Wer sich für Mode interessiert, ist in den letzten fünf Jahren unweigerlich mit dem Begriff Ethical Fashion in Berührung gekommen. Es ist der neue Trend in der Modewelt. Ob high- oder lowbrow, Avant-Garde oder Kommerz: alles ist neuerdings ethisch korrekt, grün, fair und Bio. Ist das wirklich so? Was verbirgt sich hinter dieser gigantischen Worthülse? Ethical Fashion ist nicht nur ein Trend, es ist ein Konzept, das sich auf den Umgang mit jedem einzelnen Schritt, von der Idee bis zum Post-Konsumverhalten, bezieht - eine Philosophie. Ein Beispiel, dass dieses „Alles“ gut illustriert, ist das neueste Label von Bruno Pieters „Honest By“, bei dem Online von der Idee bis zur kleinsten Sicherheitsnadel jeder Entwicklungsschritt in der textilen Kette* transparent sichtbar und nachvollziehbar ist (vgl. Pieters Online 2013). Es geht bei Ethical Fashion darum, das alles rund um Mode in menschenwürdigen und gerechten, fairen Kontexten entsteht, gefertigt, produziert, transportiert, verkauft, gekauft und verwertet wird. Es geht um Nachhaltigkeit und soziales Bewusstsein. Etwas, dass offenbar nicht selbstverständlich ist und gleichzeitig einen sehr hohen Anspruch erhebt, denn ob Fairness, Ethik und Gerechtigkeit global dasselbe bedeuten, bezweifle ich. Abgesehen davon, dass die hier angesprochene westliche Modeindustrie im Kontext einer neoliberalen Fast Fashion Industrie & Turbo Konsumismus ganz andere Strategien anwendet. *Die textile Kette umfasst alle Ebenen von der Fasergewinnung bis zum Endverbrauch: Rohstoffgewinnung oder Produktion von Chemiefasern, Spinnerei, Weberei bzw. Strickerei, Veredelung, Konfektionierung, Transport, Gebrauch und Entsorgung (vgl. Diekamp|Koch 2010:156).
Der Trend zu ökologischer, nachhaltiger und fair produzierter Mode ist kein neues Phänomen des 21. Jahrhunderts - Ethical Fashion ist eine zeitgenössische Ausprägung vorangegangener Erscheinungen. Bereits in den 1970 und 1980er Jahren gab es Bewegungen, die sich vom Mainstream der Mode absetzen wollten und eine andere Vorstellung von diesem Feld hatten. Diekamp Kirsten und Koch Werner unterscheiden in ihrem Buch „Eco Fashion -Top-Labels entdecken die Grüne Mode.“ zwischen drei Phasen in Bezug auf „Ökobekleidung“, die sich nicht nur äußerlich sondern auch inhaltlich unterscheiden:
Die erste Phase ist, wie schon vorhin erwähnt, die antikapitalistische Ökobewegung der 1970er und 1980er Jahre im Zuge der politischen und gesellschaftlichen Veränderungen nach 1968. Hier ging es vor allem darum, Kleidung als gesellschaftskritisches und -politisches Medium verstanden zu wissen, auch sehr stark in Verbindung mit der damaligen feministischen Bewegung.
Kleidung sollte nicht dazu dienen, Frauen zu Objekten zu machen sondern sie daraus zu befreien, indem sie weiten Schlabberlook aus Naturmaterialien, zum Großteil selbst gefertigt, trugen und z.B. auf BH’s verzichteten, die bei Protesten mitunter auch verbrannt wurden - als Symbol gegen Sexismus. Diese Bewegung wollte sich vordergründig von der Masse unterscheiden und eine Nische bleiben. Die Ästhetik spielte dabei überhaupt keine Rolle - noch dazu waren damals die ökologischen Produktionstechniken der Stoffe begrenzt und die Möglichkeiten im Bezug auf Farbe, Griff und Form dadurch extrem beschränkt. (Vgl. Diekamp|Koch 2010:10).
Die zweite Phase der „Ökobewegung“ fand in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts statt. Der Hintergrund dieser Phase waren die immer stärker werdenden Aktivitäten der Umweltbewegungen dieser Zeit und die Einsicht, dass die Modeindustrie nachhaltigen Schaden an Mensch und Umwelt anrichten kann zum Beispiel durch den immer massiveren Einsatz diverser Gifte in der Produktion oder menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen. Diese Bewegung entwickelt sich im Unterschied zur ersten innerhalb der Modebranche - Katharine Hamnett gilt mit ihren übergroßen Shirts mit Text Botschaften als Pionierin dieser Zeit. Das Beispiel Hamnett zeigt auch, dass sich Stars in Mode und Showbusiness damit öffentlich positionierten und bereits eine immer breiter werdende Vorbildwirkung hatten. Auch größere Ketten wie Esprit oder H&M versuchten durch das Konzept ästhetisch ansprechender Ökomode umweltbewusste KundInnen zu gewinnen. Dies gelang damals nur partiell, das Interesse der großen Masse konnte damit nicht geweckt werden. Bemerkenswert ist jedoch, dass bei der zweiten Phase zum ersten Mal Ökologie mit ästhetischen Anspruch gedacht wurde und es sich nicht um eine soziale Abgrenzung wie in der ersten Phase handelte, sondern um ein Nischensegment bzw. ein strategisches Konzept innerhalb der Modeindustrie. Die Weiterentwicklung der Technik, auch im Bereich der Produktion, war hierfür maßgeblich. (Vgl. Diekamp|Koch 2010:11).
