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E-Book

Europäische Wirtschaftspolitik

AutorJens Klose
VerlagSchäffer-Poeschel Verlag
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl318 Seiten
ISBN9783791041315
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis28,99 EUR
Das Lehrbuch erläutert Grundlagen der europäischen Wirtschaftspolitik: - Fiskalpolitik und ihre Institutionen auf nationaler Ebene - Resultierende Koordinationsprobleme - Institutionen und Ziele der europäischen GeldpolitikMithilfe von Modellen werden Auswirkungen und das Zusammenspiel von Fiskal- und Geldpolitik untersucht. Besondere Beachtung finden die fiskal- und geldpolitischen Neuerungen im Gefolge der Finanzkrise von 2008/2009. Mit einem Ausblick auf die zukünftige wirtschaftliche Integration Europas. Mit Übungsaufgaben im Buch und Lösungen zum Download auf myBook+.

Professor Dr. Jens Klose lehrt am Fachbereich Wirtschaft der Technischen Hochschule Mittelhessen.

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Leseprobe

2 Die europäische Fiskalpolitik


Kapitelinhalt

Dieses Kapitel widmet sich der europäischen Fiskalpolitik. Wir werden sehen, dass ein Großteil der fiskalpolitischen Verantwortung auf nationaler Ebene verbleibt. Deshalb bietet es sich an, zunächst die Sicht eines Staates einzunehmen, um die fiskalischen Wirkungsweisen kennenzulernen und Fachausdrücke, die auch im europäischen Kontext in den letzten Jahren immer größere Bedeutung bekommen haben, wie Defizite oder Schuldenstandsquoten, erläutern zu können. Zudem wird die Bedeutung der nationalen Fiskalpolitik für die nationalen Gütermärkte ausführlich dargestellt. Darauf aufbauend wird der EU-Haushalt, also das Kernstück der europäischen Fiskalpolitik, näher beleuchtet. Den Abschluss des Kapitels bildet die Koordinierung der nationalen Wirtschaftspolitiken in der EU, welche sich vor allem im Stabilitäts- und Wachstumspakt (SWP) ausdrückt.

Subsidiaritätsprinzip bedeutet: Entscheidungen sollen auf der kleinsten Ebene getroffen werden, die dazu in der Lage ist.

Fiskalpolitische Entscheidungen wie zum Beispiel die Höhe von Steuersätzen oder Staatsausgaben unterliegen grundsätzlich dem Subsidiaritätsprinzip. Dieses Prinzip besagt, dass Entscheidungen grundsätzlich auf der kleinsten organisatorischen Ebene getroffen werden sollen, und nur falls diese kleine Ebene nicht geeignet oder in der Lage ist, eine Entscheidung zu treffen, kommt die nächsthöhere Ebene ins Spiel. Auf diesem Grundgedanken fußt auch die Arbeitsweise der EU. Demnach ist das Subsidiaritätsprinzip in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union (EUV) fest verankert (Europäische Union 2007) und regelt so die Zuständigkeiten auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene. Es besagt, dass die europäische Ebene nur betroffen sein kann, wenn folgende drei Fragen positiv zu beantworten sind:

  1. Hat die Maßnahme grenzüberschreitende Aspekte, die nicht von den EU-Ländern geregelt werden können?

  2. Würde eine nationale Maßnahme oder ein Nichttätigwerden im Widerspruch zu den Anforderungen des EU-Vertrages stehen?

  3. Hat eine Maßnahme auf EU-Ebene offenkundige Vorteile?

Für den Großteil der fiskalpolitischen Entscheidungen wurde bislang zumindest eine Frage mit Nein beantwortet, was dazu führt, dass die Fiskalpolitik bis heute im Wesentlichen in der Hand der einzelnen Staaten liegt. Dies gilt, wie wir später sehen werden, vor allem für die Einnahmenseite.

Doch auch wenn die EU oder ihre Institutionen nicht die beste Ebene für fiskalpolitische Entscheidungen wäre, könnte sie trotzdem zuständig sein, wenn die Staaten ihr die Zuständigkeit hierfür explizit in den Verträgen übertragen würden. Man spricht hier von dem Grundsatz der begrenzten Einzelermächtigung, wie es ebenfalls in Artikel 5 EUV festgelegt ist. Dies ist im Zusammenhang mit fiskalpolitischen Kompetenzen bislang aber noch nicht im signifikanten Ausmaß eingetreten. Zudem dürften die EU-Institutionen ohnehin nur so weit regieren, wie es die Verträge zulassen. Insbesondere dürfen keine über die in den Verträgen vereinbarten Ziele hinausgehenden Pläne verfolgt werden. Dies spiegelt den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wider, der ebenfalls in Artikel 5 EUV festgeschrieben wurde.

Da die fiskalischen Kompetenzen also bis heute im Wesentlichen bei den EU-Mitgliedstaaten liegen, macht es Sinn, sich zunächst der nationalen Fiskalpolitik zu widmen, was im folgenden Abschnitt geschehen soll.

2.1 Einführung in die Finanzpolitik


In diesem Kapitel wird zunächst die nationale Ebene der Fiskalpolitik (auch Finanzpolitik genannt) näher beleuchtet. Dies geschieht in drei Schritten: Zunächst wird der Haushalt eines Staates mit seinen wichtigsten Einnahme- und Ausgabekategorien näher beleuchtet. Daran schließt sich ein Abschnitt zum Thema Staatsverschuldung an, in dem unter anderem die in der Finanz- und Wirtschaftskrise immer wichtiger gewordenen Begriffe „Defizit“ und „Schuldenstandsquote“ näher beleuchtet werden. Den Abschluss bildet ein Abschnitt über die Bedeutung der nationalen Fiskalpolitik für den nationalen Gütermarkt.

