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E-Book

Es ist, wie es ist

Mein Leben mit dem Schmerz

AutorDaniele Hänle
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2015
Seitenanzahl200 Seiten
ISBN9783739260778
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Chronischer Schmerz ist ein höchst individuelles und persönliches Geschehen, das nicht nur körperlich weh tut. Chronischer Schmerz reißt den Betroffenen aus seinem seelischen Gleichgewicht, stürzt ihn in Einsamkeit, beraubt ihn seines Selbstwertgefühls, gefährdet seine Eigenständigkeit. Immer wieder wird einem suggeriert, dass man Schmerzen bewältigen könne. Dass man die psychische und seelische Ursache dafür suchen und angehen, mit Muskeltraining die Strukturen stärken müsse. Doch der Schmerz lässt sich nicht bewältigen. Im besten Falle lässt er sich lindern - ganz sicher aber lässt er sich beeinflussen. Nicht in seiner eigentlichen Stärke, sondern in seiner Wahrnehmung. Schöne Erlebnisse wecken in uns positive Emotionen, die sich über den Schmerz legen, ihn zudecken, ihn weich zeichnen. Diese Emotionen wirken nicht anhaltend. Oft verbessern sie den Schmerzzustand nur für kurze Zeit, für Momente, für einen Augenblick. Aber wenigstens hat man eine kurze gute Zeit, die wiederum positive Emotionen wecken kann. So entsteht ein Kreis. Ein positiver Kreis. Ein Engelskreis! Mit ihrem Buch "Es ist, wie es ist - Mein Leben mit dem Schmerz spricht die Autorin chronische Schmerzpatienten und deren Angehörige an, sowie Ärzte und Therapeuten und alle Menschen, die mit Schmerzpatienten zu tun haben. Sie möchte eine Hilfestellung auf dem Weg des Annehmens, des Verstehenlernens geben. Neben persönlichen Empfindungen und Erfahrungen wie zum Beispiel Trauer, Wut und Hilflosigkeit spricht die Autorin auch allgemein wichtige Themen an: Therapiemöglichkeiten, Versorgung und Betreuung in Kliniken, Positives Denken, Achtsamkeit, Entspannungstechniken, Subjektivität und Individualität bei der Behandlung chronisch Schmerzkranker, Umgang mit Krankheit und Schmerz. Das Buch liest sich so spannend wie emotional berührend. Medizinische Vorgänge werden fachlich kompetent und gut verständlich beschrieben.

Daniele Hänle, geboren 1962. Verheiratet, vier erwachsene Kinder. Nach Berufs- und Familienzeit entdeckte sie das Afrikanische Trommeln als Leidenschaft, als Berufung. 2004 begann ihre Krankheit, ein degeneratives Wirbelsäulenleiden, das ihr Leben in großem Maß verändert. Mit diesem Buch möchte sie vielen anderen Betroffenen Mut zum Leben geben.

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Leseprobe

Operation und Klinikerfahrung


Der Tag der Operation war gekommen. Ich hatte Angst, aber auch Hoffnung. Sagte mir, dass es im Grunde nur besser kommen könne. Es kam schlimmer.

Nach der Operation erwachte ich aus der Narkose, hatte starke Schmerzen, bekam auch gleich eine weitere Dosis Morphin. Eine Mischung aus Wachsein, Träumen und Weinen machte sich in mir breit. Später im Zimmer kam der Schock. Ich konnte meinen rechten Fuß nicht mehr bewegen. Was war passiert? Dr. T erklärte, dass der Ischias Nerv in einer dicken Narbenplatte eingewachsen war, er ihn regelrecht hatte herausschälen und dehnen müssen. Dabei wurden vermutlich Fasern verletzt, die in den Peronaeus Nerv (Wadennerv) übergehen. Die Folge davon sei diese Fußheberparese (Fußheberlähmung).

Der Peronaeus Nerv innerviert die Muskeln, die für die Fußhebung zuständig sind. Ist dieser Nerv in seiner Funktion gestört, kommt es zu mehr oder minder schweren Ausfallserscheinungen. Nerven heilen nur langsam, daher kann eine vollständige Regenerierung des Nervs sehr lange dauern. Die Prognose sei gut, meinte der Arzt, die Parese würde vorübergehen.

Ein Tag verging, der zweite, die Schmerzen im rechten Bein waren stärker als vor der Operation. Ich wurde vertröstet, alles sei normal. Die Schmerzen nahmen weiter zu, waren fast nicht auszuhalten. Bei der geringsten Bewegung hatte ich das Gefühl, als schieße ein glühendes Eisen durch mein Bein. Selbst die Höchstdosis Morphin konnte die Schmerzen nur annähernd lindern.

