tag zu Bildern, wenn wir mit den beiden häufigsten Sorgen zu tun haben: Wir bedauern das Vergangene oder sorgen uns um die Zukunft … (aber) wir können genau diese Gabe sehr viel positiver einsetzen.« Und weiter: »Je stärker Sie Ihre Aufmerksamkeit beziehungsweise Ihre bewusste Wahrnehmung auf etwas richten, das Sie manifestiert sehen wollen, desto wahrscheinlicher ist es, dass dieses Ziel tatsächlich Wirklichkeit wird.« Lassen Sie uns nun also die jeweiligen Mythen und die dazugehörige Wahrheit genauer betrachten und einen weiteren Schritt in Richtung vernünftiger, positiver Elternschaft machen.
2.1 Mythos
Wenn man als Eltern engagiert ist und eine gute Beziehung zu seinem Kind hat, wird sich das Kind gut benehmen; besondere Erziehungsmaßnahmen sind nicht nötig.
2.2 Wahrheit
Sie haben vom ersten Moment der Geburt an eine enge Bindung zu Ihrem Kind. Sie haben die besten Erziehungsratgeber gelesen. Sie haben Elternkurse besucht. Sie haben absolut alles richtig gemacht. Sie könnten ein einzigartiger, unfehlbarer, strahlender Heiliger sein – und Ihr Kind würde sich trotzdem nicht perfekt benehmen. Tatsache ist, dass sich kein Kind perfekt benimmt. Jedes Kind macht Fehler. Jedes Kind weint und nörgelt, hat Wutund Trotzanfälle. Denn jedes Kind ist ein menschliches Wesen – ein junges, unerfahrenes, naives menschliches Wesen. Alle Menschen sind fehlbar; jeder macht Fehler, trifft falsche Entscheidungen – und lernt hoffentlich daraus.
Wenn sich ein Kind falsch verhält, spiegelt dies nicht elterliches Unvermögen wider. Und es bedeutet auch nicht, dass dem Kind etwas fehlt oder nicht vermittelt wurde. Es ist einfach nur eine Facette unseres Menschseins.
Es ist unsere Pflicht ebenso wie unser Privileg, unsere Kinder zu lieben, sie zu leiten, zu führen und zu unterstützen, uns auf ihre Seite zu stellen und unser Elternsein bestmöglich zu leben. Und es ist unsere Pflicht zu begreifen, dass unsere Kinder perfekt sind – im Sinne einer realistischen, humanen Perfektion, die im Laufe des Wachstums und der Entwicklung auch Fehler und Fehlverhalten impliziert. Fehler machen Lernen und Entwicklung möglich – und das ist das Schöne am Elternsein. Unsere Kinder müssen nicht makellos sein, um unserer bedingungslosen Liebe und Unterstützung sicher sein zu können.
Wutanfälle trotz aller Liebe
Andrew(1), Vater einer vierjährigen Tochter
Wir dachten immer, wenn wir gute Eltern sind, wird unser Kind kein Theater machen und keine Wutanfälle bekommen. Aber da lagen wir völlig falsch. Noch schwieriger als der Umgang mit dem Trotzen unserer Tochter war allerdings die Erkenntnis, dass sie diese Wutausbrüche bekommt, obwohl wir hingebungsvolle Eltern sind.
Jedes Kind hat eben auch schlechte Momente
Jane, Mutter dreier Kleinkinder
Als ich mit dem schlechten Benehmen meines ältesten Sohnes konfrontiert war, habe ich erst einmal den Glauben an mich selbst verloren. Ich suchte überall und bei jedem Antworten auf meine Fragen und stand schließlich total verunsichert vor einem Wirrwarr aus komplett widersprüchlichen Ratschlägen. Ich brauchte noch zwei weitere Kinder, um endlich zu begreifen, dass jedes Kind eben seine schlechten Augenblicke hat. Jetzt habe ich wieder Selbstvertrauen, lese nach, wenn ich Zweifel habe, und folge nur den Ratschlägen, die mir wirklich sinnvoll erscheinen.
2.3 Mythos
Wenn man sein Kind liebt und nur gute Absichten hat, ist Erziehung ein Kinderspiel.
2.4 Wahrheit
Sein Kind zu lieben ist einfach. Sein Kind zu erziehen ist schwer. Wirksame Erziehungsfähigkeiten muss man erlernen. Erziehung ist eine stetem Wandel unterworfene, komplizierte und intensive Aufgabe. Um diese Aufgabe mit ruhiger Hand und erfolgreich zu meistern, braucht man Wissen und bestimmte Fähigkeiten – und es ist sehr selten, dass ein Mensch all dies von Natur aus besitzt.
Erziehung wird noch komplizierter, wenn man bedenkt, dass es keine Standardantworten, dafür aber viele widersprüchliche Meinungen und Ratschläge gibt. Als Eltern hört man sich erst einmal alles an, was man so erzählt bekommt, und muss sich dann durch eine Fülle unterschiedlichster Informationen und Ansichten kämpfen, um zu jenem Erziehungsansatz zu gelangen, der für einen selbst und das eigene Kind geeignet ist.
2.5 Mythos
Gute Eltern verlieren nie die Geduld und schreien ihre Kinder nie an.
2.6 Wahrheit
Selbst die friedlichsten, entspanntesten, geduldigsten Eltern verlieren manchmal die Geduld und schreien – wir sind schließlich alle nur Menschen. Ganz gleich, wie sehr wir unsere Kinder lieben – sie stellen unsere Geduld auf die Probe, und sie bringen uns in Rage.
Jedes Kind hat seine »bösen« Momente. Und wissen Sie was? Wenn Kinder »böse« sind, verlieren auch Eltern mal die Nerven und – ja! – schreien!
Ich bin eine erfahrene Mutter von vier Kindern und verdiene mein Geld mit dem Schreiben von Erziehungsratgebern und mit...