TEIL 1
WAS IST TAPING ?
Geschickt vermarkteter Trend oder praktische Hilfe bei zahlreichen Beschwerden? Farbenfrohe Tapes auf der Schulter oder dem Knie begegnen uns inzwischen überall. Warum Taping zur festen Größe in der Therapie wurde, wie die elastischen Klebestreifen die Selbstheilungskräfte mobilisieren, sofortige Schmerzlinderung bringen und die Arbeit Ihrer Muskeln und Faszien unterstützen können, erfahren Sie im folgenden Kapitel.
DIE GESCHICHTE DES TAPENS
Die Grundlage für die heutigen Tapes (englisch tape = Band oder Streifen) ist wie bei vielen Dingen eine Weiterentwicklung von Altbewährtem. Mit dem wachsenden Wissen über die menschliche Anatomie und Physiologie entdeckten unsere Vorfahren schon früh, wie man die Heilung nach Verletzungen unterstützen konnte. Bereits in der Antike kreierten zum Beispiel die Griechen ihre ersten Tapes für die Behandlung von Verletzungen an Knochen und Gelenken. Mit Verbänden aus Stoff sorgten sie für eine deutliche Entlastung und förderten so die Regeneration. Als Klebemittel nutzten sie zu der Zeit Harz und wickelten die darin getränkten Stoffbänder um das verletzte Gelenk. Das Harz härtete aus und stabilisierte die schmerzende und verletzte Knochenstruktur. Die erste Form des Tapens war erfunden.
Später im auslaufenden 19. Jahrhundert wurde die Nutzbarkeit der Tapes mit der Entwicklung der ersten Pflaster deutlich verbessert. Die selbstklebenden Pflasterstreifen konnten schneller angelegt werden und waren viel hygienischer als die alte Version. Sie wurden fortan fester Bestandteil der ärztlichen Behandlung und fanden Einsatz bei vielen therapeutischen Maßnahmen. Vor allem bei Verletzungen von Knochen, Bändern, Kapseln und Sehnen eignen sich die festen Tapes hervorragend, um Stabilität von außen zu gewährleisten – wie ein kleiner Gipsverband, der die verletzte Struktur vor weiterer, zu starker Belastung schützt. Durch die Anlage fester Tapes wird das Gelenk fixiert und immobilisiert. Bewegungen sind nun fast nicht mehr möglich.
Was auf den ersten Blick sinnvoll erscheint, wurde in den letzten Jahren jedoch überdacht und revidiert, denn das Gelenk passiv durch Manschetten, Bandagen oder ein starres Tape zu stützen, ist oft nur bei schweren akuten Verletzungen – zum Beispiel bei einem Schleudertrauma oder einer starken Bänderdehnung – notwendig. Im Anschluss ist es jedoch besonders wichtig, die Funktionsfähigkeit des Gewebes wiederherzustellen. Die Muskeln, Sehnen und Bänder müssen wieder aktiv werden und die Gefäße und Nerven wieder Stoffwechsel zulassen. Wird das Gelenk weiterhin passiv gestützt, sind sie nicht gefordert, ihre Arbeit wird von extern übernommen und so reduziert der Körper den Stoffwechsel, die Nervenversorgung und die Muskelaktivität in diesem Bereich. Das ist aus funktioneller Sicht nicht Sinn der Sache, denn unser Körper braucht stimulierende Reize, um gut zu funktionieren.
Die heutigen Tapes sind gleich in doppelter Hinsicht flexibler als ihre starren weißen Vorgänger – sie punkten mit enormer Dehnbarkeit und einer großen Farbauswahl.
VON DER PASSIVEN ENTLASTUNG ZUR AKTIVEN UNTERSTÜTZUNG
Dass verletzte Strukturen und Gelenke in aller Regel weniger von der Ruhigstellung als vielmehr von der aktiven Unterstützung profitieren, erkannte auch der japanische Arzt und Chiropraktiker Dr. Kenzo Kase und entwickelte in den 70er-Jahren eine neue Form des Tapens. Orientiert an den elastischen Eigenschaften unseres Bindegewebes fertigte er ein der Haut sehr ähnliches flexibles Produkt – das erste elastische Tape. Sein Ziel war es, mit seiner Behandlung und der folgenden Anlage der neuartigen Tapes die Regulations- und Stoffwechselvorgänge des Körpers zu unterstützen und dadurch die Funktion zu verbessern. Die Tape-Anlage sollte die Effekte der manuellen Behandlung imitieren beziehungsweise verstärken. Er nannte seine Entwicklung „Kinesio-Taping“ und unterstrich damit die Haupteigenschaft seiner Methode – nämlich die Förderung und Nutzung von Bewegung (griechisch kinesis = Bewegung). Schon Leonardo da Vinci, der Anatom und Naturphilosoph, bemerkte: „Leben ist Bewegung und Bewegung ist Leben.“
Im Kleinen wie im Großen geht es also um Bewegung als Ausdruck von Regulation. Haut, Muskulatur und Faszien sollen in ihrer Funktion unterstützt werden, um schmerzfreie und optimale Bewegungsabläufe zu ermöglichen. Die Förderung der Eigenregulation und der Ausgleich der Körperfunktionen sind essenzielle Bestandteile der fernöstlichen Medizin und ergänzen deren traditionelles Verständnis von Heilung und Gesundheit. Der Vorteil der elastischen Bänder liegt auf der Hand: Sie unterstützen die für die aktive Führung verantwortlichen Anteile eines Gelenks in ihrer Funktion und regulieren so die Kräfte, die auf das Gelenk wirken. Dabei geht es vor allem um die Gewebeanteile, die dem Gelenk Stabilität geben. Folglich unterscheiden sich die Tape-Anlagen mit elastischen Eigenschaften in ihrer Wirkung und Struktur ganz grundlegend von den passiven und festen Tapes beziehungsweise Verbänden, die das Gelenk in erster Linie verstärken, damit es die Belastung besser „erträgt“. Elastische Tapes sind also von der Herangehensweise einen Schritt voraus gedacht.