Es ging mir sehr schlecht. Ich konnte entweder gar nicht schlafen oder hatte irrsinnige Träume aufgrund des Morphins. Meine Verzweiflung war groß, mein Lebensmut fast schon gebrochen. Es wurde ernst. Ich wusste nicht mehr ein noch aus, konnte mich selbst jedoch nicht mitteilen, auch aufgrund von Anlässen, auf die ich später näher eingehe. Es war der fünfte Postoperationstag. Am kommenden Tag sollte ich entlassen werden.

Über Teresa kam die Wende. Wir standen per SMS in Kontakt. Ich weiß nicht mehr, was ich ihr geschrieben hatte, doch gingen bei ihr die Alarmglocken an. Ich dürfe auf keinen Fall so heimgehen, der Arzt stehe in der Pflicht, mir zu helfen. Sie telefonierte mit Lothar, er anschließend mit den Schwestern. Er versuchte ihnen klarzumachen, wie schlecht es mir ging, hatte jedoch nicht den Eindruck, dass er ernst genommen wurde. Deswegen machte er sich am kommenden Morgen um halb fünf auf den Weg zu mir in die Klinik, um pünktlich bei der Visite anwesend zu sein. Um halb sieben war er da. Die diensthabende Schwester wollte ihn nicht zu mir lassen, er könne unmöglich so früh die Patienten stören. Doch gegen meinen Mann kam sie nicht an. Er ging einfach an ihr vorbei ins Zimmer. Ich war ihm in diesem Moment so dankbar; hatte das Gefühl, als würde er mich aus der Hölle retten.

Bei der Visite veranlasste Dr. T ein MRT. Kein schönes Ergebnis. Bei der Operation war es, infolge der noch immer nicht bekannten Blutgerinnungsstörung zu einer Nachblutung gekommen. Ein Hämatom bedrängte die Nervenwurzel L5. Es gab Handlungsbedarf. Am selben Abend noch wurde eine Revisionsoperation durchgeführt. Ich hatte unbändige Angst davor.

Man dürfte meinen, unter solchen Umständen Zuspruch von den Schwestern zu bekommen. Falsch gedacht. Es kümmerte sich keiner. Es gab nur Anweisungen, dass ich ab sofort nichts mehr essen und trinken dürfe. Irgendwann wurden OP Kittel und Netzhose gebracht mit einer kurzen Aufforderung, sie anzuziehen. Kein Wort zur Beruhigung, keine Frage, wie es mir ginge. Schmerz und Angst verkrampften mich. Ich war völlig verspannt, als ich in den OP Saal geschoben wurde und froh, bald nichts mehr mitzubekommen. Die zweite Operation verlief soweit gut, die Schmerzen waren danach deutlich besser, psychisch war ich extrem mitgenommen.

Meine Erinnerung an diesen Klinikaufenthalt birgt eine sehr unliebsame Pflege durch manche Schwestern auf der Station, auf der ich lag. Was ich erlebt habe ist so unglaublich, dass ich es aufschreiben möchte.

Mir ging es zwischen den beiden Operationen schlecht, die Schmerzen hatten mir sehr viel meiner Kraft, aber auch einen Teil meiner Lebensenergie geraubt. Zwölf Stunden war die zweite Operation her, die Nacht durchwacht. Wobei mich die Nachtschwester fürsorglich betreut hatte.

Um sieben Uhr kamen die Tagschwestern. Mir war es übel und ich bat um eine Tasse Tee. Die Antwort, es käme ja gleich das Frühstück. Ich wusste jedoch, dass es immer erst nach acht Uhr ausgeteilt wird. Außerdem hatte ich am Vortag Kaffee bestellt, da ich nicht ahnen konnte, dass ich erneut operiert werden würde. Das teilte ich der Schwester mit, woraufhin sie mich wenig freundlich fragte: »Wollen Sie eine Kanne?« Klein beigebend bejahte ich. Was kam? Eine große Isolierkanne, ohne Tasse, ohne Schnabelbecher.

Die Kanne wurde auf den Nachttisch gestellt. Vom Bett her, in flach liegender Position, für mich nicht erreichbar. Das brachte mich um meine Fassung, ich konnte nur noch weinen.

Keine der Tagschwestern aus dieser Schicht kam auf die Idee, dass ich mich gerne waschen würde, zumindest Hände und Gesicht, denn immer noch war flaches Liegen angesagt. Nicht einmal die geringste Grundpflege wurde mir zuteil. Ich lag da und hielt aus.

Es bedarf keines Überschwangs an Freundlichkeit. Auch weiß ich durchaus um den Mangel an Pflegepersonal, aber sicher kann sich jeder ein gewisses Maß an Taktgefühl leisten. Kurz angebunden gingen manche Informationen auf mich ein. »Frau Hänle, jetzt wird die Drainage gezogen. Danach bleiben Sie noch eine Stunde liegen, bevor Sie aufstehen und sich waschen.« Dabei darf man das erste Mal nach einer schweren Operation nur im Beisein der Physiotherapeutin aufstehen. Auch war es die Physiotherapeutin, die mich über ein striktes Sitzverbot informierte. Die Schwestern wussten auf meine Nachfrage nicht Bescheid.

