Kapitel 1
FDM - wenig bekannt und unterschätzt
Das Fasziendistorsionsmodell, FDM, entdeckt und entwickelt von dem amerikanischen Arzt Stephen Typaldos, eignet sich besonders zur Behandlung von Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats: Rückenschmerzen aller Art, Schmerzen in Armen und Beinen, Händen und Füßen, Sportverletzungen, steife Gelenke, Schulter- oder Knieschmerzen, Verstauchungen, Verrenkungen, Bänderrisse, Zerrungen usw.. Versierte Therapeuten behandeln auch Kopfschmerzen, Fibromyalgie und das Karpaltunnelsyndrom oder begleiten Schlaganfallpatienten in der Rehabilitationsphase. Vieles im Zusammenhang mit FDM ist noch unerforscht oder die Forschung befindet sich erst in den Anfängen. Typaldos selbst ging davon aus, dass FDM auch in der postoperativen Begleitung und in der Vorbeugung gegen Verletzungen einsetzbar ist. Aber in erster Linie ist FDM eine manuelle Behandlungsmethode für Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats, die ohne Medikamente und ohne Operation vielen Patienten schnell helfen kann, auch wenn diese schon eine längere Leidensgeschichte hinter sich haben. Ein weiterer Pluspunkt ist die einfache Diagnostik, die ohne teure Geräte und aufwändige Untersuchungen auskommt. Der behandelnde Therapeut kann sich dabei nämlich auf die Angaben des Patienten stützen und braucht keine aufwändigen Diagnoseverfahren. Der Patient selbst macht durch die Art und Weise, wie er seinen Schmerz beschreibt und zeigt, genau klar, woran er leidet und wie die Behandlung aussehen muss. Doch davon später.
Weshalb wir FDM brauchen
Mancher Leser wird sich vielleicht fragen, wozu wir das Fasziendistorsionsmodell überhaupt brauchen. Schließlich haben wir genug fähige Orthopäden, Osteopathen und Physiotherapeuten. Es gibt Akupunktur, hoch entwickelte Operationsmethoden und alternative Behandlungsmethoden und natürlich wirksame Medikamente und Schmerzmittel. Rückenschmerzen können umfassend untersucht und behandelt werden. Doch so einfach ist es nicht. Denn trotz aller dieser medizinischen Vorzüge und Maßnahmen leben laut der Deutschen Schmerzliga e.V. in Deutschland 12 bis 15 Millionen Menschen, die an länger andauernden oder wiederkehrenden Schmerzen leiden. Rückenschmerzen zählen laut dem Dossier »Chronischer Schmerz, Daten, Fakten, Hintergründe« vom Januar 2013 der Deutschen Schmerzliga zu den häufigsten Schmerzen:
- Bei Umfragen geben 40 Prozent der Erwachsenen an, momentan Rückenschmerzen zu haben.
- Nach Erkenntnissen des Robert-Koch-Instituts haben sogar bis zu 44 Prozent der 14- bis 17-Jährigen regelmäßig Rückenschmerzen.
- Etwa 10 Prozent der Rückenschmerz-Patienten sind dauerhaft beeinträchtigt.
- Rund 60 Prozent der von Rückenschmerzen Betroffenen gehen in den vorzeitigen Ruhestand, wenn sie länger als sechs Monate krankgeschrieben wurden.
- Gut zwei Drittel aller Erwachsenen leiden innerhalb von zwölf Monaten mindestens einmal an Rückenschmerzen. Pro Patient entstehen daraus volkswirtschaftliche Kosten in Höhe von 1.322 Euro pro Jahr. Für die gesamte Bevölkerung zwischen 18 und 75 Jahren summiert sich das auf knapp 49 Milliarden Euro. Das entspricht rund 2,2 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts.
Bemerkenswert ist außerdem, dass nach Erkenntnissen der Universität Lübeck und des Zentralverbands Physiotherapeuten/ Krankengymnasten e.V. in etwa 85 Prozent der Fälle die Ärzte keine eindeutige Ursache für Rückenschmerzen finden. Patienten mit andauernden starken Beschwerden haben nicht immer einen Wirbelsäulenschaden. Andere, bei denen zufällig ein solcher festgestellt wurde, verspüren nicht unbedingt Schmerzen.
Wenn wir davon ausgehen, dass Rückenschmerzen nur einen Teil der Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparats ausmachen und bei diesen Zahlen Kopfschmerzen, Nacken- und Schulterschmerzen, Gelenk- und Gliederschmerzen sowie Brüche und andere Verletzungen noch gar nicht berücksichtigt wurden, wird mehr als deutlich, weshalb wir dringend ein Modell wie FDM brauchen.
Auch »Der Gesundheitsreport 2014« der DAK wartet mit erschütternden Zahlen auf:
- Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems lagen 2013 bei den Arbeitsunfähigkeitstagen wieder an der Spitze aller Krankheitsarten.
- Diese Erkrankungen hatten einen Anteil von 21,5 Prozent am gesamten Krankenstand.
- Rückenschmerzen hatten den zweithöchsten Anteil an den Arbeitsunfähigkeitstagen bei den Einzeldiagnosen.