REGULATIVE MEDIZIN
Unser Körper ist ein hochkomplexes Wunderwerk der Regulation auf unterschiedlichsten Ebenen. Ständig und überall versucht der Organismus, seine innere Balance zu halten und in sämtlichen Regelsystemen ausgleichend zu wirken, sollte dieser Gleichgewichtszustand (Homöostase) gefährdet sein. Unsere Körpertemperatur muss konstant bleiben, eine ausreichende Durchblutung ist unverzichtbar und auch der Mineralhaushalt unterliegt sensiblen Normbereichen, um optimal funktionieren zu können.
Das sind nur einige Bereiche der Grundregulation, die die permanente Arbeit unseres Körpers verdeutlichen. Jede einzelne Zelle erfüllt in diesem Zusammenspiel ihre Aufgabe und bildet damit die Grundlage für das Regulationsvermögen unseres Organismus. Der Bereich zwischen den einzelnen Körperzellen – die sogenannte extrazelluläre Matrix, die den Hauptbestandteil unseres Bindegewebes bildet und sich aus Wasser, Eiweißen und Fasern zusammensetzt – ist der Regulationsraum, in dem wie auf kleinen Straßen Austausch stattfindet, kommuniziert und reguliert wird. So erhält ein reibungslos funktionierender Regulationskreislauf unsere Körperfunktionen aufrecht.
Hier bietet die regulative Medizin sanfte und natürliche Hilfe: Sie unterstützt den Körper auf unterschiedliche Art und Weise in seinem Vermögen, die körpereigenen Prozesse wieder in einen gesunden Zustand zu versetzen.
SCHNELLE HEILUNG DANK TAPING
Die schnellen Erfolge nach Behandlungen mit der Kinesio-Taping-Methode waren beeindruckend. Patienten konnten oft direkt nach der Tape-Anlage Bewegungen ausführen, die vorher schlecht oder nur schmerzhaft möglich waren. Und das nur, weil ein paar bunte Bänder auf die Haut geklebt wurden. Doch genau diese bunten Bänder sorgen sofort für eine Gewebsentlastung und Funktionsverbesserung. Ein schmerzendes Knie kann also viel früher wieder beansprucht werden, da die funktionelle Störung im Bereich des Kniegelenks beseitigt und dieses nicht „nur“ passiv gestützt wird. Mittlerweile erfreut sich die Behandlung mit den elastischen Tapes immer größerer Beliebtheit. Das bis dato bekannte unflexible, starre Tape wurde relativ schnell von der elastischen Neuentwicklung abgelöst, denn diese neue funktionelle Variante verbesserte die therapeutischen Möglichkeiten enorm.
DAS TAPE IST FÜR JEDERMANN
Durch die einfache Arbeit mit dem Tape und die direkte Beeinflussung des Körpers und seiner Funktionsabläufe hat das funktionelle Tapen heute viele Anhänger –bei Therapeuten und Ärzten wie auch bei Patienten. Daher sind die farbigen Streifen inzwischen auch fast überall zu finden.
Vor allem im Sportbereich gehören die „Wundertapes“ zum Standardprogramm und werden teilweise medienträchtig in Szene gesetzt. Es ist kaum ein Sportereignis im Fernsehen zu sehen, wo nicht mal eine bunt beklebte Schulter unter dem Shirt hervorblitzt oder das getapte Knie bewundert werden kann. Die Tapes können die Zusammenarbeit von Muskeln, Faszien und Sehnen verbessern, Bewegungsabläufe optimieren und helfen, das Leistungsvermögen zu steigern.
Doch auch in der therapeutischen Arbeit ist das Tapen ein wichtiger Baustein geworden, vor allem um die Behandlung von Verletzungen des Bewegungsapparats erfolgreich zu gestalten. Und dabei ist es egal, ob man Leistungssportler, Breitensportler oder Nichtsportler ist. Oft genug fragen Patienten in Praxen auch gezielt nach Tapes. Ihre positive Wirkungsweise kann bei Beschwerden von Menschen jeden Alters genutzt werden. Mit Sicherheit ist dabei auch die psychische Komponente wichtig – man sieht die blauen Streifen auf dem Knie und fühlt sich gut versorgt. Wie wir wissen, ist der Einfluss unserer Psyche nicht zu unterschätzen und spielt bei vielen Behandlungen eine entscheidende Rolle. Ein rein psychologischer Effekt kann den Tapes jedoch nicht unterstellt werden, da unter anderem auch Kinder, Babys und Tiere erfolgreich getapt werden. Forschungsergebnisse stützen die Wirksamkeit von elastischen Tapes auf vielfältige Art und Weise und belegen insbesondere die Abnahme der Schmerzempfindung und die Verbesserung der Beweglichkeit.
Große Wirkung ohne Nebenwirkungen: Als risikolose, schmerzfreie und effektive Behandlungsmethode ist das Taping vor allem bei Sportlern sehr beliebt und auch bei Kindern problemlos...