1. Geht nicht? Gibt’s nicht!
1.1 Das Unmögliche möglich gemacht: Wenn ganz normale Menschen ganz Unglaubliches leisten
»Nur wer das Ziel kennt, kann es treffen.«
Joe Alexander
Wenn ich mal nicht gerade auf »Rekordjagd« bin oder jemanden für eine Fernsehsendung über seine Leistungsgrenzen hinaus coache, werde ich oft gefragt:
»Joe, kannst du dir nicht auch für mich etwas ›Außergewöhnliches‹ oder ›Unmögliches‹ überlegen? Ich möchte auch dieses oder jenes können!«
Grundsätzlich ist dem nichts entgegenzusetzen. Aber wenn es die Grundmotivation eines »normalen« Menschen ist, einfach nur ins Fernsehen kommen zu wollen oder damit vor seinen Freunden in der Kneipe anzugeben, dann liegt da schon ein großer Stolperstein, über den derjenige früher oder später stolpern wird. Unglaubliche Leistungen zu vollbringen ist nicht so einfach, wie es manchmal den Anschein hat. Im Gegenteil: solche Kraftakte bedürfen einer tief verankerten Motivation, die man dann auch nicht mehr so leicht los wird! Alles, was am Ende leicht aussieht, ist anfangs schwer und langwierig.
Es ist wie mit der berühmten Eisbergspitze, die man über Wasser sehen kann. Wir wissen, dass da ein gewaltiger Rest unter dem Wasserspiegel existiert, denn ohne diesen würde es keine Eisbergspitze geben. Aber zu sehen ist das alles erst, wenn man eintaucht in die Welt des Eisbergs. So verhält es sich auch mit den Mechanismen, die Menschen in die Lage versetzen, scheinbar Unmögliches zu schaffen.
Seitdem das Internet unsere Wahrnehmung so ziemlich auf den Kopf gestellt hat, wissen wir am Ende nicht mehr genau, was wir glauben sollen und was nicht. Es gibt dort z. B. junge Leute, die Fußbälle von Dächern über hundert Meter weit schießen, um eine Cola-Dose von einer Parkbank zu kicken. Oder: Jemand wirft aus ein paar Metern Entfernung eine Musik-CD genau in den Schlitz eines CD-Players und lässt sie abspielen. Es sind »normale« Menschen und es sind durchaus unglaubliche Leistungen – immer vorausgesetzt, sie sind real und nicht mit filmischen Tricks erzeugt. Also ist hier die Frage erlaubt, wann ein Mensch noch normal und ab wann seine Leistung wirklich unglaublich ist. Doch worin liegt die wahre Bedeutung des Begriffs »unglaublich«?
Das wird des Öfteren von Galileo Fake Check (Pro7) und anderen Sendungen investigativ hinterfragt. Und es ist tatsächlich so, dass einige der gezeigten Leistungen im Netz echt sind. Wer immer diese im Film erfolgreich vorgeführt hat, hatte zumeist zigtausende von frustrierenden Fehlversuchen hinter sich. Erst dann kamen die Erlösung und der Moment, in dem es einmal sauber und wie von »Geisterhand« geführt vor der laufenden Kamera gelang! Alles andere ist von »Computerhand« und mit der Maus manipulierte unmögliche Leistung.
Ein berühmter Sportler wie »Air Jordan« oder ein begnadeter Fußballer wie »R7« Ronaldo brauchen keine Computertricks und sind trotzdem »normale« Menschen, die ihre »unmögliche« Leistungsfähigkeit nur dadurch erlangten, dass sie am Anfang unzählige Trainingseinheiten absolviert haben, um in den Olymp aufzusteigen. Talent ist wichtig, aber ohne Disziplin und Beharrlichkeit sind solche Leistungen nicht abrufbar.
Es gibt wiederum ganz andere »normale Menschen«, die ohne nachzudenken etwas »Unglaubliches« leisten. Es fängt bei Zivilcourage an, reicht über eine komplette Lebensumstellung durch eine »verrückte« Entscheidung bis hin zu alleinerziehenden Vätern oder Müttern, die zwei oder drei Kinder aufziehen und zugleich das Geld für alle verdienen müssen. Diese Leistungen sind weder spektakuläre Rekorde noch werden sie im Fernsehen zelebriert. Es gibt dafür auch keine öffentliche Ehrung, diesen Menschen werden keine Medaillen überreicht. Dennoch handelt es sich um unglaubliche Leistungen, die Respekt und Hochachtung verdienen!
Wichtig ist: Jeder Mensch kann »Unmögliches« vollbringen, und das Gute ist: Er oder sie kann jederzeit damit anfangen. Das »doppelt Gute« ist: Es ist fast egal wo, es ist überall möglich und beginnbar. In der Küche, in der Schule, in der Kneipe, bei der Arbeit oder beim Sport. ES IST EGAL!
Wichtig ist nur eine »kleine« Sache: er muss für das »Unmögliche« eine Entscheidung fällen, und zwar eine klare Entscheidung! Sind Sie bereit für eine »verrückte« Entscheidung?