Auch Bandscheibenschäden, Schulterverletzungen, beschädigte Kniegelenke, Luxationen, Verstauchungen und Zerrungen des Kniegelenks und von Bändern des Kniegelenks sowie Brüche des Unterschenkels inklusive des oberen Sprunggelenks fanden sich auf den ersten 20 Plätzen.
Die badenwürttembergische Sozialministerin Katrin Altpeter sagte am »Tag der Rückengesundheit« am 15. März 2015: »Es ist keineswegs übertrieben, von einem Volksleiden zu sprechen.« Laut einer Studie des Robert-Koch-Instituts von 2012 haben 20 Prozent der Frauen im Alter von 18 bis 29 Jahren fast täglich Rückenschmerzen. Im Alter von 60 bis 69 Jahren waren es mehr als 40 Prozent.
Allerdings hat das Alter prinzipiell nichts mit der Häufigkeit von Rückenschmerzen zu tun, sondern wer länger lebt, hat mehr Chancen, Schmerzen zu bekommen.
Für die von chronischen Schmerzen Betroffenen besonders schlimm ist die beeinträchtigte Lebensqualität:
Am chronischen Schmerz verdient vor allem die Pharmaindustrie. So hat das Deutsche Arzneiprüfungsinstitut anhand der Auswertung von Rezeptdaten der gesetzlichen Krankenkassen ermittelt, dass die Verschreibung von starken, betäubungsmittelhaltigen Schmerzmitteln (Opioidanalgetika) von 2005 bis 2011 bundesweit um fast 50 Prozent gestiegen ist. 2005 wurden in Deutschland noch 4,2 Millionen Packungen dieser Schmerzmittel verordnet, 2011 waren es bereits mehr als 6,3 Millionen Packungen. Nicht verschreibungspflichtige und schwächere Schmerzmittel wurden dabei noch gar nicht erfasst.
Abgesehen davon, dass Schmerzmittel Nebenwirkungen haben und den Körper des Patienten belasten, würde wohl jeder gerne auf die Einnahme von Schmerzmitteln verzichten, wenn er Schmerzen auf andere Art und Weise loswerden könnte. Mit FDM können viele dieser Krankheiten ohne Schmerzmittel schnell und nachhaltig behandelt werden, sodass es erst gar nicht zu chronischen Schmerzen kommt. Selbst wenn der Patient bereits eine längere Schmerzgeschichte mitbringt, ist FDM häufig erfolgreich, auch wenn es in solchen Fällen vielleicht etwas länger dauert. Das liegt vor allem daran, dass ein Patient, der schon monateoder jahrelang unter Schmerzen leidet, seine Schmerzen nicht mehr so genau definieren kann. Typaldos schrieb dazu: »Im Gegensatz zu akuten Patienten, die ihre Schmerzen genau definieren können, haben Patienten mit chronischen Schmerzen eine Tendenz zur Verallgemeinerung: »Es tut überall weh« oder »Es tut einfach weh«. Das liege daran, dass chronische Patienten eine Vielzahl von Distorsionen und verschiedenen Distorsionstypen beschreiben müssten.
Faszien und ihre Rolle im Körper
Wenn ich anfange, über Faszien zu sprechen, ernte ich häufig nur einen fragenden Blick. Obwohl sie in unserem Körper sozusagen omnipräsent sind, kennt sie außer den medizinisch Vorgebildeten kaum jemand, geschweige denn ihre Bedeutung für unser Wohlergehen. Um FDM zu verstehen, ist es jedoch notwendig, sich etwas eingehender mit den Faszien zu befassen.
Das Wort Faszie hat seinen Ursprung in dem lateinischen Wort »fascia«, was Band oder Bündel bedeutet. Vereinfacht ausgedrückt versteht man unter Faszien das primäre Bindegewebe des Körpers, doch tatsächlich ist es etwas komplizierter. Die Faszien umschließen unsere Knochen, Organe, Nerven und Muskeln. Sie sind ein kollagenes faseriges Bindegewebe. Gelenk- und Organkapseln, Bänder und Sehnen zählen ebenso zu den Faszien. Daneben gibt es die eigentlichen Faszien wie die Plantarfaszie, eine flächige, feste Bindegewebsschicht an der Fußsohle. Die Faszien halten sozusagen unseren Körper zusammen, schützen ihn und wirken wie ein elastischer Stoßdämpfer.
Denken Sie an eine Orange, damit Sie sich Faszien besser vorstellen können. Unter der Schale kommt eine weitere Schicht zum Vorschein, meistens ist sie etwas dicker und weiß. Darunter findet sich eine noch dünnere Schicht, und auch jeder Schnitz wird von einem dünnen Häutchen umschlossen. Vermutlich gibt es noch viele weitere Schichten, die wir jedoch mit bloßem Auge nicht sehen können.
Man unterscheidet drei Schichten von Faszien:
1. Die oberflächlichen Faszien
Sie finden sich im Unterhautgewebe in den meisten Teilen des Körpers und bestehen hauptsächlich aus lockerem Bindegewebe und Fettgewebe. Sie...