Die dritte Phase beschreiben die Autoren als „High Eco Fashion Phase“. Diese stellt die Synthese der vorangegangen Phasen dar: „das Design soll aktuell, Produktions- und Herstellungsweisen nachhaltig, das Material textilökologisch einwandfrei und die Kleidung Fairtrade, also ethisch-moralisch korrekt gehandelt sein“. Nachdem die Vorbildwirkung von Stars aus den Medien seit den 1990er Jahren bereits gut funktioniert hat, bekennen sich diese zur Ökologie und einem Konsumwandel und beeinflussen dadurch die Massen mehr als jemals zuvor. Auch das Internet hat einen paradigmatischen Wandel in der Handelswelt mit sich gebracht: es ermöglicht eine 24 stündige Präsenz weltweit und erspart z.B. jungen ModedesignerInnen die Miete für einen physischen Verkaufsstandort. Durch das Internet wird heute sichtbar, wie viele DesignerInnen und Menschen sich auf der Welt mit dem Thema Mode und Ethik auseinandersetzen.
Ausschlaggebend für den Erfolg und die Akzeptanz ökologischer Mode bleibt aber, so die Autoren, die ästhetische Komponente und auch der Preis. (Vgl. Diekamp|Koch 2010:13).
Voguepedia, das Glossar der Modezeitschrift Vogue, ortet den Begriff „Eco Fashion“ (unter dem in diesem Fall Ethical Fashion fällt, da dieser Begriff gar nicht aufgeführt wird), erstmals 1990 im eigenen Magazin, beeinflusst durch einen Zeitungsartikel der New York Times mit dem Titel „The green movement of the Fashion World“ von Woody Hochswender, der am 25. März 1995 erschienen ist. Die erste offizielle „Ethical Fashion Show“ wird neun Jahre später mit 2004 in Paris datiert und beschrieben als „a showcase for sustainable, artisanal design“ (Voguepedia Online 2013). Weitere neun Jahre später, 2013, bleibt „Eco Fashion“ im englischsprachigen Raum offenbar im Mainstream der Überbegriff, wenn es um Suchbegriffe im Internet geht, sowie „Öko-Mode“ der Überbegriff im deutsch-sprachigen Raum bleibt, obwohl streng genommen der ökologische Aspekt nur einen Teilaspekt eines größeren ethischen Konzepts in der Kette von Ethical Fashion darstellt. (Vgl. Minney 2011:162).
Google ist eine globale Internetsuchmaschine, die dafür geeignet ist, Trends zu beobachten und um zu sehen, wie ein Thema oder ein Begriff weltweit Verbreitung finden. Google Trends sucht innerhalb der eigenen Suchmaschine weltweit ab dem Jahr 2004, inklusive der Nachrichtenschlagzeilen, die Häufigkeit der eingegebenen Begriffe und vergleicht diese mit einfachen statistischen Mitteln. Obwohl Ethical Fashion als Begriff 2005 gesuchter war als „Eco-Fashion“, löst „Eco-Fashion“ nach fast gleichvielen Anfragen zwischen 2006 und 2009 den Begriff Ethical Fashion bis dato ab. Man kann hier herauslesen, dass bei Ethical Fashion zu wenig Unterschied gemacht wird und das Bewusstsein für die Feinheiten der einzelnen Begrifflichkeiten allgemein noch um ein vielfaches gesteigert gehört, bis ein Unterschied zwischen „Eco-Fashion“ und Ethical Fashion gemacht wird.
Im Kontext des zeitgenössischen Revivals ethisch korrekter und als fair bezeichneter Moden muss man betonen, dass diese Entwicklung nur dank engagierter AkteurInnen in der Vergangenheit möglich gemacht wurde, die viel Vorarbeit geleistet haben und nach wie vor leisten. Zu den PionierInnen der Ethical Fashion Szene zählen vor allem Katherine Hamnett, People Tree und Patagonia sowie die designtechnischen und philosophischen Ansätze der bekanntesten japanischen DesignerInnen wie Yohji Yamamoto, Issey Miyake oder Rei Kawakubo. Letztere zeichnen sich vor allem durch minimalistische Konzeptionen, die kulturell geprägt sind, aus, wie z.B. Drapieren, um Verschnitt zu vermeiden, Multifunktionalität oder der vermehrte Einsatz von Monomaterial. (Vgl. Diekamp|Koch 2010:41). Ihre Philosophie und viele ihrer Zugänge finden sich in den aktuellen Vorschlägen für einen ethischeren Wandel der Modeindustrie wieder.
Katharine Hamnett (geboren 1947 in Gravesend, Kent) ist die ungekrönte Königin nachhaltiger Mode. Sie ist Absolventin des Central Saint Martins College of Art and Design und gründete ihr Label Katharine E. Hamnett 1979, mit dem sie ist vor allem wegen ihrer übergroßen T-Shirts mit Slogans wie „Clean up or Die“ oder „Choose Life“, die auch von vielen Stars und Musikern getragen wurden, bekannt geworden ist. Im Jahr 1989 stellte sie erstmals Recherchen über die klassischen Produktionsweisen der Modeindustrie an. Der Einsatz giftiger Pestizide beim Baumwollanbau, die daraus resultierende Kontamination des Wassers und menschenunwürdige...