1.2 Wie ich selbst zum Rekordjäger wurde ...
»Das Leben wird nicht gemessen an der Zahl unserer Atemzüge, sondern an den Orten und Momenten, die uns den Atem rauben.«
Hilary Cooper
Alles hat damit angefangen, dass ich vor vielen Jahrzehnten in Beirut im Libanon geboren wurde und aufgrund der Kriegswirren und Bombeneinschläge im Alter von acht Jahren mit meinen Geschwistern nach Deutschland ausgeflogen wurde. Wir landeten in diversen Kinderheimen und waren ohne Eltern, die erst sechs Monate später nach Deutschland kommen sollten. In der Schule wurde ich aufgrund meiner Sprachschwierigkeiten und Mitteilungsprobleme oft gehänselt und links liegengelassen. Die einzige Möglichkeit, mich innerlich zu öffnen, war der Sport, und zwar in allen Disziplinen, die es gab: Laufen, Springen, Werfen etc. In allem, was immer ich auch ausprobierte, war ich tatsächlich der Beste, und das schlug sich auch deutlich in den Zeugnissen nieder. Mathe Fünf, Deutsch Vier, Bio Vier, Geschichte Vier, Religion teilgenommen – aber im Sport immer eine Eins!
Irgendwann landete ich in einem Hamburger Fußballverein, bei dem ich einen ziemlich guten Mittelstürmer abgab und auch oft in der Hamburger Fußballauswahl spielte. Mein Problem: Auch dort war ich abhängig von Mitspielern und einer Cliquenwirtschaft ausgesetzt, deren Kommunikation ich nicht verstand. Also bekam ich oft einfach die Bälle oder Flanken nicht, die ein Mittelstürmer braucht, um Tore zu schießen. Es war schon sehr frustrierend, Dinge, die ich sehr gut konnte, nicht zeigen zu können.
Doch dann passierte etwas Außergewöhnliches: Als 17-Jähriger, der ausnahmsweise zu früh auf dem Weg zum Fußballtraining beim FC Altona 93 war, hörte ich aus einer dunklen Gasse laute Schreie. Was ist denn da los, dachte ich. Mutig wie ein Torwart im Fünfmeterraum lief ich in die Sackgasse hinein und öffnete pochenden Herzens die Tür – und spürte sofort eine unglaublich geballte Energie, die mich fast erschlug. Der erste Eindruck von schwitzenden Menschen in weißen »Pyjamas« mit farbigen Gürteln beeindruckte mich derart, dass ich diesem Kampfsport fortan mein Leben widmete. Taekwondo! Die Sportschule Tangun, die sechs Tage die Woche geöffnet hatte, wurde ab sofort mein »Shaolin-Tempel«.
Fußball ist Mannschaftssport, Taekwondo ist Einzelsport, und wenn du gewinnst, dann gewinnst du, und wenn du verlierst, dann verlierst du, und zwar ganz alleine. Im Fußball bist du abhängig von vielen Faktoren, aufgrund derer du, egal wie gut du selbst spielst, trotzdem das Spiel verlieren kannst. Beim Taekwondo stehst du alleine auf der Matte und musst auch alleine bestehen. Diese Unabhängigkeit, diese Freiheit, alles zu erreichen und auf niemanden Rücksicht zu nehmen, war mein Schlüssel. Endlich konnte ich Gas geben. Ich trainierte die ganze Woche mehrere Stunden am Tag, lief permanent mit Bleiwesten rum. Man sah mich immer irgendwo Liegestütze machen, sah mich springen, treten, kämpfen oder im Kino Bruce-Lee-Filme zum hundertsten Mal anschauen. Nach der Rekordzeit von zwei Jahren bestand ich die Prüfung zum Schwarzen Gürtel im Taekwondo. Ich wurde mehrmals Hamburger Meister und nach vier Jahren disziplinierten Trainings 1981 auch Deutscher Meister im Kampf, natürlich im Einzel. Als Nationalkämpfer holte ich 1982 auf der WM in Ecuador den fünften Platz.
Ich errang Unmengen von Titeln sowie einen ganz besonderen Titel, auf den ich bis heute sehr stolz bin: Kalifornischer US-GRANDCHAMPION im Kampf! Die Regeln des Turniers: Man musste alle Kämpfer in seiner Gewichtsklasse im K.-o.-System schlagen, um anschließend gegen alle andern Gewichtsklassensieger um den begehrten Grandchampion-Titel kämpfen zu können. Das Kuriose war, dass ich mich spontan erst am Tag des Turniers angemeldet hatte, denn eigentlich wollte ich nur meine Schüler unterstützen. Trotz der mangelnden Vorbereitung gewann ich einen Kampf nach dem anderen! Erst im Nachhinein erfuhr ich, dass ich unwissend auch den Vorjahressieger und kalifornischen Grandchampion in meiner Gewichtsklasse im letzten Kampf geschlagen hatte. Da verstand ich, warum die ganze Halle bei diesem Kampf gegen mich war ...
Nach einer ganzen Reihe sehr harter Vollkontakt-Kämpfe stand ich um 1 Uhr morgens im Finale gegen einen riesigen Afroamerikaner, der die Schwergewichtsklasse und alle seine Kämpfe durch K. o. gewonnen hatte. Ich reichte ihm tatsächlich gerade...