2.1.1 Der Staatshaushalt


Kern des Staatshaushalts ist ein Vergleich von Staatseinnahmen (StE) und Staatsausgaben (StA).

Um die fiskalischen Möglichkeiten eines Staates zu kennen, ist es unerlässlich eine Vorstellung von einem Staatshaushalt und seinen einzelnen Ausgabenpositionen zu haben. Dies wird im vorliegenden Abschnitt geleistet, und zwar anhand der Klassifikation der Finanzstatistik des Sektors Staat, wie sie die europäische Statistikbehörde Eurostat ausweist (Eurostat 2016). Durch die Nutzung dieser Quelle sind gleichzeitig Vergleiche einzelner Positionen zwischen verschiedenen Staaten der EU möglich.

Im Kern der Betrachtung des Staatshaushalts stehen der Vergleich von Staatseinnahmen (StE) und Staatsausgaben (StA). Wenn gilt

StE = StA(1)

dann liegt ein sogenannter ausgeglichener Haushalt vor. Dies bedeutet, dass der Staat seine Ausgaben mit gleich großen Einnahmen finanziert. Typischerweise werden sich StE und StA aber unterscheiden, sodass der Staat entweder Gewinne (bei StE > StA) oder Verluste (bei StE < StA) macht. Man spricht in diesen Fällen einmal von einem fiskalischen Überschuss oder Defizit.

Auf der Einnahmenseite des Staates bestehen die Staatseinnahmen aus fünf Unterkategorien: Steuern (T), Empfangene Sozialbeiträge (SoB), Marktproduktion (MP), Vermögenseinkommen (VE) und Sonstige Erträge (SoE).

StE und StA sind aber keine homogenen Blöcke, sondern bestehen aus verschiedenen Unterpositionen. Wenden wir uns zunächst der Einnahmenseite eines Staates zu. Laut europäischer Klassifikation kann ein Staat auf fünf verschiedenen Wegen Einnahmen generieren. Diese sind:

  1. Steuern (T)

  2. Empfangene Sozialbeiträge (SoB)

  3. Marktproduktion (MP)

  4. Vermögenseinkommen (VE)

  5. Sonstige Erträge (SoE)

Damit ist die Einnahmenseite des Staates definiert als:

StE = T + SoB + MP + VE + SoE(2)

Doch was steckt genau hinter den einzelnen Positionen und wie sehen diese im Falle der 28 Staaten der EU aus? Dies wird im Folgenden näher beschrieben, wobei wir lediglich auf die ersten vier Ausgabekategorien einen genaueren Blick werfen wollen, da es sich bei den sonstigen Erträgen, um eine Sammelkategorie von Einnahmepositionen handelt, die sich zu keiner sonstigen Einnahmegröße hinzurechnen lassen.

Die wichtigste Einnahmequelle des Staates sind seine Einnahmen durch Steuern (T). Das Wesen einer Steuer ist, dass deren Höhe einseitig vom Staat festgesetzt wird und der Zahlung keine direkte Gegenleistung gegenübersteht. Es wird zwischen den drei Steuerarten Indirekte Steuern (IT), Direkte Steuern (DT) und Kapitalertragsteuern (KT) unterschieden. Zusammen bilden die Aufkommen dieser drei Arten die gesamten Steuereinnahmen eines Staates.

T = IT + DT + KT(3)

Der Unterschied zwischen direkten und indirekten Steuern liegt darin, wer die Steuern letztendlich abführt.

Dabei besteht der wesentliche Unterschied zwischen direkten und indirekten Steuern darin, wer die Steuerschuld letztendlich an den Staat abführt. Bei direkten Steuern ist dies der Steuerschuldner selbst. Typische Beispiele hierfür sind die Einkommenssteuer oder die Körperschaftssteuer, die jeweils direkt vom Arbeitnehmer beziehungsweise dem Unternehmen zu zahlen sind. Demgegenüber werden indirekte Steuern von einem Dritten an den Staat abgeführt. Dieser Dritte überwälzt die Steuer typischerweise auf den eigentlichen Steuerschuldner. Ein Beispiel hierfür sind alle Umsatz- und Verbrauchssteuern wie zum Beispiel die Mehrwertsteuer, die Stromsteuer, die Tabaksteuer oder die Branntweinsteuer. Die Überwälzung auf den Steuerschuldner erfolgt hierbei durch einen Aufschlag auf den zu zahlenden Preis. In den europäischen Statistiken wird zudem die Kapitalertragssteuer separat ausgewiesen, obwohl es sich streng genommen um eine direkte Steuer handelt. Quantitativ ist ihr Anteil an den gesamten Steuereinnahmen aller 28 EU-Länder aber vernachlässigbar, wie Abbildung 2-1 zeigt. Demnach machten die Steuereinnahmen aus der Kapitalertragssteuer im Jahr 2016 gerade einmal rund 1 Prozent der gesamten Steuereinnahmen aus. Die verbleibenden 99 Prozent verteilen sich hingen relativ gleichmäßig auf indirekte (50 Prozent) und direkte Steuereinnahmen (49 Prozent).

Abb. 2-1 Steuereinnahmen nach Kategorien in der EU-28

Sozialbeiträge implizieren eine explizite Gegenleistung des Staates, meist zu einem späteren Zeitpunkt.

Die zweite Einnahmekategorie von Staaten spiegeln die empfangenen Sozialbeiträge (SoB) wider. Beiträge stellen deshalb eine eigene Einnahmekategorie dar, weil mit ihnen, im Gegensatz zu Steuereinnahmen, eine explizite Gegenleistung verbunden ist. So berechnet sich zum Beispiel aus der Höhe der...

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