Bevor ich das erste Mal aufstehen würde, wollte ich gerne den Blasenkatheter gezogen bekommen. Nach eineinhalb Stunden und dreimaligem freundlichen Nachfragen kam endlich eine Krankenschwester. Sie zog den Katheter, was nicht ganz fachmännisch ablief, doch das Schlimmste: Sie ließ mich einfach liegen, aufgedeckt, in der Netzhose mit der nicht mehr frischen Einlage. Selbst konnte ich mir keine Unterhose anziehen. Ich fühlte mich erniedrigt, unwohl und schmutzig.

Meine Schmerzen musste ich unnötig lange aushalten. Auf das Klingeln kam eine Schülerin und sagte in schnippischem Ton, dass sie mein Anliegen weitergeben würde. Eine Stunde später klingelte ich erneut, schon zögerlich. Es dauerte eine weitere halbe Stunde, bis ich die schmerzlindernde Infusion erhielt.

Am vorletzten Tag meines Klinikaufenthaltes kam eine Schwester aus ihrem Urlaub zurück. Unter ihrer Leitung lief plötzlich alles sehr gut. Sie trat kompetent und fürsorglich auf, konnte auch die Schülerinnen gut anleiten. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich arbeitete früher als Kinderkrankenschwester im Pflegeberuf.

Fünf Tage nach der zweiten Operation wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen – an Krücken und in einem weitaus schlechteren Zustand als bei der Aufnahme. Daheim plagten mich Nacht für Nacht extrem starke Nervenschmerzen in der Leiste, im Steiß und im rechten Bein. Mein langjähriger Schmerztherapeut verordnete mir ein Medikament aus der Gruppe der Antikonvulsiva, das unter anderem bei neuropathischen Schmerzen Verwendung findet.

Es gibt Medikamente, die nicht zu den klassischen Analgetika (Schmerzmedikamente) gehören. Man bezeichnet sie als Ko-Therapeutika. Obwohl sie ursprünglich für andere Krankheitsbilder entwickelt wurden, tragen sie bei bestimmten Schmerzarten zur Schmerzlinderung bei.

Solche Ko-Therapeutika sind zum Beispiel Antikonvulsiva (Medikamente gegen Epilepsie – Krampfanfälle) und Antidepressiva (Psychopharmaka). Sie blockieren bestimmte Rezeptoren an den Nervenzellen, wodurch weniger Schmerzinformationen an das Gehirn und in das Bewusstsein gelangen.

Vor der anstehenden Anschlussheilbehandlung sollte ich mich eine Woche daheim erholen. Zu Beginn ging es mir noch so schlecht, dass mich mein Schmerztherapeut nicht für rehafähig hielt. Bis zum Ende der Woche hatte ich mich jedoch soweit erholt, dass ich die Reha antreten konnte.

Da ich nicht in der Lage war, mich alleine zu versorgen, bekam ich ein Zimmer auf der Pflegestation zugewiesen. Nach den aktuellen Erfahrungen im Krankenhaus hatte ich einen Horror vor der Pflegestation, weshalb mich Lothar die ersten beiden Wochen begleitete.

Wegen der starken Nervenschmerzen wurden das Opiat und das Antikonvulsivum immer höher dosiert. Ich kannte mich bald selbst nicht mehr. Ich war zeitweise sehr verwirrt, die Bilder vor meinen Augen verschwammen und bewegten sich ruckartig hin und her. Ich hatte Konzentrationsstörungen und einen instabilen Kreislauf. Bei Nacht fand ich kaum in den Schlaf, Alpträume plagten mich. Zusätzlich belastete mich, medikamentenbedingt, eine schwere Obstipation (Verstopfung).

Für die Fußheberparese wurde mir eine Orthese angepasst. Ich konnte mich selbst an Krücken nur mühsam vorwärts bewegen, der Rücken und das Bein versagten mir schnell ihre Dienste. Weitere Strecken wurde ich zu Beginn der Reha im Rollstuhl gefahren. Mein behandelnder Arzt war kompetent, fürsorglich und freundlich, die Schwestern sehr zuvorkommend und aufmerksam. Meine Physiotherapeutin zeigte sich von einer besonderen Achtsamkeit, versuchte meinen Allgemeinzustand mit Akupunktmassage zu verbessern, was ihr teilweise sehr gut gelang.

Sechs Wochen nach der Reha hatte ich einen Kontrolltermin bei Dr. T. Er beschönigte nichts, sprach mir Mut zu. Der lange...

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